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Der Mann und die Seesterne: Und wozu es sich trotzdem lohnt

von Sep 11, 2016Impulsgeschichten

Veränderungen kosten Kraft und oft hadern wir mit der Mühe. Die Geschichte zeigt, dass ein Wechsel der Perspektive hilft, das Wozu zu klären.

Seit 2013 lähmen Bilder vom Massensterben von Seesternen rund um den Erdball nicht nur die Naturschützer. Menschen werden mit schrecklichen Schicksalen konfrontiert. Wie dazu verhalten? Gleiches mag uns im Alltag geschehen, wenn wir etwa einem Patienten begegnen, den wir mit seiner Diagnose jäh aus dem Leben reißen u.a. Wir fühlen uns ohnmächtig und hilflos. Die Aufgaben sind riesig und unser Beitrag scheint zu klein, um etwas wirklich ändern zu können. Wie viel übermächtiger scheinen da all die destruktiven Kräfte, die ihr Werk zu verrichten. Was schon erreichen die, die sich stetig um das Gute, das Soziale und Nachhaltige mühen. Lohnt sich all der Einsatz, wenn mit einem Atemzug alles bisher Erreichte immer wieder vernichtet wird?

Allen, die dieses Hadern mit den Mühen kennen und sich dem Gefühl der Sinnlosigkeit verschließen wollen, ist diese Geschichte [1] gewidmet. Um aus den Momenten, in denen wir im Innersten berührt werden, Kraft zu schöpfen. Um sich selbst und den eigenen Idealen treu zu bleiben.

Eine gute Antwort auf die Frage unseres Wozu

Ein Mann ging bei Sonnenuntergang an einem langen mexikanischen Strand entlang. Als er so schlenderte, sah er in der Ferne einen Einheimischen. Als er näher kam, sah er, dass der Mexikaner sich fortwährend hinunter beugte, etwas aufhob und ins Wasser warf. Wieder und wieder schleuderte er etwas in den Ozean. Als der Mann sich weiter näherte, erkannte er, dass es Seesterne waren, die der Einheimische beim Bücken aufhob. Seesterne, die an den Strand gespült worden sind. Einen nach dem anderen warf er sie ins Meer zurück. Der Mann sah dem Mexikaner eine ganze Weile lang bei seinem Tun zu. Bis er in Rufweite kam und ihn voll von echter Neugier ansprach: “Guten Abend, mein Herr. Ich frage mich schon die ganze Zeit, was Sie da tun?”

Ohne im Tun inne zu halten, antwortete der Mexikaner: “Ich werfe diese Seesterne zurück ins Meer. Sehen Sie, es ist gerade Ebbe. Alle diese Seesterne sind ans Ufer gespült worden. Wenn ich sie nicht ins Meer zurück werfe, werden sie bald am Mangel an Sauerstoff sterben.” Der Mann erwiderte: “Ich verstehe. Aber es muss an diesem Strand wohl Tausende von angespülten Seesternen geben. Sie können unmöglich alle retten. Es gibt einfach zu viele. Und nicht nur hier. Das Sterben der Seesterne spielt sich wohl an Hunderten von Stränden überall an dieser Küste ab. Machen Sie nicht etwas Unmögliches? Sehen Sie nicht, dass Sie alleine doch gar nichts ändern können?”

Der Mexikaner beugte sich und hob einen weiteren Seestern auf. Als er ihn zurück ins Meer warf, erwiderte er: “Für den einen da habe ich gerade etwas verändert.”

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Wer seine Zuversicht aufgibt, gibt sein Wofür auf, für das es sich lohnt zu leben. Der ist wie tot. Seine Hoffnung gerade trotz aller äußerer Krisen zu bewahren, meint, sich die Gewissheit für den Sinn des eigenen Tun zu erhalten. Der Rest ist Zugabe im Vertrauen auf das gute Ende – irgendwann. Allen Zweifeln zum Trotz sich immer wieder aufrichten: Für wen will ich heute einen Unterschied machen? Nicht immer können wir etwas Großes tun, aber gewiss immer wieder irgendjemand irgendetwas Gutes. Oder wie ein schönes tröstendes Wort sagt:[2] Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch wer ihr dabei zusieht, ist die Liebe. Die Liebe hält die Hoffnung in ihren Armen und wenn sie stirbt, dann ist da nur noch Liebe, die trägt. 

