Zuhören, Zeit zum Nachdenken und Ausreden lassen, dem Anderen ermöglichen, seine Gedanken klar darzulegen. Es ist ein Werk der Geduld, dem anderen Zeit und Raum für seine Reflexion zu halten. Ganz beim anderen sein. Wie das Verbindung und Gemeinsamkeit schafft und weg vom Abwerten des Andersseins führt? Und wie es für das Leben und für seine Lehren öffnet – das zeigt Marks Geschichte vom Bazar…
Geduld und Achtsamkeit
Der bekannte US-Pferdeprofi und internationale Horseman Ausbilder Mark Rashid hat in jungen Jahren eine Lektion in Sachen Geduld und Achtsamkeit für den Moment von alten Indigenas erhalten. Die hat er in seinem Leben immer mehr verinnerlicht.
Mark war als junger Mann mit ein paar Freunden auf Reisen. Die Reise führt sie auch zum Four Corner Monument, wo die vier Staaten New Mexico, Arizona, Utah und Colorado zusammentreffen. Man kann sich dort obligatorisch mit einem Fuß in vier Staaten gleichzeitig stellen – und sich fotografieren lassen. Ca. 50 Meter von dem Punkt standen Buden mit schrägen Dächern und Tischen mit aufwändig handgearbeitetem Schmuck und Keramik. Hinter jedem Tisch saß ein Navajo und präsentierte seine Werke. Die Navajos sind der zweitgrößte Indianerstamm der USA. Sie leben dort zwischen ihren vier heiligen Bergen. Die Navajos waren von stiller Höflichkeit und beantworteten lächelnd Marks Fragen. Doch nicht besonders eilig. An Verkäufer gewöhnt, die ein Geschäft schnell abschließen wollen, war Mark davon irritiert.
Zuerst hielt er sie für faul. Die Antworten kamen für ihn so schmerzhaft langsam, dass er am liebsten eingesprungen wäre und die Antworten selbst gegeben hätte. Die Szenen wiederholten sich an allen Tischen in ähnlicher Art. Die Indianer beantworteten die Fragen langsam, klar und präzise. Und sie schienen kein Bedürfnis zu spüren, etwas zu verkaufen. Am letzten Tisch hatte der alte Besitzer zwei andere ältere Männer zu Besuch. Langsam ging Mark an dem Tisch vorbei und bewunderte die feine Silberarbeit. Der Navajo musste viel Zeit darauf verwendet haben… Dabei bekam Mark das Gespräch der drei Männer mit.
Die Lektion der Navajos
Die drei waren miteinander vertieft. Jeder wartete still, bis der andere nachgedacht, seine Gedanken in Worte gefasst und vollständig mitgeteilt hatte. Dann kam der Nächste an die Reihe. Keiner unterbrach je einen anderen. Keiner beendete einen Satz für den anderen. Sie ließen sich gegenseitig alle Zeit, den Gedanken zu Ende zu denken und zu teilen. Da verstand Mark mit einem Male, was er hier eben an den Ständen bei den Navajos erfahren hatte: Es war Geduld. Während er ihnen zuhörte, verlangsamte sich sein ganzes Leben ein wenig, als ob er innerlich ein Gang herunter geschaltet hätte. Der Mann hinter dem Tisch drehte sich gelassen um und nickte Mark respektvoll zu als Zeichen, ihn bemerkt zu haben. Mark nickte langsam und respektvoll zurück. Gerne wäre er länger geblieben und hätte den Männern weiter zugehört… So drehte er sich still um und ging zum Monument zurück, wo er seine Freunde traf.
Die Freunde waren schon mitten in einer Diskussion, wohin es als Nächstes gehen sollte. In dem Moment begriff Mark, wie weit sie sich selbst voraus waren. Immer so damit beschäftigt, was sie als Nächstes tun werden, dass sie nicht das Hier und Jetzt wahrnehmen. Mark bedauerte, wie viel Menschen so von unserer Reise und von unserem Leben verpassen. Wir verpassen in unserer Eile die besten Teile voneinander. Weil wir es uns gegenseitig nicht erlauben, in Ruhe einen Gedanken vollständig zu fassen oder einen Satz zu beenden. Was aber können wir über jemanden lernen, den wir nie ausreden lassen? Von da an machte Mark die Dinge in seinem Leben bewusst langsamer. Er versuchte andere nicht sofort zu unterbrechen. Und wenn er unterbrochen wurde, abzuwarten, bis der andere ausgesprochen hatte.
Die Kunst des Zuhörers
Die Geschichte am Kreuzpunkt der 4 Staaten ist ein Wegweiser zu Achtsamkeit und wahrhaftiger Kommunikation. Es kann beunruhigen, wie ungeduldig wir miteinander umgehen, ohne es auch nur zu bemerken. Wie wenig wir wirklich vom Standpunkt des Gegenübers zu hören bereit sind. Wie sehr wir uns hetzen, ohne dabei je bei uns selbst anzukommen. Wir verbarrikadieren uns hinter Abwertungen anderer, statt uns dem Leben mit seinen reichen Begegnungen zu öffnen.
Lesen Sie mehr über das Zuhören, so wie Momo sich darauf verstand…
[*] Mark Rashid (2003): Der von den Pferden lernt, ein Horseman, der zum Schüler seines Pferdes wird, S. 58-61.