0621 | 44596656 info@ruhl-consulting.de

Lerneinheit mündliche Befragungen – Von strukturierten Interviews

von Feb 2, 2011Blogs

Das strukturierte Interview ist ein effektives Instrument zur Ist-Analyse und Entwicklung: Wie verknüpft es die Vorteile schriftlicher Befragungen und unstrukturierter Gespräche? Und ist es als Form für wertschätzenden Befragungen nach dem Ansatz der Appreciative Inquiries (AI) von Nutzen?

 

Spezielle Form von Befragungen: Das strukturierte Interview

Zur Analyse des Status Quo – etwa zur Vorbereitung einer Strategieklausur – gibt es diverse Methoden und Werkzeuge. Dabei verbinden strukturierte Interviews die Vorteile einer schriftlichen Befragung durch einen anonymen Fragebogen und die Kraft des persönlichen Gesprächs. So erfassen sie quantitative und qualitative Informationen. Es geht um Meinungen und Haltungen der Mitarbeiter zu den Fragen der Organisation hinter ihren verschlüsselten kurzen Antworten. Anders als bei offenen Interviews beruht die strukturierte Variante auf immer gleichen Fragen. So wird auch die Meinung der Mehrheit auswertbar. 

Appreciative Inquiry: Das wertschätzende Interview

Der Ansatz der Appreciative Inquiry (AI), der wertschätzenden Befragung, stammt von David Cooperrider. Das strukturierte Interview, das in einer Haltung der Wertschätzung geführt ist, ist dafür gut geeignet. So bietet es Raum für selbst organisierte Prozesse bei der Gestaltung der Zukunft. Zugleich erlaubt es Einzelinterviews bis hin zu Formaten für Großgruppen. Dem Dialog und Lernen wird Raum gegeben. Und darum geht es dem AI schließlich: um die Wertschätzung des Besten im Menschen. Um das Bejahen und Bestätigen von Stärken, Erfolgen und Potenzialen sowie um das Erkunden und Begreifen, welche Faktoren einem System Leben geben. Um das anschließend weiter zu verstärken.

Die Grundidee der AI ist: Menschen und Systeme bewegen sich in die Richtung, in die sie schauen. Die Fragen richten den Blick aus. Probleme werden lediglich als Wünsche zur Veränderung formuliert. Der Einsatz von AI ist dort gut, wo Fähigkeiten, Verhalten oder Leistungen eines ganzen Systems entwickelt werden sollen oder wo es darum geht, das Systems neu zu gestalten. Im AI werden vier Phasen durchlaufen, die im prozessbegleitenden Verfahren über separate Phasen abgebildet werden können:

  • Discovery: Das Beste entdecken und verstehen.
  • Dream: Visionen werden entworfen. Es wird geträumt, was im besten Fall sein könnte.
  • Design: Ein Entwurf der Zukunft wird erarbeitet und Entscheidungen dazu getroffen.
  • Destiny: Neue Ideen werden verwirklicht.

Durchführung der Interviews

In strukturierten Interviews bewerten die Befragten Aussagen z.B. auf einer Skala von 1 bis 6. Dazu können sie freie Aussagen zu jeder Frage anbringen. Die Dokumentation und Möglichkeit nachzufragen erhöht die Einblicke im Vergleich zu einer herkömmlichen schriftlichen Befragung. Einzelnen Aussagen werden zur Kurzübersicht thematisch gebündelt, z. B. Aufgaben, Personalentwicklung, die Zusammenarbeit im Team und das Führungsverhalten.

In der Regel benötigt ein Interview ca. 20-30 Minuten. An einem Tag kann ein Interviewer zwischen 10-15 Interviews führen. Bei Bedarf bieten wir auch  telefonische Interviews an. Werden Position, Berufsgruppe oder Altersgruppe etc. erfasst, sindhspäter auch segmentierte Auswertungen möglich. Alle Angaben werden vertraulich und anonym behandelt. Das Instrument lebt genau von dem Vertrauensraum des Interviews.

