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Lerneinheit schriftliche Befragungen – Vom Umgang mit Beurteilungen

von Jan 9, 2011Blogs

Wieso ist es bei schriftliche Befragungen oft gar nicht so leicht, mit Feedback zur Beurteilung professionell umzugehen? Wie sollte das bereits bei der Konzeption einer Befragung beachtet werden?

 

Anonyme schriftliche Befragungen zur Vorgesetzenbeurteilung

Schriftliche Befragung vorbereiten

Diese können wertvoll sein, um eine ehrliche Rückmeldung zu erhalten, um verschiedene Perspektiven und Baustellen zu identifizieren. Hauptziel einer Befragung der Mitarbeiter ist es, ein Bild über deren Zufriedenheit zu gewinnen und daraus konkrete Verbesserungen abzuleiten.[1] So sind Befragungen ein Instrument, um systematisch Feedback einzuholen. Doch sind Vorgesetzten Beurteilungen nicht von der jeweiligen Führungskraft erbeten, sondern vom Unternehmen vorgegeben, ist die Wirkung so eine Sache. Es kann die Selbstreflexion der Führungskräfte anstoßen – aber auch ungebetene Verletzungen zufügen und verdeckte Konflikte eskalieren. Wer um Feedback bittet, muss sich die Antworten anhören und akzeptieren, dass diese hoffentlich nachvollziehbar, aber nicht unbedingt nur nett sind.

Problematisch wird es dann, wenn die Führungskraft nicht bereit ist, diese Themen zu verändern. Die Bereitschaft muss vor jeder Befragung hergestellt sein. Es geht um Perspektivenwechsel und Zuhören.[2] Dabei prägt v.a. die Qualität der Fragen die Qualität der Befragung. Was sind die Motive und wozu soll die Befragung dienen? Und dann gilt es nicht einen endlos langen Fragebogen zu generieren. Vielmehr liegt die Kunst darin, in wenigen guten Fragen, das Anliegen zu erfassen. Um Befragungen gut nutzen zu können, ist eine hohe Beteiligung der Mitarbeiter obligat. Die Rücklaufquote ist ein erstes Indiz für Motivation und Engagement der Mitarbeiter. Mitarbeiter sollen gerade durch die Anonymität ermutigt werden und ehrlich antworten., Darin steckt eine Chance für die Reflexion.

Ausgestaltung

Platz für Freitexte schafft Raum für Offenheit. Zwar geben Freitext Antworten immer Einzelmeinungen wieder. Doch sind es oft genug genau diese Hinweise, die das offene Gespräch im Nachgang eröffnen.

Die Wahrung der Anonymität der Befragten ist wichtig. Mitarbeiter sollen darauf vertrauen können, dass ihre Antworten nicht ihrer Person zugeordnet werden. Und v.a. keine Sanktionen im Alltag in Bezug auf die offene Meinung befürchten. Dann werden sie mutiger und ehrlicher sein. Deshalb werden Gruppen erst dann gesondert ausgewertet, wenn eine Mindestzahl an Fragebögen eingegangen ist. Gerade die Freitexte sind hier immer kritisch, nicht mit bestimmten Personen verbunden zu werden.

Liegen aktuelle Benchmarks vor, so kann der Vergleich interessant sein. Dabei könnte es um Themen gehen wie z. B. Aufgaben, Dienstplanung, Personalentwicklung, Führungsverhalten, Zusammenarbeit im Team. Noch zielführender ist der Vergleich mit der eigenen Zielmarke der jeweiligen  Führungskraft. Das verändert die Erwartung und läuft weniger Gefahr, Benchmark werden zu wollen und die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse aufs Spiel zu setzen. Vergleiche mit anderen sind darum zwiespältig. Wiederholt man eine Befragung nach gewisser Zeit, so lässt sich eine Entwicklung ableiten. In Projekten ist etwa ein Vergleich zwischen Vorher und Nachher immer wieder nützlich, um sich Erreichtes vor Augen zu führen. Eine Befragung der Mitarbeiter ist somit ein partizipatives Tool gerade für einen Start in ein neues Projekt und hilft, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu prüfen.

Schriftliche Befragungen haben auch Risiken 

Befragungen wecken Erwartungen. Die Teilnehmenden zählen auf Transparenz und wollen die Ergebnisse rückgespiegelt bekommen. Ohne Selbstreflexionsvermögen und Bereitschaft zu Veränderungen von kritisierten Führungskräften wird jedoch die Situation noch schlimmer. Sowohl das Ignorieren der Ergebnisse führt zu Frust. Als auch verletzende Gegenreaktionen gegenüber dem Team im Affekt. Im Zweifel ist dann ein hierarchischer Machteingriff nötig und eine Konfliktmoderation um die Probleme produktiv zu machen.

