Kennen Sie Momo, die Heldin im Roman von Michael Ende? Sie besitzt eine wunderbare Fähigkeit: Momo hört so zu, dass man von ihr lernen kann, was aktiv zuhören wirklich meint…
Aber lesen Sie selbst das Zitat aus dem Roman von Michael Ende, in dem er das Einzigartige an Momo beschreibt: [1]
… so kam es, dass Momo sehr viel Besuch hatte. Man sah fast immer jemand bei ihr sitzen, der angelegentlich mit ihr redete. Und wer sie brauchte und nicht kommen konnte, schickte nach ihr, um sie zu holen. Und wer noch nicht gemerkt hatte, dass er sie brauchte, zu dem sagten die anderen: “Geh doch zu Momo!”
Aber warum? War Momo vielleicht so unglaublich klug, dass sie jedem Menschen einen guten Rat geben konnte? Fand sie immer die richtigen Worte, wenn jemand Trost brauchte? Konnte sie weise und gerechte Urteile fällen? Nein, das alles konnte Momo genauso wenig wie jedes andere Kind. Konnte Momo dann vielleicht etwas, das die Leute in gute Laune versetzte? Konnte sie zum Beispiel besonders schön singen? Oder konnte sie irgendein Instrument spielen? Oder konnte sie – weil sie doch in einer Art Zirkus wohnte – am Ende gar tanzen oder akrobatische Kunststücke vorführen? Nein, das war es auch nicht. Konnte sie vielleicht zaubern? Wusste sie irgendeinen geheimnisvollen Spruch, mit dem man alle Sorgen und Nöte vertreiben konnte? Konnte sie aus der Hand lesen oder sonst wie die Zukunft voraussagen? Nichts von alledem.
So konnte Momo zuhören
Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: Zuhören. Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, Zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich Zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte; nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie im ihm stecken.
Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst sei nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte. Dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören.
Aktiv Zuhören ist eine Kunst der Präsenz
Es gibt wohl keine stärkere Definition von dem, was aktiv Zuhören meint. Die kleine Momo ist vielleicht 7 oder 8 Jahre alt, in dem Alter also, in dem ein Kind ein Bewusstsein von Zeit entwickelt. Sie ist präsent. Mit ihrem ganzem Fokus im Moment und beim Gegenüber. Es ist diese Verlangsamung, das Heraustreten aus der Zeit, die den Weg für tiefe Wahrnehmung all dessen öffnet, was im Raum ist. Sowohl für den Zuhörer als auch für den Erzähler.
Wer wahrhaftigen Dialog will, der darf solch aktiv Zuhören lernen. Dem anderen eine Raum zu halten, stellt Verbindung von Mensch zu Mensch her. Und dann merken wir schnell: Wie wir mit uns und anderen kommunizieren, bestimmt die Qualität unseres Lebens. Oft sind dabei die ersten 3-4 Minuten einer Kommunikation entscheidend. Die unmittelbare Präsenz im kritischen ersten Moment. Wenn es uns so gelingt, in die Entspannung zu gehen und Verbindung aufzubauen, dann können wir fast gar nicht mehr in schlechter Stimmung miteinander sein.
Ein bisschen von Momo konnte sich Jeffrey Brown aneignen, als er auf den Straßen seiner Gemeinde in Boston lernte, wirklich zuzuhören… Und ein Hinweis auf eine ganz besondere Aktion des Vereins „momo hört zu e.V.“ um Michael Spitzenberger und Prof. Florian Nagler, der Technische Universität München ist der ZUHÖRRAUM in München seit April 2023. [2]
[1] Hier kommen Sie direkt zur Buchempfehlung von Michael Endes Roman “Momo”, der doch viel mehr als ein Kinderbuch, in seinem Kern ein modernes Zeitmanagement Märchen für Erwachsene ist.
[2 Weitere Informationen unter www.momohoertzu.de/zuhoerraum.