Auswertung

Die strukturierten Interviews haben einen anderen Fokus als anonyme schriftliche Befragungen: Sie erlauben etwa in kürzester Zeit, differenzierte Stimmungsbilder im Team zu erheben. Die Ergebnisse lassen sich auf einer Seite darstellen. Bei auffälligen Werten erlauben die erfassten Informationen oft bereits tiefere Analysen von Ursachen und Lösungen. Konflikte in Berufsgruppen und zwischen ihnen lassen sich durch divergierende Bewertungen identifizieren. Bei der Präsentation der Ergebnisse sind Mitarbeiter häufig überrascht, wenn einzelne Themen von anderen ganz unterschiedlich gesehen wurden. Die Auswertungen ermöglichen ein tieferes Verständnis in der Zusammenarbeit und für die Bedürfnisse der Einzelnen.

Die strukturierten Interviews ermöglichen rasche, fundierte Stimmungsbilder in Teams. Durch gezieltes Fragen ist es möglich, Ideen der Mitarbeiter zu Verbesserungen 1:1 aufzunehmen. Menschen sind im persönlichen Gespräch in der Regel motiviert, aus sich herauszugehen. Dichte und Gehalt an Informationen sind bei persönlichen Gesprächen höher als bei schriftlichen Aussagen. Für den Einzelnen ist der zeitliche Aufwand für das Interview eher geringer als für das Ausfüllen eines Fragebogens. Anders als beim offenen Interview hat das Verfahren den Vorteil, dass Aussagen quantitativ greifbar werden. Und durch den Fokus auf vorher benannte Fragen können diese ganz gezielt erkundet werden.

Fazit zu den strukturierten Interviews

Die individuelle Abfrage von Feedback fördert die Identifikation der Einzelnen mit dem Prozess und das Auseinandersetzen mit relevanten Fragen des Teams. Dies aktiviert die Mitarbeiter für den weiteren Weg  und erkennt sie als Experten in eigener Sache an. 

Besteht bei Außenstehenden der Verdacht, dass Teams an ihren blinden Flecken scheitern, führt keine schriftliche Befragung und kein strukturiertes Interview weiter in die Tiefe. Hier dient dann eher das Instrument des Shaddowings, das Durchführen von Schattentagen, mit den Betroffenen neue Fragen entlang von Alltagsbeobachtungen zu erarbeiten…

Es gilt, nicht der Gefahr des Ja-Aber-Spiels und damit dem Austausch von Argumenten zu verfallen, wenn man die Bedürfnisse auf den Tisch bringen will. Sondern selbst geklärt, die eignen Bedürfnisse einen Moment hinten anzustellen und die Bedürfnisse des andern empathisch in den Blick zu nehmen. Um sich aufrichtig mitteilen zu können, ist zunächst Empathie für die Bitte zu geben. So dass der Bittende die Sicherheit bekommt, gesehen und gehört zu werden. Zu zeigen, dass man die Bitte gehört hat und welche empathische Vermutung zum Wozu – als Frage oder Konjunktiv formuliert – man dazu hat.

 

7. Niemand kann Empathie geben, bevor er nicht selbst Empathie bekommen hat

Eine konkrete Bitte ist eine Strategie, die zunächst die Bedürfnisse des Fragenden in den Blick nimmt. In der GFK ist die Bitte nur verstehbar, wenn sie in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Gefühlen und Bedürfnissen geäußert wird. Wer eine Bitte äußert will etwas ändern. Die Gewaltfreie Kommunikation kennt unterschiedliche Arten von Bitten auf Ebene der Strategie. Ihr Fokus liegt dabei darauf, in Verbundenheit miteinander zu sein.

