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Führen mit Seele: Wie die großen Dirigenten

von Sep 17, 2017Impulsgeschichten

Dirigenten führen nonverbal mit ihrer ganzen Präsenz. Wie unterschiedlich dem einzelnen Raum und der Musik eine individuelle Seele gegeben wird, zeigt der Vergleich großer Dirigenten des 20. Jahrhunderts.

 

Der Dirigent eines Orchesters steht bei seinem Auftritt…

nicht nur physisch. Sondern er steht immer wieder auch vor einer Challenge: Er hat eine Menge Hochleister, Musiker, Spezialisten ihres Instrumentes zu führen, die sich voll mit dem identifizieren, was sie tun. Er soll die Individualisten zu einem Team formen. Zu einer Harmonie. Soll ein perfektes Zusammenspiel schaffen. Die Symphonie ertönen lassen und sie dadurch anderen erschließen. Was er aus dem Orchester heraus holt, spiegelt seine Qualität als Maestro. Seine Aufgabe ist es, das Publikum mit Präzision und Leidenschaft beim Auftritt auf den Punkt zu begeistern. Da muss er in erster Linie selbst ausstrahlen, was er bei den Musikern entzünden will.

Das gelingt ihm, wenn er die Begeisterung der Musiker auf ein gemeinsames Ziel hin bündelt. Wenn dann die Leidenschaft explodiert und Dirigenten, Musiker und Publikum wie magisch in ihr Zusammenspiel zieht. In eine Art von Flow Zustand, in dem jeder Musiker, jeder Körper, ganz präsent und mit seinem Instrument und seinen Kollegen verbunden ist und das Spiel wie von alleine geschieht. Damit eine solche Resonanz miteinander gelingt, muss der Dirigent die Wahrnehmung des einzelnen Musikers für die anderen und deren Beiträge zum großen Ganzen fördern. Das Fokussieren der Aufmerksamkeit ist der Job des Dirigenten. Die bewusste Arbeit hierfür findet bei den Proben statt. Beim Auftritt dirigiert er nur noch nonverbal. Ganz ohne ein Wort und ohne einen Ton…

Musiker leben für den Moment

Der Dirigent entscheidet intuitiv, situativ für alle. Setzt Signale – nicht zuviel, nicht zuwenig. Das Orchester folgt. Daneben übergibt er dem Einzelnen Raum zur Entfaltung, wodurch die Musik „Seele“ bekommt. Aber nur so viel, dass sich alles gut ineinander fügt. Musik fängt an, wo Worte aufhören. Für diesen einen Moment leben die Musiker. Für das tiefe Eintauchen in die Musik, die noch tiefer als die Gefühle geht. Menschen werden von tief innen ergriffen, tauchen in eine andere Sphäre hinter der Musik ein und weinen in ihrer Ergriffenheit nicht selten, ohne zu wissen warum. Ursprüngliche Funktion von Musik war in der Tat die Heilbehandlung. Die fühlbare Resonanz im Körper, Melodie und Rhythmus beflügeln und schenken der Seele körperliche und geistige Harmonie.

Im eindrücklichen TED Beitrag aus 2009 „Führen wie die großen Dirigenten“ betrachtet der israelische Dirigent und Coach Itay Talgram fünf große Dirigenten des 20. Jahrhunderts. In 20 Minuten führt er vor Augen, wie divers die Maestros diese Aufgabe lösen. Und er zieht daraus Reflexionen, die in der Frage nach mehr Agilität in der Führung wieder hochaktuell sind:

  • Was ist das rechte Maß an Autonomie und an Anweisung und Kontrolle in der Führung?
  • Inwieweit geht es um klare Anweisung und inwieweit um das Gestalten des Rahmens?
  • Erleichtert guter Sinn die Führung?
  • Verzichtet Selbstorganisation auf Autorität in der Führung?
  • Wie viel Emotionen soll Führung zeigen?
  • Wie kann Führung mehr durch Wirken als durch Tun funktionieren?

