Konflikte im Team bzw. versteckte Spiele zu verstehen und zu bearbeiten fordert. Wie kann das Dramadreieck dazu eine Hilfe sein?
Dramaspiele und Dramadreieck
Das von Stephan Karman (1968) in die Transaktionsanalyse eingeführte Dramadreieck liefert Impulse, um Konflikte und damit verbundenen Spiele in ihrer Dynamik zu verstehen und zu klären.[1] 1964 entwickelte der Arzt und Psychologe Eric Berne zuvor in seinem Werk „Spiele der Erwachsenen“ die Transaktionsanalyse. Diese wurde immer wieder erweitert, etwa um Innere Antreiber von Taibi Kahler et al. (1977). Transaktionen sind für Berne automatisierte Wechselspiele von Reiz und Reaktion. Es beinhaltet Informationen über Beziehungen der Individuen zueinander. Kommunikation ist ein Austausch innerer Zustände der Personen. Ein Spiel im Sinne der Transaktionsanalyse ist eine Abfolge von Kommunikation nach festen, verdeckten Mustern.
Gelingende Kommunikation besteht aus (komplementären, erwarteten) Transaktionen der Beteiligten. Werden die Erwartungen nicht erfüllt, kommt es zu Spannung. Unstimmig wird Kommunikation, wenn das Gesagte das Gemeinte verdeckt. Bei den verdeckten Botschaften beginnen die Spiele der Transaktionsanalyse, die dem Rollenspiel eines klassischen Dramas zu folgen scheinen. Ähnlich wie im Theater, in Märchen und Heldensagen beschreibt das Dramadreieck einen Ablauf, in dem die Akteure drei Rollen untereinander aufteilen. Sie wechseln dabei durchaus auch zwischen den Rollen. I.d.R. endet das Gespräch irgendwann ungut, im Drama. Die Rollen und das unbewusst ablaufende Spiel aufzudecken, sensibilisiert die Akteure und kann als Intervention Wege öffnen, aus dem Drama auszusteigen.
Die drei Rollen im Dramadreieck
- Der Ankläger kritisiert und klagt an. Oft abwertend, mit Vorwürfen und zurechtweisend.
- Der Retter eilt dem Opfer zu Hilfe. Leider oft ungefragt. Er übernimmt Verantwortung des Opfers. Wird ihm auf Dauer nicht gedankt, verwandelt er sich nicht selten in einen Ankläger („So was Undankbares.“) oder ein Opfer („Niemand sieht, was ich leiste.“).
- Das Opfer leidet und fügt sich, fühlt sich ohnmächtig und abhängig. So lädt es unbewusst den Retter ein zu helfen und triggert den Ankläger weiterzumachen.
Besonders in hierarchischen Strukturen wird das Dramadreieck rund um die drei Rollen gern inszeniert. Gerade in heilenden Berufen, denen das Helfer-Syndrom in die Wiege gelegt ist, finden sich immer wieder Retter, die das Dramaspiel über längere Zeit stabilisieren, statt es zu stören. Kommen Stress und Verausgabung hinzu, führt dies nicht selten dazu, dass der Retter entweder um sich schlägt (und zum Verfolger wird) oder in eine Opferhaltung fällt. Wer erst einmal in die Rollen verstrickt ist, kann oft nicht mehr austreten und mitfühlend kommunizieren. Statt dessen bestätigen sich die Akteure durch die weitere Interaktion ihre Sicht, Rolle und Bedeutung selbst. Die Verbindung der Akteure wird immer mehr verletzt und endet letztlich im Drama.