  • Handlungsbitten: sind Bitten um eine bestimmte Handlung oder um ein inhaltliches Feedback (oft um zu schnellen Lösungen zu kommen)

  • Beziehungsbitten: sind Bitten um eine einfühlsame Reaktion, um eine Mitteilung, was beim anderen angekommen ist oder wie es ihm damit geht, was er dabei empfindet. Es geht dabei als darum, dem Fühlen Raum zu geben.

Es git zunächst, das Bedürfnis des Bittenden hinter seiner Bitte genauer zu ergründen. Emphatische Vermutungen dürfen dabei nicht auf Gedanken abstellen, sondern das Fühlen adressieren. Schnell werden im Eifer des Gefechtes Gefühle mit Gedanken oder gar Vorwürfen verwechselt. Das aber zerstört jeden Kooperationswillen. Selbst wenn eine Handlungsbitte geäußert wurde, kann es sein, dass der Anfrager das Nein nicht in der Sache, sondern (1.) auf der persönlichen Ebene hört, als Absage an die Beziehung. Und dass er (2.) so in seine Bedürfnisse verstrickt ist, dass er kein Ohr für die Antwort hat und ein Nein (noch) nicht empathisch hören kann. Dann war die Fähigkeit offen mit einer Antwort umgehen zu können, nicht gegeben.

Eine echte Bitte im Dialog muss mit einer offenen Entscheidung – ja oder nein – umgehen können, sonst ist es keine. Dann braucht der Antwortende nicht mit einem Nein und seinen Bedürfnissen anfangen. Vielmehr gilt es nun erst einmal, um die Beziehung zu halten, die eigenen Bedürfnisse einen Moment zu parken und die Bedürfnisse hinter der Bitte in den Blick zu nehmen. Der Bittende braucht so lange Einfühlung, bis er sich entspannt hat. Die Zeit zum Nachspürenlassen, ob es im Hier und Jetzt gut ist, Zuhören, Raum halten. Wenn der Bittende in seinen Konflikt nicht so reflektiert ist, sich selbst Einfühlung zu geben, braucht er die Empathie des Zuhörers.  Sich auf der Ebene seiner Bedürfnisse gehört zu fühlen, lässt spüren, dass ich dem anderen wichtig bin. Menschen sind oft erst in der Lage, empathisch auf die Bedürfnisse anderer zu reagieren, wenn sie selbst Empathie bekommen haben.

 

8. Empathisch Zuhören bevor man sich aufrichtig mitteilen kann

Marshall B. Rosenberg erkannte: „Empathisch mit dem Nein des anderen zu sein, schützt uns davor, es persönlich zu nehmen.“ 

In der GFK gibt es keine Abkürzung als sich in die Bedürfnisse beider Seiten einzufühlen. Das ist das, was in Menschen lebendig ist. Ein Ansatz Nein zu sagen und gleichzeitig in der Verbundenheit zu bleiben, ist daher, nicht nur das eigene Nein gut zu erklären, sondern sich auch die Zeit zu nehmen, eine andere Strategie im Hier und Jetzt mit dem Anfrager zu entwickeln. Solange gemeinsam einen Weg zu erkunden, wie die dahinterliegende Bedürfnis beider Seiten erfüllt werden können. Immer wieder offen nachfragen, was der andere verstanden hat, wie es ihm damit geht und was er braucht. Hier sind mitunter mehrere Runden zu drehen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu spiegeln und eine gemeinsame Synthese zu finden. Diese Aufarbeitung im offenen Dialog kann Zeit benötigen, die nicht immer da ist. Sie hat das potenzial die Verbundenheit trotz des initialen Neins zu stärken.

