Inwieweit dient die Wünschepost als indirektes dialogisches Verfahren für Gruppen dazu, Konflikte zu klären? Wie funktioniert das Verfahren? Welche Spielregeln und Rollen sollten hier beachtet werden?
Kompetenz in Konfliktmoderation – Wünschepost
Die Zusammenarbeit mit anderen ist selten frei von Konflikten. V.a. in Kliniken, wo Wandel an der Tagesordnung ist und der Umgang mit z.T. schwer kranken Patienten psychisch belastet. Angesichts der knappen Ressourcen haben strukturbedingte Konflikte zwischen den Professionen Tradition. Konflikte belasten den Alltag und killen Motivation. Im schlimmsten Fall beeinflussen sie den Umgang mit den Patienten und deren Zufriedenheit mit der Klinik. Umso wichtiger ist es, die Energie der Konflikte konstruktiv zu nutzen.
Eigen-, Fremd- oder Stellvertreterkonflikt?
Beim Bearbeiten eines Konflikts ist zuerst die Konstellation zu analysieren. Haben Mitarbeiter miteinander Probleme, so ist die Führung für die Klärung des Fremd-Konflikts zuständig. Dies bedeutet nicht, dass sie das Problem selbst zu lösen oder die Lösung zu moderieren hat. Sie trägt jedoch Sorge dafür, dass der Konflikt bearbeitet wird. Willigen beide Betroffenen ein, den Konflikt miteinander lösen zu wollen, dann wird eine Moderation möglich. Ist die Führung persönlich in den Konflikt einbezogen, liegt ein Eigen-Konflikt vor. Dann bedarf es zumindest eines unbeteiligten Moderators oder Coaches- sofern die Führung die nötige Reflexion besitzt und es nicht um undiskutierbare Spielregeln der Hierarchie geht. Nur in einem hierarchiefreien Raum und wenn gemeinsame Entscheidungen nachhaltig getragen werden, wird aufrichtiges Interesse an Konflikt nachhaltig lösbar.
Nicht selten werden in hierarchischen Organisationen zudem Stellvertreter-Konflikte an der Basis auf persönlicher Ebene ausgetragen (statt dort, wo sie sachlich hingehören). Folge sind gespaltene Teams und Lager. Konflikte klären sich nie ohne aktives Zutun. Man sollte sie daher nie schwelen lassen. Eskalation im Konflikt erfolgt ja meist gerade dann, wenn es ungünstig ist. Sind in den Konflikt ganze Gruppen eingebunden, dann hat die Gruppendynamik besonderes Potenzial wie ein Brandbeschleuniger zu wirken. Es braucht daher systematische Lösungen, mit dieser Thematik in Organisationen umzugehen. Eine ist der indirekte Dialog zur Konfliktklärung, die wir gerne plastisch Wünschepost nennen. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das die Dialogfähigkeit zwischen den Parteien wieder herstellt und das Risiko gegenseitiger emotionaler Beschuldigungen und direkter Konfrontation senkt.
Wünschepost: der indirekte Dialog über die Moderation
Gruppenkonflikte werden in einer Sequenz von meist drei moderierten Sitzungen bearbeitet. Die Sitzungen werden mit allen Seiten– bei Bedarf unter moderierter Anleitung – vorbereitet. Die Zeit zwischen den einzelnen Sitzungen ist wichtig für den Prozess. Wenn der Konflikt sehr brodelt, hat es sich auch bewährt, das erste Treffen mit den Gruppen bereits vorzubereiten. Die Einhaltung des Formats der indirekten Kommunikation über die Moderation und der Spielregeln ist für den Erfolg des Verfahrens zentral.
1. Der Wunsch
Während der 1. gemeinsamen Sitzung formulieren die Parteien ihre Bedürfnisse und Anliegen an die jeweils andere Seite. Die Wünsche werden vorgestellt und im Kontext der Bedürfnisse erklärt. Die Vorstellung wird weder kommentiert noch bewertet. So arbeiten die Betroffenen mit der Methodik der 4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg, ohne dies explizit Beobachtung – Gefühl – Bedürfnis – Bitte zu nennen. Alle hören sich zu. Verständnisfragen werden über den Moderator adressiert. Dann gehen alle wieder auseinander und mit dem Gehörten zurück in ihre Gruppen. Dort folgt die Auseinandersetzung mit den an sie heran getragenen Anliegen.
