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Lerneinheit Motivation – Von Maslow Bedürfnispyramide bis Transcender

von Apr 11, 2014Blogs

Wie können universell gültige Bedürfnisse von Maslow als Vitalkräfte und Motivatoren Handlungen des Menschen treiben? Was besagt die Maslow’sche Bedürfnispyramide und was hat es mit der Reifestufe des Maslow’sche Transcenders auf sich? 

 

Die Schönheit der Bedürfnisse

Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), war es, der – erfüllte und unerfüllte – Bedürfnisse als Vitalkräfte und zentrale Motivatioren positiv konnonierte. Im Modell der GFK sind sie Handlungsmotoren und Wurzel aller – angenehmen und unangenehmen – Gefühle.[1] Damit führt er Gedanken seines Lehrers Carl Rogers fort. Unangenehme Gefühle tendiert der Mensch von sich wegzuschieben, von angenehmen Gefühlen bekommt er nicht genug.

 

Maslow Bedürfnispyramide

Abraham Harold Maslow (1908-1970) gilt als einer der Gründer der Humanistischen Psychologie. Bekannt wurde er v.a. für die Maslow Bedürfnispyramide. Als er sein Motivationsmodell Mitte des vergangenen Jahrhunderts vorstellte, war er es, der eine neue, positive Sicht auf menschliche Sehnsüchte öffnete. Auf die Motive, den Antrieb, die Beweggründe menschlichen Verhaltens. Seine These war: Indem der Mensch sich Bedürfnisse erfüllt, erreicht er Reife, Gesundheit und Selbsterfüllung. Maslow fomulierte eine Übersicht über menschliche Bedürfnisse, die er in zwei Arten und am Ende in sechs Kategorien von universellen, alle Menschen betreffende Bedürfnisse clusterte.[2]

4 niedrigere (Defizit/ Mangel-) Bedürfniskategorien

  • Existenzielle physiologische Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen, Schmerzfreiheit, Atmen, Ruhe, Bewegung, Ausscheidung, Sexualität.
  • Existenzielle physische Sicherheit wie finanzielle Absicherung, mentale Geborgenheit, Arbeitsplatzsicherheit, Geborgenheit, Freiheit von Angst und Gefahren, Stabilität, Struktur, Ordnung und Gesetz.
  • Soziale Bedürfnisse wie sozialer Anschluss, emotionale Verbundenheit, Liebe, Zuneigung, Freundschaft, Zugehörigkeit, Arbeiten, Kommunizieren.
  • Soziale Anerkennung etwa durch Wertschätzung, Respekt, Achtung, Kompetenz.

2 höhere (Wachstums-/ Unstillbare) Bedürfniskategorien

  • Selbstverwirklichung etwa durch Lernen und Wachsen, Wissen, Erfahrung, Ästhetik, Schönheit und Ordnung.
  • Transzendenz etwa durch Sinnfindung im Leben und Religiosität.

Dass es Maslow mit seiner Kategorisierung in der Bedürfnispyramide gelungen ist, wesentliche universell gültige – also überkulturell identische – menschliche Grundbedürfnisse auf den Punkt zu bringen, wird bis heute nicht bestritten. Auch wenn neuere Modelle – etwa von Max-Neef (1932-2019)  mit seinen neun universellen Grundbedürfnissen Lebenserhaltung, Schutz, Zuneigung, Verständigung, Beteiligung, Spiel/ Muße, kreatives Schaffen, Identität, Freiheit [3] oder Richard Erskine mit 8 Beziehungsbedürfnissen oder Steven Reiss mit seinen 16 Lebensmotiven – Varianten anbieten. Die Universalität der Grundbedürfnisse ermöglicht im Kern die Fähigkeit zur Empathie und damit das Wachsen der Menschen aneinander.