Auf Ebene der mit der Bitte vorgeschlagenen Strategie gibt es kein Commitment. Das muss aber nicht heißen, dass es keine andere gemeinsam getragene Lösung gibt. So gesehen bleibt es beim autonomen Nein zur anfänglichen Bitte, die nicht für beide Seiten stimmig ist. Aber der Dialog endet immer mit einem Ja zur Verbindung  durch achtsame Anerkennung der Bedürfnisse aller Seiten. Im dialogischen Austausch selbst liegt dann eine neue tiefe Beziehungerfahrung. Statt im Widerstand und In Negativität zum Nein bzw. zur Bitte zu sein, wird kein Leid erschaffen, sondern es entsteht eine höhere warme Herzensenergie, indem beide miteinander mit ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.

 

9. Umgang mit Blockaden

Gehört zu werden im Anliegen schafft Öffnung auch für Anliegen des anderen. Selbst wenn ich diese Verbundenheit will, sich gegenseitig in seinen Bedürfnissen zu sehen und Lösungen zu finden, ist das nicht immer sofort möglich:

  • Ich bin selbst nicht in meiner Kraft und in der Lage mich auf den Klärungsprozess einzulassen. 

  • Man hat sich in ein Ja-Aber-Gefecht mit Urteilen, Drohung, Schuldvorwürfe und Urteile so- verfahren, dass im Moment nicht auf die Ebene der Bedürfnisse vorzudringen ist. Obwohl im Grunde jeder nur darum kämpft, mit seinen Bedürfnissen gesehen zu werden.
  • Die Beteiligten brauchen Zeit zum Nachspüren, bevor die gemeinsame Lösung sich entwickeln kann.

Bei solchen Blockaden hilft erst einmal der Ausstieg aus der Situation mit ehrlichem Bedauern und Dankbarkeit für die Ehrlichkeit. Für den Moment tritt jeder für sich ein und man lässt die Differenz stehen ohne sie persönlich zu nehmen. Ein Wiederanschließen ist dann leichter zu einem späteren Zeitpunkt aus Distanz zu den kraftraubenden Emotionen möglich. 

Die Aufrichtigkeit des Neins braucht Empathie für beide Seiten. Das gibt die Sicherheit, einander zu hören und anzuerkennen. Dahinter steck eine enorme Kraft der Verbundenheit: Die Bedürfnisse werden ins Leben geholt und schaffen lebendige Beziehungen. In dieser Haltung fließt jedes Einstehen für sich selbst letztlich sogar in eine Vertiefung der authentischen Verbindung zwischen Menschen.

So steht am Ende der Bitte das Danke.

    [1] Ein authentisches Anschauungsbeispiel ist die Milchtütenbitte von Iris und Jürgen. Im langsamen Dialog mit laufender Rückkopplung an die Bedürfnisse beider zeigen sie, wie es gelingt, die eigenen Bedürfnisse und die Reaktanz des anderen darauf anzusprechen und – in der Haltung, gegenseitig verbunden bleiben zu wollen und sich die Zeit zu nehmen- die Beziehung in der Akzeptanz der gegenseitigen lebendigen Bedürfnisse zu vertiefen. Die Kunst ist, keinen Vorwurf zu hören, sondern die Selbstkundgabe.

    [2] Axiom der GFK: Bedürfnisse sind universal gültig, insbesondere unabhängig von Person, Zeit und Ort, sonst sind es Strategien.


     

    Inspiration durch Impulse

    Die digitale Transformation vernetzt und verändert unsere Welt. Wissen wird schnell in z.T. höchster Qualität virtuell geteilt. Einfach nur ins Web gestellt. Es kann so laufend in immer neuen Kontexten neu verknüpft werden. Immer neue Inspiration regt die Reflexion, den Abgleich der eigenen Sinne und soziale Interaktion an. Wir leisten da bewusst einen Beitrag, wo es von der Oberflächlichkeit weg um Vertiefeng der Gedanken geht. Um Lösungen in die Umsetzung zu begleiten. Von Mensch zu Mensch, Face to face. Wir freuen uns, wenn es Sie erreicht.

    Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie 4x im Jahr unsere neuen Beiträge des letzten Quartals auf einen Blick bequem per Mail.