Ein klassisches Spiel im Dramadreieck
Im Drama des Berufsalltags treten als Akteure auf: Obere Leitungskraft (OL), direkte vorgesetzte Führungskraft (FK), Mitarbeiter (MA), z.B. in der Linie einer Klinik Chefarzt/in – Oberarzt/in – Assistenarzt/in. [2]
Akteur | gesagt | gedacht | Rolle |
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1. Prolog | |||
OL | Ich möchte kurz über Ihre Arbeitsleistung sprechen. Ihre FK bleibt am besten gleich hier. | Mir reicht es. Der MA braucht endlich mal ein Machtwort! | Ankläger läuft sich warm. |
MA | In Ordnung, worum geht es? | Oh je, jetzt kommt’s. | Opfer bereitet sich vor. |
FK | O.k., ich bleibe noch. | Wenn das mit den beiden mal gut geht. | Retter macht sich bereit. |
1. Akt |
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OL | Ich habe es Ihnen schon mehr als einmal gesagt. Aber sie erbringen noch immer nicht die geforderte Leistung. | Der MA sollte sich nach einem anderen Beruf umsehen. | Ankläger in Hochform. |
MA | Wie soll ich das alles denn schaffen? Mich unterstützt ja keiner. | Das ist so ungerecht. | Opfer in Hochform. |
FK | Ich bin ja auch noch da. | Ich kann den MA die nächsten Wochen stärker anleiten. | Der Retter ist da. |
2. Akt |
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OL | Mich fragt auch niemand, wie ich meine Vorgaben erfüllen soll. | Ohne selbstständig mitdenkende Leute kann ich hier nicht arbeiten. | Ankläger wechselt zum Opfer. |
MA | Sie arbeiten mich nicht richtig ein und dann soll ich Ihre Zahlen erfüllen. So geht das nicht. | Nicht mit mir. Dem zeig ich’s jetzt mal deutlich. | Opfer wechselt zum Ankläger. |
FK | Also bis jetzt haben wir das doch immer hinbekommen. Das werden wir auch jetzt schaffen. | Ich unterstütze den MA einfach noch mehr. | Retter rettet. |
3. Akt |
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OL | Wir können die Pläne für die Einarbeitung nochmal gemeinsam durchgehen und schauen, wo wir etwas verbessern können. | Dann helfe ich eben mit. | Opfer wechselt zum Retter. Aber nur kurz. |
MA | Welche Pläne denn? Die ist mit mir keiner durchgegangen. | War ja klar, dass bei meiner Einarbeitung was schief geht. Warum passiert das immer bei mir? | Ankläger wechselt wieder zum Opfer. Da fühlt er sich wohler. |
FK | Also, wenn Sie die Pläne nicht einmal gelesen haben, kann ich Ihnen auch nicht helfen. | Unverschämt. Ich hatte mit den Plänen so viel Arbeit. | Retter wechselt zum Ankläger. |
Schlussakt | |||
OL | Also jetzt reicht’s mir aber mit dem Kindergarten. Sie gehen jetzt mit dem MA die Pläne durch und wenn das bis Monatsende nicht besser wird, war’s das! | Der FK hat so eine Niete eingestellt! Das wird doch nichts. | Retter wechselt zurück zum Ankläger. Da lebt es sich besser. |
MA | Ich gebe doch schon mein Bestes. | Immer wird an mir rumgenörgelt. Ich sollte mir was anderes suchen, doch dann wird’s ja auch nicht besser. | Opfer richtet sich in der Opferrolle ein. |
FK | Wir klemmen uns nächste Woche zusammen richtig dahinter. | Eigentlich müsste ich mich noch viel mehr um die MA kümmern. | Der Retter ist wieder da. |
Damit bestätigt sich am Ende jeder seine bevorzugte Rolle im Dramadreieck selbst.
Konflikte lassen sich nachhaltig nur auf Augenhöhe wirklich lösen, wenn die Bedürfnisse der Akteure gesehen sind. Solange aber die drei in ihre Rollen und Machtspiele im Dramadreieck verstrickt bleiben, entsteht keine nachhaltige Lösung. Der nächste Dialog wird ähnlich verlaufen. Jeder ist in Rollen und Kommunikationsmustern gefangen. Wie wird – insb. über die Hierarchie – miteinander gesprochen? Bevor Konflikte eskalieren, ist ein Sensibilisieren der Konfliktpartner für das Dramaspiel hilfreich. Sich Gespräche, die Verstimmung ausgelöst haben, zu vergegenwärtigen hilft, um Rollen und Muster zu entschlüsseln und empathisch den Blick zu weiten:
- Wie fängt das an? Was passiert als nächstes? Und dann? Wie endet es?
- Wie fühle ich mich dabei? Was vermute ich, wie die andere Person sich dabei fühlt?
- Welche Botschaften bzw. unausgesprochenen Gedanken sende ich? Was kommt beim Gegenüber an? Welche Reaktion rufe ich hervor?
Reflexion und Bewusstwerdung sind Gamechanger: Welchen Ausstieg es aus den Rollen und Machtspielen gibt es? Wie gelingt der Sprung zurück in die offene Kommunikation und menschliche Verbindung? Zurück in die originäre Verantwortung jenseits des Dramas. Dazu gilt es zunächst zu würdigen, dass jede Rolle im Drama ein Lösungsversuch ist und insofern auch eine gute Qualität enthält. Diese gilt es, in eine bewusst konstruktive Handlung zu integrieren.