(1) Aus: Jack Canfield, Mark V. Hansen, Amy Newmark (2020): Hühnersuppe für die Seele, Geschichten, die das Herz erwärmen.
(2) frei nach P. Speth. 

Es gilt, nicht der Gefahr des Ja-Aber-Spiels und damit dem Austausch von Argumenten zu verfallen, wenn man die Bedürfnisse auf den Tisch bringen will. Sondern selbst geklärt, die eignen Bedürfnisse einen Moment hinten anzustellen und die Bedürfnisse des andern empathisch in den Blick zu nehmen. Um sich aufrichtig mitteilen zu können, ist zunächst Empathie für die Bitte zu geben. So dass der Bittende die Sicherheit bekommt, gesehen und gehört zu werden. Zu zeigen, dass man die Bitte gehört hat und welche empathische Vermutung zum Wozu – als Frage oder Konjunktiv formuliert – man dazu hat.

 

7. Niemand kann Empathie geben, bevor er nicht selbst Empathie bekommen hat

Eine konkrete Bitte ist eine Strategie, die zunächst die Bedürfnisse des Fragenden in den Blick nimmt. In der GFK ist die Bitte nur verstehbar, wenn sie in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Gefühlen und Bedürfnissen geäußert wird. Wer eine Bitte äußert will etwas ändern. Die Gewaltfreie Kommunikation kennt unterschiedliche Arten von Bitten auf Ebene der Strategie. Ihr Fokus liegt dabei darauf, in Verbundenheit miteinander zu sein.

  • Handlungsbitten: sind Bitten um eine bestimmte Handlung oder um ein inhaltliches Feedback (oft um zu schnellen Lösungen zu kommen)

  • Beziehungsbitten: sind Bitten um eine einfühlsame Reaktion, um eine Mitteilung, was beim anderen angekommen ist oder wie es ihm damit geht, was er dabei empfindet. Es geht dabei als darum, dem Fühlen Raum zu geben.

Es git zunächst, das Bedürfnis des Bittenden hinter seiner Bitte genauer zu ergründen. Emphatische Vermutungen dürfen dabei nicht auf Gedanken abstellen, sondern das Fühlen adressieren. Schnell werden im Eifer des Gefechtes Gefühle mit Gedanken oder gar Vorwürfen verwechselt. Das aber zerstört jeden Kooperationswillen. Selbst wenn eine Handlungsbitte geäußert wurde, kann es sein, dass der Anfrager das Nein nicht in der Sache, sondern (1.) auf der persönlichen Ebene hört, als Absage an die Beziehung. Und dass er (2.) so in seine Bedürfnisse verstrickt ist, dass er kein Ohr für die Antwort hat und ein Nein (noch) nicht empathisch hören kann. Dann war die Fähigkeit offen mit einer Antwort umgehen zu können, nicht gegeben.

Eine echte Bitte im Dialog muss mit einer offenen Entscheidung – ja oder nein – umgehen können, sonst ist es keine. Dann braucht der Antwortende nicht mit einem Nein und seinen Bedürfnissen anfangen. Vielmehr gilt es nun erst einmal, um die Beziehung zu halten, die eigenen Bedürfnisse einen Moment zu parken und die Bedürfnisse hinter der Bitte in den Blick zu nehmen. Der Bittende braucht so lange Einfühlung, bis er sich entspannt hat. Die Zeit zum Nachspürenlassen, ob es im Hier und Jetzt gut ist, Zuhören, Raum halten. Wenn der Bittende in seinen Konflikt nicht so reflektiert ist, sich selbst Einfühlung zu geben, braucht er die Empathie des Zuhörers.  Sich auf der Ebene seiner Bedürfnisse gehört zu fühlen, lässt spüren, dass ich dem anderen wichtig bin. Menschen sind oft erst in der Lage, empathisch auf die Bedürfnisse anderer zu reagieren, wenn sie selbst Empathie bekommen haben.

