Wie prägen Innere Antreiber die eigene Wahrnehmung der Realität und unsere Orientierung in der Welt? Die Transaktionsanalyse kennt mit den 5 inneren Antreibern nach Tabi Kahler die üblichen konditionierten Glaubenssätze. Sollte man ihnen auf die Schliche kommen und sich von ihnen frei machen? Wie lassen sich aktiv durch Erlaubersätze in einer gesunden Balance halten?
Was sind innere Antreiber?
Sei stark! Sei perfekt! Mache es allen recht! Beeile dich! Strenge Dich an!
Wenn Sie über Ihre Inneren Kritiker bzw. Inneren Antreiber reflektieren, wird Ihnen wohl einer oder mehrere davon bekannt vorkommen. Jeder Mensch hat solche oder ähnliche inneren Antreiber. Das besagt in der Transaktionsanalyse nach Eric Berne das Modell der Inneren Antreiber von Taibi Kahler aus 1977 [1], erweitert von Reinhard Köster, Bernd Schmid, Joachim Hipp et. al.[2]
Innere Antreiber sind oft unbewusste Muster im Denken und in der Kommunikation, die die eigene Wahrnehmung von Realität prägen. Sie sind zu tief verwurzelten, nicht hinterfragten Glaubenssätzen geworden. So bestimmen sie unsere Landkarte, mit der wir uns in einer komplexen Welt orientieren. Entstanden sind die Muster v.a. in der frühen Kindheit. Da konnten sie sich ungefiltert im Unterbewusstsein verankern: Menschen entwickeln sich in Beziehung mit anderen Menschen. Am stärksten ist die Abhängigkeit gerade in der frühen Kindheit. Denn da sind Menschen angewiesen auf die Liebe und Zuwendung der Bezugsperson. Sie erfahren Liebe auf der einen und Zurückweisung auf der anderen Seite. Kinder bilden, um Zurückweisung zu vermeiden, unbewusste Muster im Verhalten aus.
Diese verfestigen und verankern sich im Laufe der Zeit und werden individuell zu nicht hinterfragten Normen. Sie prägen den Menschen in seiner Wahrnehmung und in seinem Denken, Fühlen und Verhalten bis ins hohe Alter. Irgendwann braucht es die Bezugsperson gar nicht mehr, die uns (bewusst oder unbewusst) vermittelt, wie wir sein sollen. Längst hat der innere Kritiker 24/7 präsent diese Rolle übernommen. Sofern der Mensch diesen Mustern nicht durch Reflexion und Austausch mit anderen auf die Schliche kommt, geht er oft davon aus, dass andere Menschen die Welt genauso wahrnehmen.
Innere Antreiber und ihre zwei Seiten
Innere Antreiber sind nicht per se zu verteufeln. Im Grunde haben sie ja eine positive Qualität. Schließlich sind sie unsere frühesten Erfolgsfaktoren und haben uns Anerkennung unseres Umfeldes gesichert. Situativ, im richtigen Kontext eingesetzt, stellen sie eine Quelle vieler Stärken in einer Leistungsgesellschaft dar. Zum Problem werden sie, wenn wir keine Alternativen ausbilden und sich der Mechanismus absolutistisch als Allzweckmittel unabhängig vom Kontext automatisiert. Dann können sie als affektive Reaktionen auf bestimmte Reize/ Trigger destruktiv werden.
Beispiele für die zwei Seiten der 5 innere Antreiber
So beschreiben die folgenden Aussagen Innere Antreiber mit ihren charakteristischen Glaubenssätzen, ihren Sonnen- und Schattenseiten.
Satz | Charakteristische Glaubenssätze |
Stärke | Negative Übertreibung |
Sei Stark! |
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Sei perfekt! |
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Beeile dich! |
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Mache es
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Strenge dich an! |
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Hinweis: Ergänzend zu diesen fünf Antreibern nimmt etwa Schmale-Riedel „Sei vorsichtig/ kritisch!“ als 6. Antreiber hinzu.
Konflikte durch Glaubenssätze
Kennen Führungen die eigenen Inneren Antreiber und die ihrer Mitarbeiter, können sie damit effektiv umgehen. Gerade unter Druck ist die Reflexion der Inneren Antreiber hilfreich. So können Überforderungen und die Kollision innerer Antreiber vermieden werden. Wo aber tief verankerte Werte aufeinander prallen, entstehen Reibung und Konflikte, die zu einer Entladung führen und einen Schaden auf Dauer anrichten können.
Nehmen Sie z.B. an: Eine Führung ist primär durch „Sei perfekt!“ getrieben. Für sie ist fehlerfreies Arbeiten wesentlich. Der Mitarbeitende hat einen „Beeil Dich“ Antreiber. In seiner Welt ist Schnelligkeit die entscheidende Qualität. Wenn beide in stressigen Zeiten besonders deutlich ihrem primären Muster folgen, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Zum einen kommt die Führung schwer mit den aus der Eile heraus geborenen Fehlern zurecht. Zum anderen gerät der Mitarbeiter in die Überforderung, da er zugleich schnell sein will und korrekt sein soll.