Dass Menschen sich in den sechs Stufen chronologisch ihre Bedürfnisse befriedigen, wird jedoch heute in der Psychologie abgelehnt. Die hierarchische Ordnung der Bedürfniskategorien wurde zur Hauptkritik an der Bedürfnispyramide, die allenfalls für westlich-industrialisiertes Denken mit seinem ausgeprägten Individualismus nach dem 2. Weltkrieg akzeptiert wurde, aber auch dort für die jüngeren Generationen abgelehnt wird. Nichts desto trotz liefert die Bedürfnispyramide ein nützliches Erklärungsmodell.

Maslow Transcender

Die existenziellen und sozialen Stufen fasst Maslow unter dem Begriff “Defizitmotive” zusammen. Ist der Mangel im jeweiligen Bedürfnis behoben, hat man keine weitere Motivation in dieser Richtung. Wenn der Hunger gestillt ist, muss man bspw. nicht noch mehr essen, um zufriedener zu werden. Im Gegensatz dazu repräsentieren die Bedürfnisse an der Spitze der Hierarchie Wachstumsmotive, die nie endgültig befriedigt werden können. Das dauerhafte Nähren der Bedürfnisse dient der Lebenszufriedenheit. In seinen letzten Lebensjahren erst ergänzte er seine eigentlich fünfstufige Bedürfnispyramide um die 6. Stufe: um das Bedürfnis nach Transzendenz. Das Transcender Konzept wurde nämlich erst posthum nach dem Tod von Maslow veröffentlicht.

Als Transcender bezeichnet Maslow in den späten Schriften den reifen, kreativen Menschen, der seine Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster und Konditionierungen hinter sich gelassen hat. Etwas in uns treibt unser Verhalten. Wenn es nicht der Verstand und das Gefühl ist, das uns antreibt, dann innere Spannungen die auf andere lebendige Bedürfnisse hinweisen. Dabei zwischen kreativen Handlungsimpulsen in der Gegenwart und unbewussten Mustern aus der Vergangenheit zu unterscheiden, ist nicht so einfach. Transcender zeichnen sich dadurch aus, dass sie bei sich selbst angekommen sind und ein Bewusstsein für Sozialisierungen bzw. eingefahrene, anerzogene Denkstrukturen gewonnen haben. Ihre Wahrnehmung ist durch Präsenz in der Gegenwart geprägt. Der Mechanismus von Brillen und Landkarten alter Erfahrungen bzw. und Gewohnheiten werden als das gesehen, was sie sind: Wahrnehmungsfilter. In ihrer Wahrnehmung und im Verhalten sind sie offen und spontan, ohne zu bewerten. Dadurch vertiefen sich ihre Beziehungen. Ihr höheres Selbst und ihre schöpferische Kraft können sich im Augenblick entfalten. Sie sind von einer tiefem Akzeptanz geprägt, wodurch sie sich selbst und anderen erlauben, ihren eigenen Weg zu gehen.

Der persönliche Weg ist durch die persönlichen Motivatoren geprägt, durch das, was die Person im Inneren im Hier und Jetzt antreibt. Sie sind der rote Faden, der den Menschen durch sein Leben begleitet. Da mutet es fast paradox an, dass Menschen dazu an einen Punkt im Leben kommen, an dem sich die Umstände ändern und Menschen ausgerechnet über ihre bisherigen Erfolgsmuster stolpern. Wie z.B.

  • Bestmöglich die Ziele und Erwartungen anderer erfüllen.
  • Eine ausgeprägte Leistungsorientierung an den Tag legen.
  • Ein Netzwerk aus vielfältigen Kontakten pflegen.

Was ist daran so fatal? Gerade der bisherige Erfolg verhindert die Überwindung von Denk-, Fühl- und Verhaltensmustern und damit die persönliche Weiterentwicklung. Was Menschen bislang Erfolg beschert hat, trägt aber – oft in der zweiten Lebenshälfte – nicht mehr. Es führt zu Überforderung oder demotiviert. Die Freude im Tun verliert sich, Menschen landen in einer persönlichen Sinnkrise. Sie benötigen neue Muster, um aus ihr gestärkt herauszugehen. Um zu Motivation und Freude im Tun zurück zu finden, ist „Transzendieren“ notwendig, das Überwinden eigener Grenzen und Loslassen von bisherigen Erfolgsmustern. Das berührt den Kern der Persönlichkeit. Einfach ist es also nicht. Umso wichtiger ist es, die Frage des „Wozu“ für sich präsent zu haben, um ergänzende Gegenwerte entwickeln und stärken zu können. In der Krise können in den o.g. Punkten z.B. folgende Entscheidungen fallen:

Muster Problem Lösung Ergänzung
Bestmöglich die Ziele und Erwartungen anderer erfüllen. Unserer Feedback- und Anpassungsbereitschaft können wir immer weniger gerecht werden. Eigene Identität und Linie entwickeln. Nur so lässt sich Erfolg empfinden. Nein zu Zielen anderer sagen.
Ausgeprägte Leistungsorientierung. Trotz hoher Leistung wird uns nur begrenzt Anerkennung zuteil. Um Flow zu erleben, braucht es gesundes Selbstwertgefühl und Zugehörigkeit. Den eigenen Beitrag zum Ganzen würdigen.
Netzwerk aus vielfältigen Kontakten pflegen. Alle finden uns nett. Doch der oberflächliche Kontakt, der keine Energie für uns aufbringt, enttäuscht uns. Kraft auf Menschen konzentrieren, bei denen sich Geben und Nehmen die Waage halten. Entscheiden, wem wir gezielt Zeit widmen.

 

In der Krise verlieren wir die Verbindung zur Freude des Tuns. Zugehörigkeit stellt sich in Frage. Wer steht hinter mir? Erlebe ich eine Gemeinschaft, die mich trägt? In Zeiten, in den alte Erfolgsmuster nicht mehr passen und sich neue noch nicht ausgebildet haben, hilft es, die ureigenen Motivatoren und Demotivatoren zu kennen, um im Einklang mit sich selbst neue Orientierung und Lebensfreude zu finden. Sich selbst treu zu sein und den persönlichen roten Faden in der Weiterentwicklung zu behalten. Wenn wir unser inneres Anliegen kennen, laufen wir weniger Gefahr, dabei die eigene narzistische Seite zu überhöhen. Der lebendige innere Antrieb geht über das eigene Ego hinaus, transzendiert und ermöglicht, Demut und eine altruistische Haltung zu bewahren. Neues zu schaffen. Punkte neu zu verbinden.

Ob unsere Stelle mir einen an unseren Stärken und Bedürfnissen orientierten neuen Raum zugesteht statt den Mitarbeiter in standardisierte Profile und Stellenbeschreibungen zu pressen? Ob uns Verantwortung für Themen übergeben wird, in denen gerade Motivatoren lebendig sind? [4] Je mehr Freiheit Unternehmen hier lassen, um persönliche Kreativität des Einzelnen zu entfalten, desto mehr Führung braucht sie – wie beim Dirigieren eines Orchesters – auf motivationaler, emotionaler Ebene, um die Beiträge der Einzelnen zu einem Gesamtkunstwerk im Team zusammenzuführen. Wann immer dies gelingt, ist das Motivation pur für die Einzelnen, Glück und Flow.

 

[1] Die unmittelbare Verknüpfung von Gefühlen und Bedürfnissen hat Rosenberg im Studium bei Carl Rogers entwickelt. Sich gute Gefühle vorzustellen ist für das Gehirn vom Erleben nicht zu unterscheiden. Fragen Sie sich einfach öfters  „Wie gut würde ich mich fühlen, wenn…?”!

[2] Vgl. Abraham H. Maslow (1954): Motivation and Personality; Abraham H. Maslow/ Henry Geiger/ Bretha G. Maslow (1972): The Farther Reaches of Human Nature, Arkana, New York, Viking Press, New York

[3] Vgl. Max-Neef, Manfred A. (1991): Human Scale Development – Conception, Application And Further Reflections, The Apex Press.

[4] Vgl. Fritzsche, Thomas (2016): Wer hat den Ball? Mitarbeiter einfach führen, Verlag Herder, Freiburg, Basel, Wien.


 

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