Referenz Ansprechpartner: Prof. Dr. Nikolaus Marx, Direktor Medizinischen Klinik I, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin, 2009-2015
Ziel Neustrukturierung
Die Medizinische Klinik I der Uniklinik Aachen zählt zu den größten universitären Kardiologien auf nationaler und internationaler Ebene. Auf Initiative des neuen Klinikdirektors wurden wir 2009 beauftragt, ein Organisationskonzept mit einer von Beginn an berufsübergreifenden Zusammenarbeit zu entwickeln und seine Umsetzung zu begleiten. Fokus der Neustrukturierung lag auf den Abläufen und der Kommunikation, sowie auf der Zusammenarbeit mit vor- und nachgelagerten Behandlern.
Umsetzung Neustrukturierung
Die kardiologische Klinik besteht aus mehreren zentralen Standbeinen, welche parallel neu gestaltet wurden. Dies stellte sicher, dass nicht nur einzelne Bereiche, sondern v.a. auch ihre Schnittstellen von Beginn an stabil funktionierten:
- Normalstationen mit Telemetrie und Kurzliegereinheit
- Intensivabteilung, Intermediate Care IMC, Chest Pain Unit CPU
- Zentrales Bettenmanagement
- Herzkatheterlabor
- Vor- und nachgelagerte Bereiche inkl. Funktionsdiagnostik, Poliklinik und Privatambulanz
Der Erfolg der Reorganisation begründete sich aus dem ganzheitlichen Ansatz. Das Bild des Chefarztes dafür war: „Wir spannen ein Zelt“. Er unterstützt die Mitarbeiter darin, von Beginn an die Zusammenhänge zwischen den Teilprojekten zu verstehen. Übertragen auf die Metapher, sollen diese Bereiche – gleich den Stangen eines Zeltes – neu aufgerichtet werden, damit das Zelt am Ende stabil steht.
Strategische Konzeption & Umsetzung
In der Phase der Umsetzung nach der Ist Analyse und dem Erstellen des Soll Konzepts sind frühe Erfolge wichtig, um die Motivation zu steigern, um kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln zu nehmen und um Kraft für den Change zu sammeln. Eine enge externe Begleitung in den ersten drei Monaten und die damit gelebte Anerkennung für die Akteure trug hier viel zum Erfolg bei. Nach Freigabe der Konzepte fand eine umfassende Information der Mitarbeiter in der Klinik statt. Wichtig war, dass dann zügig mit dem Umsetzen begonnen wird, damit die Betroffene sehen, dass es voran geht. Dass nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird. Anhand von Kennzahlen wird der Erfolg in der Umsetzung gemessen, in wöchentlichen Feedbacks evaluiert und weitere Maßnahmen abgeleitet.
Nicht nur die Prozesse sollten bei der Reorganisation im Fokus stehen, sondern auch die strategische Ausrichtung der Klinik. Mit seinen Oberärzten hat der Chefarzt die Vision und Werte der Abteilung festgeschrieben und die Schwerpunkte der Medizin geclustert. Zudem wurden die Verantwortungen unter den Oberärzten verteilt und im Organigramm klar hinterlegt. Die enge Einbindung der Oberärzte in den Strategieprozess fördert die Akzeptanz. Übergabe und Übernahme von Verantwortung sorgen für eine klare Aufbaustruktur und Prozessorganisation, wie sie in ihrer Verbindlichkeit kaum in einer anderen Klinik zu erleben ist. So wurden die Verantwortungen im Bereich Personal, Produkte und Ressorts abgebildet:
- Personal: beinhaltet ein Konzept der Personalentwicklung für den ärztlichen Dienst, das u. a. ein Mentorensystem und das Curriculum zur Rotationsplanung enthält. Assistenzärzten wird so eine klare Perspektive und Führung geboten.
- Produkte:medizinisches Leistungsportfolio.
- Ressorts: organisatorische Bereiche, wie z. B. Station, Ambulanz, IT, Personal, Marketing
Retrospektiven und Feedbacks im Alltag
Im Zuge der neu definierten Prozessen gilt es, Routine Strukturen für die Sicherung der Umsetzung zu schaffen. Dazu etablieren wir berufsübergreifende Routine Retrospektiven und Feedbacks. „Wollen – Können – Dürfen“ wurde als Dreisatz zum Aufbau von Kompetenz und Selbstvertrauen beachtet.
- Wollen: Berufsübergreifende Coachings der Führungsteams beschäftigten sich mit Motivation, Überwinden von Widerständen und Selbstmanagement.
- Können: Wollen alleine reicht jedoch nicht aus, um neue Prozesse auf Dauer am Leben zu halten. Es braucht das nötige Vermögen, das in Projektgruppen erarbeitet und im Wissensmanagement weitergegeben wird.