5 Maestros des 20. Jahrhunderts

Der Beitrag schafft, was sonst in Führung nur schwer darstellbar ist: Er visualisiert die Präsenz der Führungspersönlichkeiten und ihren -stil anhand der Körpersprache und des nonverbalen Ausdrucks der Dirigenten. Das gibt dem Thema eine tiefe Anschaulichkeit. Zugleich demaskiert Italy Talgram aber auch verschiedene Haltungen in der Führung. Die Haltung fragt nach dem Zweck, Sinn und Menschenbild, dem Führung zu dienen glaubt:

Dirigenten Haltung Musiker
  • Riccardo Muti
  • Richard Strauss
Das Stück wird interpretationsfrei in Perfektion gespielt, so wie der Komponist es vorgesehen hat. Musiker stellen sich ganz in den Dienst des Komponisten.
  • Herbert von Karajan
  • Carlos Kleiber
Über klare Anweisungen zu seinen Gedanken bzw. zu seiner Vision kontrolliert der Dirigent das Ergebnis. Musiker haben Spielraum in der Umsetzung der Anweisungen
  • Leonard Bernstein
Der Dirigent lässt die Emotionen der Musiker frei fließen, um die Hörer zu verzaubern. Über Minuten kommt er beim Dirigieren mit bloßem Lächeln und Augenbewegungen aus. Musiker haben völlige Freiheit und völlige Sicherheit, die Musik durch Interpretation und Ausgestaltung zu etwas Einzigartigem zu gestalten.

Autonomie

Autonomie (Selbstbestimmung) steht in der Aufklärung für die Aufgabe des Menschen, sich selbst in seinen Möglichkeiten zu bestimmen. In modernen pluralistischen Gesellschaften bedeutet Respekt vor der Autonomie des Einzelnen, sich in die Lebensanschauungen und persönlichen Entscheidungen nicht einzumischen. Bei sittlichem Handeln nach Emanuel Kant folgt der Wille des autonomen Individuums (z.B. sein Wille zu etwas Größerem beizutragen) dabei der Vernunft. Egozentrierte Triebe, Neigungen, Interessen, Bedürfnisse und Wünsche können so begrenzt und überwunden werden.

Die Dirigenten benötigen Kollaboration im Orchester – und haben dabei doch gegenüber der Führung in Kliniken einen Vorteil: Sie erhalten von ihren autonomen Musikern ganz unmittelbar Feedback auf ihre Anweisungen, Interventionen und ihre Entscheidungen. Eine wichtige Voraussetzung für Spitzenleistung in der Musik. Respekt entsteht, wenn die Beteiligten den Mehrwert ihrer Tätigkeit, Erfolg im Orchester erleben, sich in einem gemeinsamen Rhythmus entfalten. Vertrauen die Musiker in die Kunst des Dirigenten – wie im Bild der Leitstute – dann  stellen sie ihre individuellen Interessen auch gerne hinten an. Ihre Belohnung ist der Moment ungeteilter persönlicher Aufmerksamkeit des Dirigenten und des Publikums. Das Wunder in der Musik.

Haltung wirkt

Schauen Sie sich die fünf Dirigenten an und prüfen Sie für sich selbst: Welcher Haltung von Führung in Bezug auf die Autonomie des Individuums stehen Sie selbst am nächsten? Tatsache ist: Diverse Wege und Stile führen zum Ziel. Grandiose Musik – mit Standing Ovations als Dank – haben ohne Zweifel alle fünf großen Meister orchestriert. In der Tiefe der Emotion des einzelnen jedoch macht der Stil einen großen Unterschied. Dies zeigt auch der tief berührende Film vom Regisseur Kay Pollak “Wie im Himmel” über den Star Dirigenten Daniel Daréus auf ganz berührende Weise.