In deutschen Kliniken herrscht noch keine Kultur, dass Vorgesetzte sich regelmäßigen Evaluationen unterziehen. Daher sollte man sich vor unbedachten schriftliche Befragungen hüten. Damit lässt sich erheblicher Schaden anrichten. Es muss ein Rahmen für eine Aufarbeitung der Feedbacks geplant werden. Sonst geht das wertvolle Potenzial der Befragung verloren. Hier kommt dem Initiator eine wichtige Rolle als Vertrauensperson zu. Diese Rolle darf nicht verspielt werden, indem die Ergebnisse mehr als “Herrschaftswissen” o. ä. missbraucht werden. Die Reife der Organisation siegelt sich darin, ob systematisch konstruktive Dialoge rund um die Ergebnisse entstehen.

Die Angst vor kritischem Feedback

Befragungen sind ein Aufwand für Kliniken. Nicht nur in der Befragung selbst, sondern im Begleiten des Prozesses vom Vorbereiten der Leitungen, vom Befragungsdesign bis zum Aufarbeiten der Ergebnisse. Wenn Ergebnisse von Befragungen „in der Schublade“ verschwinden, werden geweckte Erwartungen der Mitarbeiter enttäuscht. Das ist schlechter, als keine Befragung durchzuführen. Die Aufbereitung und Präsentation der Daten sollen Handlungen unterstützen. In moderierten Besprechungen sollen Aufgaben und Projekte gemeinsam fixiert und priorisiert werden. Keine Alibimaßnahmen.

Wird Feedback persönlich genommen, wird es heikel. Sind Führungskräfte emotional bewegt und haben keinen offenen Umgang mit Fehlern, besteht ein Risiko, dass Menschen in dem Prozess Repressalien erleiden und Schaden entsteht. Dann bedarf es des indirekten Dialogs in der Moderation, um die gegenseitigen Bedürfnisse zu hören und wieder auf die Sachebene zu finden. Führungskräfte, deren Verhalten evaluiert wird, benötigen eine Schutzzone. Mitarbeiter in disziplinarischer Abhängigkeit ebenso. Der konstruktiv Umgang mit Feedback wird bestenfalls im Einzelcoaching vorbereitet.

Vorgesetztenbeurteilung bedarf einer Prozessbegleitung 

Es gibt ja einen Anlass, weshalb eine Organisation flächendeckend eine Vorgesetzenbeurteilung anstößt. Doch dann muss sie den angestoßenen Prozess auch abbilden können, um von der Befragung real zu profitieren. Wir haben daher Respekt vor Gießkannen-Aktionen, wo unklar ist, ob die nötigen Ressourcen zur Begleitung auch vorhanden sind. Wir haben es mehrfach erlebt, dass wir einbezogen werden, den Prozess in Bereichen zu begleiten, nachdem eine Befragung stattgefunden hat. Zumindest im Nachgang wurde dann erkannt, wie wichtig es ist, Leitungen im individuellen Coaching bei der Reflexion ihrer Ergebnisse zu begleiten und damit diese auch als positive Impulse wahrgenommen werden können.

Ängste vor schlechten Ergebnissen existieren. Es tut weh, wenn Selbst- und Fremdbild auseinander fallen. Die erste natürliche Reaktion darauf ist Ablehnen, Verleugnen und Sündenböcke zu suchen. Die Unterstützung vor und nach der Befragung und gerade an diesem kritischen Punkt ist der Schlüssel wirksamer Befragungen. So gelingt es, dass die Befragung genutzt wird, anstatt in ihnen eine persönliche Anfeindung zu sehen oder sie schön zu reden. Es bedarf einer Reife mit offenem Feedback reflektiert umzugehen. Dabei darf man die Betroffenen nicht alleine lassen. U.U. eignen sich strukturierte Interviews in wertschätzender Haltung für komplexe Fragestellungen und schwierige Persönlichkeiten besser als anonyme schriftliche Befragungen.

 

 

[1] Ein Beitrag im British Medical Journal (BMJ) adressiert methodische Probleme, die bei den Messungen der Zufriedenheit durch systematischen Bias zu beachten sind:

  • Hohe Zufriedenheiten sprechen für erfüllte (ggf. niedrige) Erwartungen, nicht aber für eine hohe Qualität.
    Ggf. spielt Angst vor Unmut beim Äußern von Feedback eine Rolle und die Ergebnisse sind nicht valide.

  • Unzufriedenheit weißt auf Qualitäts- oder Vertrauensprobleme.

  • In der mittleren Zufriedenheit werden Unterschiede unterschätzt.

Vgl. Salisbury C, Wallace M, Montgomery AA (2010): Patients experience and satisfaction in primary care: secondary analysis using multilevel modelling. BMJ 2010, 341; Jeannie L (2010): Are measures of patient satisfaction hopelessly flawed? BMJ 2010, 341.

[2] Vgl. Zipfel, Christian (2008):Jour Fixe um 6. Mitarbeiterführung einmal anders. Wiley-VCH Verlag , Weinheim; Janssen, Bodo | Grün, Anselm (2017): Stark in stürmischen Zeiten, Ariston Verlag, München, Kapitel 18.


 

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