Glück und Gesundheit hängen von unseren sozialen Beziehungen ab. Unserer Stute Sissi zeigt: Auch beim Führen und Folgen geht es um Beziehung, in die beide Seiten einwilligen und sich einbringen, damit sich frei von Gewalt ein Raum der Sicherheit öffnen und Vertrauen wachsen kann.
Aristoteles und die längste Studie der Glücksforschung
Es ist eine alte, bereits von Aristoteles vertretene Weisheit, was die Basis für ein glückliches und gesundes Leben ist. Und auch die zusammengeführte Harvard Langzeitstudie von Grant(268 Harvard Absolventen) mit der Glück Studie (456 Männer aus armen Verhältnissen), die bereits seit 1937 (!) laufen, kommen empirisch zum gleichen Schluss. Nachdem heute fast alle der einst insgesamt 724 Teilnehmern verstorben sind. Der Psychiater R. J. Waldinger, der vierte und letzte Leiter der Studie und Gründer der Lifespan Research Foundation, gibt in einem der meistbeachteten psychologischen Beitrag (mit über 21 Mio. Zuschauern) eine klare Antwort, worauf wir unser Leben ausrichten sollten: Auf gute Beziehungen. Menschen, die sozial verbunden sind, seien glücklicher, körperlich und geistig gesünder und lebten länger. Es komme auf die Qualität, Tiefe, Tragfähigkeit der Beziehungen an. Auf Wärme und Liebe.
Folgende Zusammenhänge aus den Studienergebnisse finden wir besonders spannend:
- Menschen, die mit 50 am glücklichsten in Beziehungen waren, sind mit 80 am gesündesten und Schmerzen machen ihnen weniger aus.
- Das Gedächtnis funktioniert länger, wenn man verlässliche Beziehungen hat.
- In (wohlhabenden) Ländern, in denen die soziale Ungleichheit gering ist, sind die Menschen insgesamt am glücklichsten.
- Vergleiche mit anderen ist der Anfang der Unzufriedenheit und das Ende des Glücks. Ratsamer ist es, sich mit der Person zu vergleichen, die man vor wenigen Jahren war.
- Setze weise die Prioritäten in Deinem Leben. Um nichts zu bereuen, wenn Du alt bist und auf Dein Leben zurückblickst.
Schlüsselerfahrung mit Sissi
Wir selbst haben diese Lektion von unserem Pferd gelernt. Sissi haben wir als gerade 7-jährige Stute bekommen. Wir stellten sie über ein Jahr lang in klassische Haltung in einen Boxenstall ein. Trotz Beritt und Ausbildung wurde sie für unsere Tochter immer schwieriger zu handeln. Viele Routinen wie z.B. der Weg in die Reithalle wurden zu einer Herausforderung, die selbst die Reitlehrer an ihre Grenzen brachte. Sissi war so wenig entspannt, dass sie körperliche Symptome zeigte und uns die Trainer eine Magenspiegelung empfahlen. Als Sissi dann begann, unsere Tochter abzuwerfen und beim Reiten zu steigen, wurde die Situation endgültig zu gefährlich. Wir schalteten die Natural Horseman Ship Trainerin Sarah Brummer ein. Und was da passierte war beeindruckend.
An einem dunklen, windigen, verregneten Novemberabend – also unter schwierigen Bedingungen – nahm die Trainerin nach einer Phase des Beobachtens die Arbeit auf. In wenigen Minuten stellte sie für uns zunächst unmerkbar eine Verbindung zwischen sich und dem Pferd her. Es wurde nonverbal kommuniziert und geklärt, wer wo steht, wie die Rangordnung ist. Schließlich geht es im Führen und Folgen um eine Beziehung, in die beide einwilligen und sich einbringen müssen. Durch das Einlassen auf die Führung öffnete sich – frei von Gewalt – ein Raum der Sicherheit. Sissi folgte der Trainerin so entspannt in die Halle wie wir sie lange nicht mehr erlebt hatten. Nach der Stunde analysierte die Trainerin, worauf uns das Pferd seit langem zunehmend deutlich hinweist: Es kommt nur ein paar Stunden am Tag aus der Box, hat keine Bewegungsfreiheit auf der Koppel und kaum Kontakt mit anderen Pferden.
Lebensqualität durch gute Beziehungen
Das war deutlich. Obwohl wir mit bester Absicht für alles sorgen wollten, haben wir die Natur des Pferdes, seine Bedürfnisse, nicht beachtet. Wir haben Sissi 22 Stunden am Tag in ein Gefängnis, in eine Box hinter Gittern gestellt, unter dem ihr Glück und ihre Gesundheit litten. Die Erkenntnis erschreckte uns und löste Veränderung auf dem Fuße aus.
Heute steht Sissi 24/7 in einem Aktivstall in einer großen Herde. Sie klärt ihren Rang in der Herde selbstbewusst und hat eine tiefe stabile Beziehung zu Ihrer Reiterin. Ganz ohne Beritt durch „Profis“. Das bessere Sehen und Ernstnehmen ihrer Bedürfnisse bewirkt Großes. Die Entspannung und das Pferdeglück sind im Verhalten, aber auch im ganzen Körper zu sehen. Sissi ist optisch ein völlig anderes Pferd als noch vor wenigen Wochen. Sie ist sehr gelehrig, hat Spaß an neuen Aufgaben und ist sehr achtsam.cFür uns ist das ein wahres Wunder über Glück und Gesundheit. Und über die Wirkung empathischer Führung, die nicht zufällig mit dem Bild der Leitstute und dem Leithengst verwebt ist. Denn Pferde sind Wesen, die eine andere Hirnstruktur und dadurch eine andere Beziehung zu Zeit und Raum haben als Menschen. Sie sind ganz im Moment.
Darum: Achten Sie gut auf Ihre stärkenden Beziehungen. Privat und beruflich. Zu ihren Vorgesetzten und zu ihren Mitarbeitern. Und vermeiden oder verändern Sie Beziehungen, die Sie Glück und Gesundheit kosten. Es ist viel zu schade, Zeit im Leben für anderes zu vertun.