Dirigenten

Es gilt, nicht der Gefahr des Ja-Aber-Spiels und damit dem Austausch von Argumenten zu verfallen, wenn man die Bedürfnisse auf den Tisch bringen will. Sondern selbst geklärt, die eignen Bedürfnisse einen Moment hinten anzustellen und die Bedürfnisse des andern empathisch in den Blick zu nehmen. Um sich aufrichtig mitteilen zu können, ist zunächst Empathie für die Bitte zu geben. So dass der Bittende die Sicherheit bekommt, gesehen und gehört zu werden. Zu zeigen, dass man die Bitte gehört hat und welche empathische Vermutung zum Wozu – als Frage oder Konjunktiv formuliert – man dazu hat.

 

7. Niemand kann Empathie geben, bevor er nicht selbst Empathie bekommen hat

Eine konkrete Bitte ist eine Strategie, die zunächst die Bedürfnisse des Fragenden in den Blick nimmt. In der GFK ist die Bitte nur verstehbar, wenn sie in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Gefühlen und Bedürfnissen geäußert wird. Wer eine Bitte äußert will etwas ändern. Die Gewaltfreie Kommunikation kennt unterschiedliche Arten von Bitten auf Ebene der Strategie. Ihr Fokus liegt dabei darauf, in Verbundenheit miteinander zu sein.

  • Handlungsbitten: sind Bitten um eine bestimmte Handlung oder um ein inhaltliches Feedback (oft um zu schnellen Lösungen zu kommen)

  • Beziehungsbitten: sind Bitten um eine einfühlsame Reaktion, um eine Mitteilung, was beim anderen angekommen ist oder wie es ihm damit geht, was er dabei empfindet. Es geht dabei als darum, dem Fühlen Raum zu geben.

Es git zunächst, das Bedürfnis des Bittenden hinter seiner Bitte genauer zu ergründen. Emphatische Vermutungen dürfen dabei nicht auf Gedanken abstellen, sondern das Fühlen adressieren. Schnell werden im Eifer des Gefechtes Gefühle mit Gedanken oder gar Vorwürfen verwechselt. Das aber zerstört jeden Kooperationswillen. Selbst wenn eine Handlungsbitte geäußert wurde, kann es sein, dass der Anfrager das Nein nicht in der Sache, sondern (1.) auf der persönlichen Ebene hört, als Absage an die Beziehung. Und dass er (2.) so in seine Bedürfnisse verstrickt ist, dass er kein Ohr für die Antwort hat und ein Nein (noch) nicht empathisch hören kann. Dann war die Fähigkeit offen mit einer Antwort umgehen zu können, nicht gegeben.

Eine echte Bitte im Dialog muss mit einer offenen Entscheidung – ja oder nein – umgehen können, sonst ist es keine. Dann braucht der Antwortende nicht mit einem Nein und seinen Bedürfnissen anfangen. Vielmehr gilt es nun erst einmal, um die Beziehung zu halten, die eigenen Bedürfnisse einen Moment zu parken und die Bedürfnisse hinter der Bitte in den Blick zu nehmen. Der Bittende braucht so lange Einfühlung, bis er sich entspannt hat. Die Zeit zum Nachspürenlassen, ob es im Hier und Jetzt gut ist, Zuhören, Raum halten. Wenn der Bittende in seinen Konflikt nicht so reflektiert ist, sich selbst Einfühlung zu geben, braucht er die Empathie des Zuhörers.  Sich auf der Ebene seiner Bedürfnisse gehört zu fühlen, lässt spüren, dass ich dem anderen wichtig bin. Menschen sind oft erst in der Lage, empathisch auf die Bedürfnisse anderer zu reagieren, wenn sie selbst Empathie bekommen haben.

 

8. Empathisch Zuhören bevor man sich aufrichtig mitteilen kann

Marshall B. Rosenberg erkannte: „Empathisch mit dem Nein des anderen zu sein, schützt uns davor, es persönlich zu nehmen.“ 