 

8. Empathisch Zuhören bevor man sich aufrichtig mitteilen kann

Marshall B. Rosenberg erkannte: „Empathisch mit dem Nein des anderen zu sein, schützt uns davor, es persönlich zu nehmen.“ 

In der GFK gibt es keine Abkürzung als sich in die Bedürfnisse beider Seiten einzufühlen. Das ist das, was in Menschen lebendig ist. Ein Ansatz Nein zu sagen und gleichzeitig in der Verbundenheit zu bleiben, ist daher, nicht nur das eigene Nein gut zu erklären, sondern sich auch die Zeit zu nehmen, eine andere Strategie im Hier und Jetzt mit dem Anfrager zu entwickeln. Solange gemeinsam einen Weg zu erkunden, wie die dahinterliegende Bedürfnis beider Seiten erfüllt werden können. Immer wieder offen nachfragen, was der andere verstanden hat, wie es ihm damit geht und was er braucht. Hier sind mitunter mehrere Runden zu drehen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu spiegeln und eine gemeinsame Synthese zu finden. Diese Aufarbeitung im offenen Dialog kann Zeit benötigen, die nicht immer da ist. Sie hat das potenzial die Verbundenheit trotz des initialen Neins zu stärken.

Auf Ebene der mit der Bitte vorgeschlagenen Strategie gibt es kein Commitment. Das muss aber nicht heißen, dass es keine andere gemeinsam getragene Lösung gibt. So gesehen bleibt es beim autonomen Nein zur anfänglichen Bitte, die nicht für beide Seiten stimmig ist. Aber der Dialog endet immer mit einem Ja zur Verbindung  durch achtsame Anerkennung der Bedürfnisse aller Seiten. Im dialogischen Austausch selbst liegt dann eine neue tiefe Beziehungerfahrung. Statt im Widerstand und In Negativität zum Nein bzw. zur Bitte zu sein, wird kein Leid erschaffen, sondern es entsteht eine höhere warme Herzensenergie, indem beide miteinander mit ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.

 

9. Umgang mit Blockaden

Gehört zu werden im Anliegen schafft Öffnung auch für Anliegen des anderen. Selbst wenn ich diese Verbundenheit will, sich gegenseitig in seinen Bedürfnissen zu sehen und Lösungen zu finden, ist das nicht immer sofort möglich:

  • Ich bin selbst nicht in meiner Kraft und in der Lage mich auf den Klärungsprozess einzulassen. 

  • Man hat sich in ein Ja-Aber-Gefecht mit Urteilen, Drohung, Schuldvorwürfe und Urteile so- verfahren, dass im Moment nicht auf die Ebene der Bedürfnisse vorzudringen ist. Obwohl im Grunde jeder nur darum kämpft, mit seinen Bedürfnissen gesehen zu werden.
  • Die Beteiligten brauchen Zeit zum Nachspüren, bevor die gemeinsame Lösung sich entwickeln kann.

Bei solchen Blockaden hilft erst einmal der Ausstieg aus der Situation mit ehrlichem Bedauern und Dankbarkeit für die Ehrlichkeit. Für den Moment tritt jeder für sich ein und man lässt die Differenz stehen ohne sie persönlich zu nehmen. Ein Wiederanschließen ist dann leichter zu einem späteren Zeitpunkt aus Distanz zu den kraftraubenden Emotionen möglich. 

Die Aufrichtigkeit des Neins braucht Empathie für beide Seiten. Das gibt die Sicherheit, einander zu hören und anzuerkennen. Dahinter steck eine enorme Kraft der Verbundenheit: Die Bedürfnisse werden ins Leben geholt und schaffen lebendige Beziehungen. In dieser Haltung fließt jedes Einstehen für sich selbst letztlich sogar in eine Vertiefung der authentischen Verbindung zwischen Menschen.

So steht am Ende der Bitte das Danke.

    [1] Ein authentisches Anschauungsbeispiel ist die Milchtütenbitte von Iris und Jürgen. Im langsamen Dialog mit laufender Rückkopplung an die Bedürfnisse beider zeigen sie, wie es gelingt, die eigenen Bedürfnisse und die Reaktanz des anderen darauf anzusprechen und – in der Haltung, gegenseitig verbunden bleiben zu wollen und sich die Zeit zu nehmen- die Beziehung in der Akzeptanz der gegenseitigen lebendigen Bedürfnisse zu vertiefen. Die Kunst ist, keinen Vorwurf zu hören, sondern die Selbstkundgabe.

    [2] Axiom der GFK: Bedürfnisse sind universal gültig, insbesondere unabhängig von Person, Zeit und Ort, sonst sind es Strategien.


     

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