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Lerneinheit Schattentage – Von Fremdreflexion zur Selbstreflexion

von Mrz 18, 2011Blogs

Was sind Schattentage? Wie dienen sie der Reflexion des Alltags mit fachkundiger Perspektive von außen? Inwiefern haben sie Vorteile gegenüber Interviews und Befragungen?

Instrument aus dem Coaching

Das Instrument der Schattentage (Shadowing) stammt aus dem Coaching. Es ist eine Variante der teilnehmenden Beobachtung. So wird es definiert als Begleittage, an denen der Coach den Klienten in seinem Arbeitsalltag quasi beschattet. Die Methode bietet die Möglichkeit der Reflexion von Prozessen und Routinen sowie der Reflexion des eigenen Handelns in der Interaktion mit anderen. Zum einen wird Selbstreflexion alleine durch das Einnehmen von Distanz möglich. Zum anderen wird sie durch die Fremdreflexion mit Beobachtungen von Außenstehenden im Alltagskontext weiter gestärkt. Durch unsere Feldkompetenz im Krankenhaus sind wir mit Abläufen und Interaktionen in Kliniken sehr gut vertraut und bieten so mit unserem Know-how eine wertvolle Reflexionsfläche, um die Stärken, Schmerzpunkte und Verbesserungen in den Prozessen zu erkennen und zu spiegeln.

Dadurch wird eine geleitete Selbstreflexion möglich. Diese kann die eigene Sicht auf das tägliche Tun verändern. Denn Menschen sehen ja nicht „die“ Realität, sondern immer nur eine Konstruktion der Umwelt. So zumindest ist die Sicht des radikalen Konstruktivismus. Wenn es gelingt die Perspektive zu wechseln, werden bislang verborgene Dinge deutlich. Auf diese Weise eröffnen sich andere und neue Vorgehen und Lösungen. Dabei geht es darum, das Geschehen von dieser Warte  anderer aus zu sehen und sich der eigenen Muster bewusster zu werden. So werden undienliche Gewohnheiten und Automatismen hinterfragt und gestört.

Schattentage – Instrument im kombinierten Einsatz

Schattentage sind also auch eine Art Mix aus Prozessanalyse und teilnehmender Beobachtung. Hierbei kommen die Berater mehrere Tage in die Organisation, um Alltag und das Team unverstellt im Alltag in den Prozessen und in ihrer Interaktion zu begleiten. Der stille Beobachter bringt im Nachgang explizit eine eigene Expertise in die Reflexion ein gegen die die Selbstwahrnehmung gespiegelt wird. Das Instrument ist darauf ausgerichtet, in der kritischen Reflexion des Alltag blinde Flecken bei sich selbst durch Unterstützung Dritter aufzudecken.

Schattentage werden als Begleitung von Einzelpersonen, Teams oder Prozessen geführt. Sie können durchaus auch intern in Hospitationen durchgeführt werden. Eine entsprechende Simulationsübung hat dann wohl einen stärkeren Selbsterfahrungs- als Reflexionscharakter. Trotzdem kann auch hier das Ziel sein, bisher nicht hinterfragte Routinen zu reflektieren und ein Verständnis für den Schnittstellenpartnern entstehen. Durch den Wechsel der Blickrichtung können die blinden Flecken in der Organisation sichtbar werden und damit auch Veränderungen gezielt eingeleitet werden. 

 

Umsetzung Schattentage

Ein Kurzkonzept erläutert die Ziele der Schattentage für die Organisation, das geplante Vorgehen inkl. der Auswertungen und die Beteiligten sowie ihre Rollen. Dann gilt es, die betroffenen Bereiche darüber zu informieren. Eine Checkliste zur Vorbereitung dazu ist sinnvoll. Wichtig ist es, klar heraus zu stellen, dass es nicht um die Bewertung von Leistungen des Personals geht, sondern um die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit. Trotzdem werden die Mitarbeiter erst einmal skeptisch sein und sich kontrolliert fühlen. Meist merken sie jedoch schnell, dass wir nicht da sind, um den Einzelnen zu bewerten oder zu kritisieren. Dass es um Bedürfnisse der Rollen und Engpässe in den Prozessen und Strukturen der Organisation geht. Das Wissen für notwendige Veränderungen steckt implizit bereits in den Köpfen der Mitarbeiter.

Die Verbesserung der Strukturen erfordert einen Paradigmenwechsel, weg von dem Denken in Berufsgruppen und Bereichen hin zur Prozessorganisation. Dabei spielen strategische Konzeption, Prozesse, Kommunikation und Zusammenarbeit über alle Berufsgruppen, Bereiche und Hierarchien die zentrale Rolle. Die Kundensicht zu betrachten rundet in jedem Fall den Reflexionsprozess sinnvoll ab. Zur taggleichen Auswertung der Schattentage dienen vorstrukturierte Bögennach Bereich bzw. Thema mit Stärken bzw. Verbesserungen. Markante Beobachtungen werden dann sehr zeitnah diskutiert. Die Wahrscheinlichkeit, den Weg der Selbsterkenntnis und die Motivation zur Veränderung zu stärken, ist dann besonders hoch.