- Dürfen: Der Mitarbeiter muss die Freiheit haben, sein Wissen anzuwenden. Ein sukzessiver Transfer von Entscheidung und Verantwortung wird mit Feedback-Strukturen gestützt.
Nach Projektabschluss dienen (z. B. halbjährliche) externe Prozessaudits, sog. Feedback Wochen, bestehend aus Feedback Runden, Begehungen und Auswertungen von Prozesskennzahlen, dem PDCA und dem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) der Abteilung. Das konsequente Denken in Teams statt in Berufsgruppen war hier von Anfang an ein Erfolgsfaktor für die Zusammenarbeit im Alltag, die durch die Übernahme von Verantwortung auf Ebene von Leitungen und Mitarbeitenden getragen wurde.
Change Management von innen nach außen
Die vielen Teilprojekte zur Neustrukturierung parallel zu entwickeln und abzustimmen, stellt einen Kraftakt für die Klinik dar. Daher ist es von Anfang an wichtig, den Mitarbeitern im Prozess die Perspektive zu eröffnen, wie die einzelnen Projekte ineinander greifen und wie das Ergebnis am Ende aussieht. Nach einer Ist-Analyse erfolgt die neue Konzeption und die Umsetzung in den Betrieb. Neben der Ablauf- und Aufbauorganisation wurden die klinische Ausrichtung, die Strategie und das gemeinsame Werteverständnis immer wieder geprüft. Die enge Einbindung der Oberärzte förderte die Akzeptanz und stellte die Weichen. Die Teilprojekte tagen in Phasen der Veränderung einmal pro Monat, um zu evaluieren, wasefunktioniert und wo nachzusteuern ist.
Fundierte Kenntnis über die Einweiser und Patientenströme wurden aus einer umfassenden Einweiseranalyse gewonnen. In einer Befragung der Top-Einweiser sowie ausgewählter Nicht-/ Geringeinweiser durch die Oberärzte wurden Bedürfnisse systematisch durchleuchtet. Jedem Einweiser wurde ein persönlicher Ansprechpartner für den direkten Kontakt in die Abteilung zugeteilt. Aus der Befragung wurden zentrale Maßnahmen abgeleitet. Z.B. die Festlegung und Erreichbarkeit des Ansprechpartners und dessen Kontaktinformationen auf dem Arztbrief, Arztbrieflänge, Inhalt der Briefe, ihre Laufzeit und die Kommunikation der medizinischen Ergebnisse. Jedem Brief wird ein Bogen für Lob/ Beschwerden beigefügt. Nachdem dies erledigt war, wurden die strategische Zielplanung und das geschärfte medizinische Portfolio den Einweisern in einer Veranstaltung vorgestellt.
Ergebnis Neustrukturierung
Exemplarisch sind hier einige der erreichten Prozesskennzahlen von 2011 genannt:
- 78% der Entlassungen finden bis 11 Uhr statt (nur noch 19% Diagnostik am Entlasstag).
- Bei 71% der Aufnahmen steht direkt ein freies Bett zur Verfügung.
- 100% der Visiten finden im Zeitfenster zwischen 10-11:30 Uhr mit fast 100 % Beteiligung der Pflege statt.
- Etablierung eines „High Volume“ Herzkatheterlabors: 79% aktive Tischbelegung, 27 min Wechselzeit, 8 min Verspätung des ersten Schnitts.
Die Abteilung hat nachhaltig die Prozesse verbessert. Aber auch die medizinische Qualität ist stetig gestiegen. Auf den Ruf, Patienten nicht leichtfertig „auf den Tisch“ zu legen, ist die Abteilung stolz. Die Patienten werden zudem nach der Behandlung an die Einweiser „zurückgegeben“ und nicht ambulant im Uniklinikum weiterbehandelt. So werden das Vertrauen der Einweiser gestärkt und die Patientenströme gesichert. Die Einweiser können in der Kooperation weiterführende therapeutische Entscheidungen sicherer fällen und werden durch kurze Wege und Routinen entlastet. Zudem wurden Fortbildungen für die Top Einweiser angeboten. Die Feedbacks belegen eine hohe Zufriedenheit der Einweiser durch die oberärztlichen Kontakte. Die internen Abläufe und Kommunikation werden als positiv wahrgenommen und strahlen auf die Zufriedenheit von Patienten und Einweisern aus.
Referenz
Projekt: Neustrukturierung nach Chefarztwechsel, Uniklinik RWTH Aachen, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin
Ansprechpartner: Prof. Dr. Nikolaus Marx, Direktor der Medizinischen Klinik I, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin
Zeitraum: 2009-2015
Erfahren Sie noch mehr zum Thema
Mirjam Pföhler, Stefan Ruhl (2011): Entwicklung medizinischer Fachabteilungen, in Klinikarzt 2011; 40 (10): S. 384–394.