Raus aus den Rollen des Dramadreiecks
Vom Retter zum Helfer und Begleiter
Der Retter lässt sich triangulieren, macht das System von sich abhängig und stabilisiert damit den Konflikt. Statt durch Hilfe zur Selbsthilfe Helfer, Begleiter und Unterstützer zu sein. Er kann allparteilich zwischen Ankläger und Opfer moderieren und beiden auf Augenhöhe begegnen. Wenn er nicht ungefragt in die Presche springt und Verantwortung nicht an falscher Stelle übernimmt. Erst wenn man das Gegenüber – wie Jeffrey Brown – beginnt mit seinen ebenbürtigen Bedürfnissen wahrznehmen, öffnet sich ein neuer Weg von Vertrauen, Unabhängigkeit und Freiheit. Wichtig ist dazu die offene Frage: „Was kann ich jetzt für Sie tun?“, „Was erwarten Sie von mir?“ oder auch „Was brauche ich?“… Fragen helfen, um den Retter zu bremsen und unerbetene Hilfe zu vermeiden. Um so zu unterstützen, dass das Gegenüber in seine eigene Kraft findet und in seiner Selbstwirksamkeit gestärkt wird.
Vom Ankläger zum Rückmelder
Der Ankläger kann seine Energie nutzen, um konstruktiv Missstände anzusprechen. Aus der Sache heraus und ohne Abwerten des Gegenübers. Er kann sich in Empathie zu üben und die Position des anderen einzunehmen. Sein Talent zur Reflexion kann er nutzen und sich fragen: „Was lässt sich konkret ändern und wie kann ich dabei in der Verbindung miteinander bleiben?“.
Vom Opfer zum Bittenden
Auch das Opfer kann aus seiner Rolle heraus gehen. Sich seine Erfolge, Stärken und Möglichkeiten vergegenwärtigen und formulieren, was es braucht. So tritt der Mensch für sich selbst ein und wird aktiv. Diese Aktivität stärkt den Zugang zur eigenen Kraft und behält die Verantwortung bei sich. Wer eine offene Bitte stellt, kommt aus seiner Ohnmacht heraus. Und so schließt sich der Kreis: Der frühere Retter kann unterstützen, das erkannte Bedürfnis dahinter und die Lösungsstrategie in der Bitte zu feiern.
Kultur des Respekts
Wohin Konflikte führen, die nicht produktiv mit Kompetenz zur Konfliktmoderation aufgelöst werden, führt uns das Schema von Glasl zur Konflikteskalation nur allzu klar vor Augen. Nichtstun und bei nächster Gelegenheit weiter dem Abgrund entgegen zu gehen, ist keine Lösung.[3] Ist das Drama-Spie erst einmal erkannt, benannt und reflektiert, dann können alle zu einer konstruktiven Kommunikation beitragen:
- Eine für die Rolle unerwartete Antwort geben und damit aus ihr aussteigen.
- Wahrnehmungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten offen äußern.
- Metakommunikation: die Dynamik des Spiels thematisieren.
Innere Antreiber übernehmen das Steuer. Dramen sind häufig dazu gut, Aufmerksamkeit und Beachtung zu provozieren. Eine Kultur des unbedingten Respekts füreinander schafft neue Optionen.
[1] Vgl. Karpman, Stephen (1968): Fairy tales and script drama analysis. In: Transactional Analysis Bulletin 7 (26), S. 39-43.
[2] In Anlehnung an Ute & Heinrich Hagehülsmann: Der Mensch im Spannungsfeld seiner Organisation. Transaktionsanalyse in Managementtraining, Coaching, Team- und Personalentwicklung, Jungfermannsche Verlagsbuchhandlung, 3. Aufl. 2007. S. 166 ff. Zur TA im Führungsalltag vgl. auch Sejkora, Klaus | Schulze, Henning (2016): Die Kunst der starken Führung. Persönliche Potenziale kraftvoll nutzen. Ressourcen der Mitarbeiter stärken.
[3] Zur Konfliktklärung vgl. auch Thomann, Christoph | Prior, Christian (4. Auflage 2007): Klärungshelfer 3. Das Praxisbuch. Rowohlt; Shapiro, Daniel (2018): Verhandeln – Die neue Erfolgsmethode aus Harvard.
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