Es gilt, nicht der Gefahr des Ja-Aber-Spiels und damit dem Austausch von Argumenten zu verfallen, wenn man die Bedürfnisse auf den Tisch bringen will. Sondern selbst geklärt, die eignen Bedürfnisse einen Moment hinten anzustellen und die Bedürfnisse des andern empathisch in den Blick zu nehmen. Um sich aufrichtig mitteilen zu können, ist zunächst Empathie für die Bitte zu geben. So dass der Bittende die Sicherheit bekommt, gesehen und gehört zu werden. Zu zeigen, dass man die Bitte gehört hat und welche empathische Vermutung zum Wozu – als Frage oder Konjunktiv formuliert – man dazu hat.

 

7. Niemand kann Empathie geben, bevor er nicht selbst Empathie bekommen hat

Eine konkrete Bitte ist eine Strategie, die zunächst die Bedürfnisse des Fragenden in den Blick nimmt. In der GFK ist die Bitte nur verstehbar, wenn sie in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Gefühlen und Bedürfnissen geäußert wird. Wer eine Bitte äußert will etwas ändern. Die Gewaltfreie Kommunikation kennt unterschiedliche Arten von Bitten auf Ebene der Strategie. Ihr Fokus liegt dabei darauf, in Verbundenheit miteinander zu sein.

  • Handlungsbitten: sind Bitten um eine bestimmte Handlung oder um ein inhaltliches Feedback (oft um zu schnellen Lösungen zu kommen)

  • Beziehungsbitten: sind Bitten um eine einfühlsame Reaktion, um eine Mitteilung, was beim anderen angekommen ist oder wie es ihm damit geht, was er dabei empfindet. Es geht dabei als darum, dem Fühlen Raum zu geben.

Es git zunächst, das Bedürfnis des Bittenden hinter seiner Bitte genauer zu ergründen. Emphatische Vermutungen dürfen dabei nicht auf Gedanken abstellen, sondern das Fühlen adressieren. Schnell werden im Eifer des Gefechtes Gefühle mit Gedanken oder gar Vorwürfen verwechselt. Das aber zerstört jeden Kooperationswillen. Selbst wenn eine Handlungsbitte geäußert wurde, kann es sein, dass der Anfrager das Nein nicht in der Sache, sondern (1.) auf der persönlichen Ebene hört, als Absage an die Beziehung. Und dass er (2.) so in seine Bedürfnisse verstrickt ist, dass er kein Ohr für die Antwort hat und ein Nein (noch) nicht empathisch hören kann. Dann war die Fähigkeit offen mit einer Antwort umgehen zu können, nicht gegeben.

Eine echte Bitte im Dialog muss mit einer offenen Entscheidung – ja oder nein – umgehen können, sonst ist es keine. Dann braucht der Antwortende nicht mit einem Nein und seinen Bedürfnissen anfangen. Vielmehr gilt es nun erst einmal, um die Beziehung zu halten, die eigenen Bedürfnisse einen Moment zu parken und die Bedürfnisse hinter der Bitte in den Blick zu nehmen. Der Bittende braucht so lange Einfühlung, bis er sich entspannt hat. Die Zeit zum Nachspürenlassen, ob es im Hier und Jetzt gut ist, Zuhören, Raum halten. Wenn der Bittende in seinen Konflikt nicht so reflektiert ist, sich selbst Einfühlung zu geben, braucht er die Empathie des Zuhörers.  Sich auf der Ebene seiner Bedürfnisse gehört zu fühlen, lässt spüren, dass ich dem anderen wichtig bin. Menschen sind oft erst in der Lage, empathisch auf die Bedürfnisse anderer zu reagieren, wenn sie selbst Empathie bekommen haben.