2. Das Angebot – Geben
In einer 2. moderierten Sitzung formulieren die Gruppen nun Angebote an die andere Seite. Sie gehen darin auf die Wünsche und Bedürfnisse der anderen ein. So zeigen sie, diese ernst zu nehmen. Im Anschluss stellen sie vor, zu welchen Schritten sie bereit wären, um das vom anderen Verstandene mit den eigenen Anliegen bestmöglich zu verknüpfen. Auch bei der Formulierung der Angebote gilt: alle hören sich zu. Die Angebote werden weder kommentiert noch bewertet. Es wird vorerst auch nicht über die Angebote verhandelt, selbst wenn viele Angebote bereits annahmefähig wären. Mit den Angeboten gehen die Mitarbeiter nochmals zurück in ihre Gruppen. Die Angebote werden gewürdigt und reflektiert.
3. Das Annehmen – Nehmen
Der 3. Schritt bildet die Annahme der Angebote, die den Schulterschluss beider Seiten herbeiführt. Nun gilt es zu entscheiden, ob die offerierten Angebote die eigenen Anliegen befriedigen, und in den Dialog darüber zu gehen. Vereinbarungen werden fortlaufend fixiert, bis beide Seiten mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Nach dem Verfahren ist zu späterer Zeit ein Review möglich, in dem Wirksamkeit, Verbindlichkeit und Entwicklung verfolgt werden.
Spielregeln und Rollenprofessionalität
Entscheidend für das Gelingen der Wünschepost sind einige Faktoren, deren sich die Beteiligten bewusst sein sollten:
Die Führung als Vorbild
Mitarbeiter orientieren ihr Verhalten am Verhalten ihrer Vorgesetzten. Gerade in der Konfliktbearbeitung, bei denen Führungen am Konflikt beteiligt sind, ist es daher unerlässlich, dass die Führungsriege den Prozess geschlossen unterstützt und als Vorbild voranschreitet. Dazu gehört, sich durch respektvolle Kommunikation und unbelastetes Zuhören selbst zu beteiligen und keine Vertreter zu entsenden.
Die Kunst des Zuhörens
Aktives Zuhören bedeutet, für den anderen präsent zu sein, sich wertfrei in ihn einzufühlen und die Welt aus seinen Augen zu sehen. Damit dies gelingt, ist es wichtig, sich nicht von eigenen Assoziationen und Bewertungen ablenken zu lassen, sondern so präsent zuzuhören, als müsste man das Gesagte anschließend uneingefärbt wiederholen.
Die wertschätzende Kommunikation
In emotional aufgeladenen Konflikten kommunizieren Menschen oft problemorientiert, verallgemeinernd und in (passiv-) aggressiven Vorwürfen. Gerade dann wäre Wertschätzendes nötig, um eine weitere Verhärtung und Eskalation zu vermeiden. Das Verfahren der Wünschepost und stringente Moderation unterstützen dabei. Ich-Wahrnehmungen anstelle von vorwurfsvollen Du-Botschaften.
Die objektive Konfliktmoderation
Ziel von Konfliktklärung und -moderation ist, den Prozess und seine Spielregeln abzusichern, die eigene Konfliktlösungsfähigkeit der Betroffenen zu stärken und so auch implizit den Rahmen für ein künftiges konfliktarmes Miteinander zu stecken. Verletzungen auf emotionale Beziehungsebene würdigen und wenn nötig versöhnen (Restorative Circles) und darüber hinaus die Sachthemen verständig zu lenken (Harvard Modell). Zu bedenken ist hier: Oft überlagern sich bei Konflikten Problematiken in Strukturen, Prozessen und Kommunikation, und werden auf einer persönlichen Ebene ausgetragen, auf die sie nicht gehören (Stellvertreter Konflikt).