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Agiler Wandel im OP, OP-Projekt im Klinikum Nürnberg

von Okt 22, 2019Aus der Praxis

Referenz Ansprechpartner OP-Projekt: Daniel Herke, Standortmanagement Klinikum Nürnberg Nord, 2019

Ziel im OP-Projekt

Das Klinikum Nürnberg versorgt mit 5.600 Mitarbeitern und rund 2.180 Betten an zwei Standorten in Nürnbergs ca. 90.000 stationäre und 93.000 ambulante Patienten p.a. Wir wurden für einen Standort beauftragt, Handlungsbedarfe im ZOP mit seinen 14 Sälen zu analysieren und Quick Wins zu erarbeiten. Die Personalausfälle in der OP-Pflege hatten sich sukzessive immer weiter verstärkt, so dass zuletzt immer mehr OP-Säle nicht betrieben werden konnten und Leasingpersonal hinzugezogen werden musste. Auf Ebene des Klinikums hat das massive wirtschaftliche Konsequenzen.

Umsetzung

Wir starteten die Auftragsklärung im OP-Projekt mit der Standortleitung. Zentral war dabei eine zuvor durchgeführte Zufriedenheitsbefragung in der OP-Pflege. Sie dokumentierte einen Handlungsbedarf v.a. in der Entwicklung der Zusammenarbeit und der Kultur des Miteinanders der Professionen im OP, im OP-Projekt und in der Unterstützung durch Leitungsstrukturen.

Mit dem Betreiberteam und den beteiligten Chirurgen haben wir die Abläufe im Soll und Ist analysiert und mit zahlreichen Mitarbeiter auf Nutzer und Betreiberseite Einzel- und Gruppeninterviews geführt. Das Klinikum gilt als einer der frühen Vorreiter des OP-Managements. So wurden schon in der Vergangenheit viele Hebel in Bewegung gesetzt, was aus eigener Kraft zu stemmen ist. Nun schien ein anderes Vorgehen nötig, um die Situation grundlegend zu verändern.

Agiler Ansatz im OP-Projekt

Den Weg soll die Moderation von außen anstoßen. Wichtig war den OP-Betreibern, keine langen Analysen durchzuführen, sondern früh mit der Erprobung von neuen Ideen zu beginnen. Daten gab es zuhauf und auch die Probleme in den Prozessen, wie etwa in den Wechselzeiten, waren hinreichend aufgezeigt. Statt im Vorfeld alle nur möglichen Aspekte und Eventualitäten mit in die Lösung einzubeziehen, neue Ideen tot zu reden und zu warten bis alle Strukturen optimal sind, sollen alternative Ansätze mit den Beteiligten getestet werden. Wer Agilität will, muss sich hier von lähmenden Mustern und Gewohnheiten verabschieden können. Nur: in der schellen Erprobung neuer Ideen lag ein kultureller Stolpersein: Das Problem in einem Groß-OP ist, dass von vielen Seiten viele Interessen vorhanden sind, die in ihrer Gegensätzlichkeit der Feind jeder gemeinsamen Veränderung sind.

Über die Jahre haben sich Unarten eingeschliffen, dass OP-Nutzer autonom ihre Entscheidungen treffen und den ZOP vor vollendete Tatsachen stellen. Das schafft jede Menge Konflikte im OP und das ist es auch gerade nicht, was agile Veränderung meint. Weder die Nutzer noch die Betreiber des ZOP sollen überrumpelt werden und dazu braucht es transparente Strukturen. Gut ist: alle sind sich einig, dass Veränderung nötig ist, um die Zusammenarbeit zu stärken. Nur über den Weg sind sie sich nicht einig. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangsbasis wurde nach der Kurzanalyse der bestehenden Arbeits- und Leitungsstrukturen und der Erfassung der Spannungslage, die Prozesse und Zusammenarbeit im OP genauer unter die Lupe genommen.

Erster Engpass: Leitungsspanne

Als erster Engpass fiel die hohe Leitungsspanne in der OP-Pflege auf. Dadurch nahm sich die OP-Pflege zum einen ihre Hebel in die Saalteams hinein und zum anderen die nötigen Möglichkeiten der direkten Personalentwicklung. Aufgrund der hohen Ausfälle musste die OP-Pflege zudem nicht nur immer wieder aus dem Frei einspringen, sondern auch im Hinblick auf den Einsatz im OP-Saal flexibel sein. Eine unmittelbare Lösung wurde in der Einrichtung von Fachgruppen und Fachgruppenleitungen durch da OP-Projekt geschaffen.