 

8. Empathisch Zuhören bevor man sich aufrichtig mitteilen kann

Marshall B. Rosenberg erkannte: „Empathisch mit dem Nein des anderen zu sein, schützt uns davor, es persönlich zu nehmen.“ 

In der GFK gibt es keine Abkürzung als sich in die Bedürfnisse beider Seiten einzufühlen. Das ist das, was in Menschen lebendig ist. Ein Ansatz Nein zu sagen und gleichzeitig in der Verbundenheit zu bleiben, ist daher, nicht nur das eigene Nein gut zu erklären, sondern sich auch die Zeit zu nehmen, eine andere Strategie im Hier und Jetzt mit dem Anfrager zu entwickeln. Solange gemeinsam einen Weg zu erkunden, wie die dahinterliegende Bedürfnis beider Seiten erfüllt werden können. Immer wieder offen nachfragen, was der andere verstanden hat, wie es ihm damit geht und was er braucht. Hier sind mitunter mehrere Runden zu drehen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu spiegeln und eine gemeinsame Synthese zu finden. Diese Aufarbeitung im offenen Dialog kann Zeit benötigen, die nicht immer da ist. Sie hat das potenzial die Verbundenheit trotz des initialen Neins zu stärken.

Auf Ebene der mit der Bitte vorgeschlagenen Strategie gibt es kein Commitment. Das muss aber nicht heißen, dass es keine andere gemeinsam getragene Lösung gibt. So gesehen bleibt es beim autonomen Nein zur anfänglichen Bitte, die nicht für beide Seiten stimmig ist. Aber der Dialog endet immer mit einem Ja zur Verbindung  durch achtsame Anerkennung der Bedürfnisse aller Seiten. Im dialogischen Austausch selbst liegt dann eine neue tiefe Beziehungerfahrung. Statt im Widerstand und In Negativität zum Nein bzw. zur Bitte zu sein, wird kein Leid erschaffen, sondern es entsteht eine höhere warme Herzensenergie, indem beide miteinander mit ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.

 

9. Umgang mit Blockaden

Gehört zu werden im Anliegen schafft Öffnung auch für Anliegen des anderen. Selbst wenn ich diese Verbundenheit will, sich gegenseitig in seinen Bedürfnissen zu sehen und Lösungen zu finden, ist das nicht immer sofort möglich:

  • Ich bin selbst nicht in meiner Kraft und in der Lage mich auf den Klärungsprozess einzulassen. 

  • Man hat sich in ein Ja-Aber-Gefecht mit Urteilen, Drohung, Schuldvorwürfe und Urteile so- verfahren, dass im Moment nicht auf die Ebene der Bedürfnisse vorzudringen ist. Obwohl im Grunde jeder nur darum kämpft, mit seinen Bedürfnissen gesehen zu werden.
  • Die Beteiligten brauchen Zeit zum Nachspüren, bevor die gemeinsame Lösung sich entwickeln kann.

Bei solchen Blockaden hilft erst einmal der Ausstieg aus der Situation mit ehrlichem Bedauern und Dankbarkeit für die Ehrlichkeit. Für den Moment tritt jeder für sich ein und man lässt die Differenz stehen ohne sie persönlich zu nehmen. Ein Wiederanschließen ist dann leichter zu einem späteren Zeitpunkt aus Distanz zu den kraftraubenden Emotionen möglich. 

Die Aufrichtigkeit des Neins braucht Empathie für beide Seiten. Das gibt die Sicherheit, einander zu hören und anzuerkennen. Dahinter steck eine enorme Kraft der Verbundenheit: Die Bedürfnisse werden ins Leben geholt und schaffen lebendige Beziehungen. In dieser Haltung fließt jedes Einstehen für sich selbst letztlich sogar in eine Vertiefung der authentischen Verbindung zwischen Menschen.

So steht am Ende der Bitte das Danke.

    [1] Ein authentisches Anschauungsbeispiel ist die Milchtütenbitte von Iris und Jürgen. Im langsamen Dialog mit laufender Rückkopplung an die Bedürfnisse beider zeigen sie, wie es gelingt, die eigenen Bedürfnisse und die Reaktanz des anderen darauf anzusprechen und – in der Haltung, gegenseitig verbunden bleiben zu wollen und sich die Zeit zu nehmen- die Beziehung in der Akzeptanz der gegenseitigen lebendigen Bedürfnisse zu vertiefen. Die Kunst ist, keinen Vorwurf zu hören, sondern die Selbstkundgabe.

    [2] Axiom der GFK: Bedürfnisse sind universal gültig, insbesondere unabhängig von Person, Zeit und Ort, sonst sind es Strategien.


     

    Inspiration durch Impulse

    Die digitale Transformation vernetzt und verändert unsere Welt. Wissen wird schnell in z.T. höchster Qualität virtuell geteilt. Einfach nur ins Web gestellt. Es kann so laufend in immer neuen Kontexten neu verknüpft werden. Immer neue Inspiration regt die Reflexion, den Abgleich der eigenen Sinne und soziale Interaktion an. Wir leisten da bewusst einen Beitrag, wo es von der Oberflächlichkeit weg um Vertiefeng der Gedanken geht. Um Lösungen in die Umsetzung zu begleiten. Von Mensch zu Mensch, Face to face. Wir freuen uns, wenn es Sie erreicht.

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