In der GFK gibt es keine Abkürzung als sich in die Bedürfnisse beider Seiten einzufühlen. Das ist das, was in Menschen lebendig ist. Ein Ansatz Nein zu sagen und gleichzeitig in der Verbundenheit zu bleiben, ist daher, nicht nur das eigene Nein gut zu erklären, sondern sich auch die Zeit zu nehmen, eine andere Strategie im Hier und Jetzt mit dem Anfrager zu entwickeln. Solange gemeinsam einen Weg zu erkunden, wie die dahinterliegende Bedürfnis beider Seiten erfüllt werden können. Immer wieder offen nachfragen, was der andere verstanden hat, wie es ihm damit geht und was er braucht. Hier sind mitunter mehrere Runden zu drehen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu spiegeln und eine gemeinsame Synthese zu finden. Diese Aufarbeitung im offenen Dialog kann Zeit benötigen, die nicht immer da ist. Sie hat das potenzial die Verbundenheit trotz des initialen Neins zu stärken.

Auf Ebene der mit der Bitte vorgeschlagenen Strategie gibt es kein Commitment. Das muss aber nicht heißen, dass es keine andere gemeinsam getragene Lösung gibt. So gesehen bleibt es beim autonomen Nein zur anfänglichen Bitte, die nicht für beide Seiten stimmig ist. Aber der Dialog endet immer mit einem Ja zur Verbindung  durch achtsame Anerkennung der Bedürfnisse aller Seiten. Im dialogischen Austausch selbst liegt dann eine neue tiefe Beziehungerfahrung. Statt im Widerstand und In Negativität zum Nein bzw. zur Bitte zu sein, wird kein Leid erschaffen, sondern es entsteht eine höhere warme Herzensenergie, indem beide miteinander mit ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.

 

9. Umgang mit Blockaden

Gehört zu werden im Anliegen schafft Öffnung auch für Anliegen des anderen. Selbst wenn ich diese Verbundenheit will, sich gegenseitig in seinen Bedürfnissen zu sehen und Lösungen zu finden, ist das nicht immer sofort möglich:

  • Ich bin selbst nicht in meiner Kraft und in der Lage mich auf den Klärungsprozess einzulassen. 

  • Man hat sich in ein Ja-Aber-Gefecht mit Urteilen, Drohung, Schuldvorwürfe und Urteile so- verfahren, dass im Moment nicht auf die Ebene der Bedürfnisse vorzudringen ist. Obwohl im Grunde jeder nur darum kämpft, mit seinen Bedürfnissen gesehen zu werden.
  • Die Beteiligten brauchen Zeit zum Nachspüren, bevor die gemeinsame Lösung sich entwickeln kann.

Bei solchen Blockaden hilft erst einmal der Ausstieg aus der Situation mit ehrlichem Bedauern und Dankbarkeit für die Ehrlichkeit. Für den Moment tritt jeder für sich ein und man lässt die Differenz stehen ohne sie persönlich zu nehmen. Ein Wiederanschließen ist dann leichter zu einem späteren Zeitpunkt aus Distanz zu den kraftraubenden Emotionen möglich. 

Die Aufrichtigkeit des Neins braucht Empathie für beide Seiten. Das gibt die Sicherheit, einander zu hören und anzuerkennen. Dahinter steck eine enorme Kraft der Verbundenheit: Die Bedürfnisse werden ins Leben geholt und schaffen lebendige Beziehungen. In dieser Haltung fließt jedes Einstehen für sich selbst letztlich sogar in eine Vertiefung der authentischen Verbindung zwischen Menschen.

So steht am Ende der Bitte das Danke.

    [1] Ein authentisches Anschauungsbeispiel ist die Milchtütenbitte von Iris und Jürgen. Im langsamen Dialog mit laufender Rückkopplung an die Bedürfnisse beider zeigen sie, wie es gelingt, die eigenen Bedürfnisse und die Reaktanz des anderen darauf anzusprechen und – in der Haltung, gegenseitig verbunden bleiben zu wollen und sich die Zeit zu nehmen- die Beziehung in der Akzeptanz der gegenseitigen lebendigen Bedürfnisse zu vertiefen. Die Kunst ist, keinen Vorwurf zu hören, sondern die Selbstkundgabe.

    [2] Axiom der GFK: Bedürfnisse sind universal gültig, insbesondere unabhängig von Person, Zeit und Ort, sonst sind es Strategien.


     

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