Zweiter Engpass: Disziplinarische Eskalationspfade

Wo so viele Menschen gut getimt miteinander arbeiten sollen, kommt es auf gemeinsame Absprachen und Disziplin zur Einhaltung an. Auch hier hat das Klinikum bereits einiges an Regelkommunikation und Kommissionen geschaffen. Was in der vorhandenen Struktur noch systematisch fehlt, und damit ein zweiter zentraler Stolperstein ist, ist eine übergreifende Durchgriffsmacht mit verlässlichen Eskalationspfaden bei unsolidarischem Verhalten. Diese soll ohne Ansehen der Berufsgruppe und Person dort interventieren und bei Bedarf disziplinarisch eingreifen, wo gemeinsame Regeln missachtet und Fehlverhalten deutlich werden. Mit so weitreichenden Kompetenzen ist das OP-Management bislang nicht ausgestattet. Durch die Aufhängung in der Anästhesie fehlt die nötige allparteiliche Funktion.

Setzt sich das OP-Management etwa in der Tagesplanung für die Interessen der OP-Pflege ein, wird ihm das von den Operateuren, zu deren Lasten die Entscheidung der Saalschließung geht, als Missmanagement vorgeworfen.

Dritter Engpass: Agiles Mindset in einer Sicherheitskultur

Die Idee agiler Veränderung ist, mit 80% Ansätzen in die Umsetzung des OP-Projektes zu starten und in der Praxis stetig zu lernen und zu verbessern. Gerade für die Anästhesie in Kliniken mit ihrem (zurecht!) 100% Sicherheitsanspruch in der Patientenversorgung ist das eine Herausforderung. Die Furcht dabei, mit Sanktionen zu experimentieren, ist, dass sich die Stimmung und damit die Belastung im ZOP weiter verschlechtern könnte. Es geht als dritter Engpass also darum, das perioperative Team selbst auf motivationaler Ebene zu stärken und zu stabilisieren. Dazu bieten sich unterschiedliche Arten von „Trockenübungen“ mit motivierten Mitarbeitern an. Wie wäre es z.B. einen festen Familiensaal für Teilzeitkräfte zu implementieren? Auch das ist eine Grundlage agiler Veränderung – Pioniere des Wandels einzubinden. Statt zuerst alle Zweifler zu überzeugen und eine breite Basis für die Neuerung zu schaffen.

Begeisterbare Mitarbeiter in das Schaffen neuer Strukturen einzubinden, die Anteil an der Challenge nehmen und ein positive Feld für entstehende Lösung schaffen. Bei der Trockenübung werden die Abläufe zunächst gedanklich durchsimuliert. Dann gibt es Trainingstage, mit ständigen Kurzreflexionen im Saalteam: Was hat schon gut funktioniert? Was nicht? Was können wir besser machen? Jede Stimme ist gleichwertig von der Reinigung bis zum Hauptoperateuer. Das Team ist das gleiche und wird soweit möglich stabil im ganzen Zeitraum eingesetzt. So wird nicht nur an den Prozessen gefeilt, sondern auch das Miteinander neu erfahren. Durch die Iterationen von laufenden Feedbacks und Ergebnismessung entstehen schnelle Lernschleifen. Die Konzeption ist beweglich. Später kann die Pilotierung dann im Roll out in den Echtbetrieb adaptiert werden.

Ergebnis OP-Projekt

Im ZOP des Klinikums waren schon seit jeher verschiedene innovative Ansätze zur Weiterentwicklung initiiert worden. Die Analyse bestätigte, dass es mit Optimierung in gegebenen Strukturen zu keiner substanziellen Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die OP-Pflege kommen konnte. So war auch ein Teil der Mitarbeiter resigniert und glaubte nicht an die Chancen der Veränderung. Durch das fokussieren auf schnelle erste Lösungen zu den zentralen Engpässe im Problem, sind hier neue Perspektiven gefunden worden. Der Weg hat Kraft, die gedrückte Stimmung zu verbessern und Vertrauen in das Angehen von strukturell bedingten Konflikten im ZOP zu sähen.

In dem Moment, wenn die Veränderung in den Routinebetrieb geht, verändert sich der Blickwinkel. Hier herrschen ja die alten Muster weiter, d.h. das Lernen am und im Prozess hört nie auf.

Referenz

Projekt:  Agiler Wandel im OP, Klinikum Nürnberg
Ansprechpartner: Daniel Herke, Standortmanagement Klinikum Nürnberg Nord

Zeitraum: 2019

Erfahren Sie noch mehr zum OP Management im Klinikum Nürnberg:

Klinikum Zeitung (2016): Stippviste im OP-Management: Eine logistische Meisterleistung im OP


Wir berichten laufend über Referenzprojekte aus der Praxis

Jedes Quartal berichten wir von einem aktuellen Projekt. Wir sind stolz, dass unsere Referenzen hunderte Kliniken umfassen. Dass uns nämlich so viele Kliniken Jahr für Jahr ihr Vertrauen bei ihren offenen Fragen rund um den Wandel schenken. Quantität spricht für Erfahrung. Sie alleine sagt aber nichts über die Qualität in der Begleitung. Darum teilen wir positive Beispiele des Wandels. In einer Branche voller Umbruch ist die Freude und Begeisterung der Kunden unsere Motivation!

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