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Die Liste des Bären und der Hase: Über die Kraft der Bitte

von Jun 18, 2023Impulsgeschichten

Die Metapher von der Liste des Bären und dem Hasen [1] lehrt Mut. Mut, sich aus der eigenen Komfortzone heraus zu wagen, zu sich und zu seinen Gefühlen zu stehen und durch eine Bitte für seine Bedürfnisse einzutreten. Das führt uns aus Angst und Ohnmacht heraus…

Im Wald herrscht Aufregung. Es geht das Gerücht um, der Bär habe eine Liste, eine Todesliste. Alle fragen sich, was das wohl bedeutet und wer wohl auf dieser Liste stehe. Als erster nimmt der starke Hirsch allen Mut zusammen und geht zum Bären und fragt ihn: “Sag mal Bär, stehe ich denn auf deiner Liste?”. Der Bär schaut nach und antwortet dann: “Ja, dein Name steht auf der Liste.” Voller Angst dreht sich der Hirsch um und geht. Er bekommt fürchterlichen Bluthochdruck und nach zwei Tagen wird er tot im Wald gefunden.

Die Angst bei den Waldbewohnern steigt nun noch mehr und die Gedanken kreisen ständig um die Frage, wer noch auf der Liste stehe. Dem Wildschwein reißt schließlich der Geduldsfaden und es geht nun auch direkt zum Bären. Auf die Frage, ob es denn auch auf der Liste stehe, antwortet der Bär: „Ja, auch du stehst auf der Liste”. Voll Angst und Schock über die neue Gewissheit verlässt der Keiler den Bären. Und auch ihn findet man zwei Tage später tot im Wald.

Es bricht Panik bei den Waldbewohnern aus. Sie verkriechen und verschanzen sich oder flüchten gar aus dem geliebten Wald. Nur der ängstliche Hase [2] entscheidet sich nun noch dazu, den Bären aufzusuchen, schließlich waren sie von klein auf befreundet. Nachdem sie alte Anekdoten miteinander ausgetauscht haben, kommt der Hase auf den Anlass seines Besuches zu sprechen und fragt direkt: „Bär, ich mache mir solche Sorgen… Stehe ich auch auf der Liste?”. Der Bär schaut nach und antwortet wahrheitsgemäß: “Ja, du stehst auf der Liste.” Der Hase gibt sich nicht zufrieden, sondern äußert die Bitte: “Bär, kannst du mich dann bitte von der Liste streichen?” Für den Bären ist das kein Problem und so sagt er: “Na klar, ist schon gemacht.”

 

Unsere Gedanken schaffen unsere Realität.

Wie kommen wir dazu zu glauben, dass die Liste des Bären eine Todesliste ist? Andere können Gefühle bei uns triggern und auslösen. Doch sie sind nie dafür verantwortlich, was wir fühlen. Das machen wir selbst. Wir identifizieren uns mit unseren Gedanken und Gefühlen, statt uns darauf zu konzentrieren, was im Hier und Jetzt ist. Wenn uns nichts mehr einfällt, was wir tun können und wir uns ohnmächtig und ausgeliefert fühlen, dann bleibt uns als soziale Wesen immer noch eine Option, um aus unserer Opferhaltung zu treten: Sich mit anderen zu verbinden und sie offen um Hilfe zu bitten… Die Bitte erfordert Mut. Und die Bitte lehrt uns, wie wir für uns und unsere Bedürfnisse eintreten können, wenn wir vermeintlich ohne Macht sind.

 

[1] Nach Hans Heß (2012): Frag doch einfach!, Serie Erzählbar, Training aktuell 01/12, S. 18-19, managerSeminare.[2] Mahatma Gandhi (1869-1948), Indischer Menschenrechts- und Unabhängigkeitskämpfer – sein Name ist heute Synonym für gewaltlosen Widerstand gegen Diskriminierung in Südafrika und Indien – meint passend zum ängstlichen Hasen, der zum mutigen Hasen wurde: Es ist nicht der mutig, der keine Angst hat. Sondern der, der seine Angst überwindet…“