Mitarbeiter mit einem „Mach’s allen recht“ Antreibern z.B. vermeiden Konflikte. Vielmehr suchen sie ständig nach Lösungen, die allen passen. Auch dies endet in der Überforderung oder der Frust löst sich in einer Explosion. Weil offenbare Lösungen nicht verfügbar sind.
Selbst- und Fremdeinschätzung – Innere Antreiber reflektieren
Der Blick für die Inneren Antreiber ist also wichtig. Wo liegen meine Themen, um mich vor Überforderung zu schützen? Ein Selbsttest hilft, den eigenen Inneren Antreibern auf die Spur zu kommen. Dann können auch im Team gemeinsam Strategien erarbeitet werden, um den Stress- und Konfliktfallen besser aus dem Weg zu geben. Dafür, um die Signale für den destruktiven Anteil der Inneren Antreiber rechtzeitig zu erkennen und sie zu bremsen, hilft der offene Austausch im Team. So werden potenzielle Konflikte bereits im Vorfeld entschärft. Denn das wechselseitige Verständnis schafft eine Basis für die gelingende Zusammenarbeit bei aller Diversität.
Mit einer einfachen Reflexion können Sie Innere Antreiber anderer Menschen gut erkennen. Erstellen Sie dazu eine Tabelle Ihrer Mitarbeiter und füllen Sie sie mit Ihren Beobachtungen:
- Charakterisieren Sie kurz die einzelnen Persönlichkeiten im entspannten Setting.
- Achten Sie auf deren (Re-) Agieren in schwierigen Situationen. Dabei gilt: Wo Menschen am meisten überfordert sind, zeigen sich die Inneren Antreiber am deutlichsten. Welchen Hauptantreiber vermuten Sie? Achten Sie auf wiederkehrende Aussagen unter Stress. So kann dies z.B. bei einem „Beeil Dich!“ Antreiber die gehäufte Aussagen sein: „Ich komme einfach nicht mit der Zeit zurecht“.
- Was bedeuten die vermuteten Inneren Antreiber für das Potential des Mitarbeiters?
- Welche Unterstützung benötigt der Mitarbeiter, um seinen Inneren Antreiber konstruktiv zu nutzen? Wie und wo kann ich sie ihm geben?
Gleichen Sie Ihre Überlegungen im coachenden Gespräch mit dem Mitarbeiter ab. Sie erweitern so die eigenen Perspektiven ebenso wie die des anderen.
Anregungen zur Selbstintervention: Innere Erlauber nähren
Wer seinem eigenen Inneren Antreiber auf die Schliche gekommen ist, kann sich aktiv von ihnen frei machen. Dazu können etwa folgende (Selbst-) Interventionen durch Erlaubersätze hilfreich sein: [3]
Satz | Interventionen: Innere Erlauber |
---|---|
Sei stark! |
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Sei perfekt! |
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Beeile Dich! |
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Mache es allen recht! |
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Strenge Dich an! |
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Das Verständnis für Innere Antreiber macht es möglich mit Erlaubersätzen als Gegenstrategien zu intervenieren. Ziel ist es, selbst unter Stress in Distanz zu seinen Inneren Antreibern treten zu können und den inneren Erlaubern Raum zu geben. Also nicht mehr affektiv zu reagieren. Sondern die getriggerten Muster in der Kommunikation und im Verhalten zu entlarven und zu unterbrechen.
Innere Antreiber und innere Ich Zustände
Erfolgsstrategien der Vergangenheit setzen sich gerne als Innere Antreiber in uns fest. Denn Anerkennung ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Erst wenn wir uns bewusst werden, welche Stimmen bzw. Anteile in uns aktiv werden, können wir entschieden von ihnen distanzieren. Eric Berne nannte das, den Ich Zuständen in uns auf die Schliche zu kommen:
- Jeder, egal welchen Alters, trägt seine Eltern/ Bezugspersonen in sich: sein Eltern Ich.
- Ebenso bewahrt er das Kind, das er war, in sich, das seines Schutzes bedarf: sein Kind Ich.
- Es bedarf einer Instanz, die wahrnimmt, was das innere Kind zu einer gesunden Entwicklung braucht und die das Eltern Ich in gesunde Schranken weist: sein gesundes reifes Erwachsenen Ich.
Diesen Ich Zustände in der Persönlichkeit aus der Transaktionsanalyse widmen wir einen eigenen Beitrag. Dem methodische Vorgehen bei der Glaubenssatzarbeit im Coaching widmen wir uns in einer Buchbesprechung.
[1] Vgl. Kahler, Taibi (1977): Das Miniskript. In: Barnes, G. et al: Transaktionsanalyse seit Eric Berne, Bd. 2, S. 91-132.
[2] Vgl. Hay, J. (1996): Transactional Analysis for Trainers. Watford: Sherwood Publishing; K. Sejkora, K. | Schulze, H. (2016): Die Kunst der starken Führung.
[3] Vgl. Schneider, J. (2013): Burnout vorbeugen und heilen; Levine, Peter A. (2011): Sprache ohne Worte: Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt.