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Keith Jarrett & The Köln Concert: Kreativität durch Challenges

von Dez 13, 2016Impulsgeschichten

Was für den Pianisten Keith Jarrett unter schlecht denkbaren Bedingungen im Chaos begann, schaffte den kreativen Durchbruch in seiner Karriere. Man muss sich nur entspannt darauf einlassen können…

Ende Januar 1975 tritt ein 17-jähriges Mädchen namens Vera Brandes auf die Bühne der Kölner Oper. Es ist der vielleicht aufregendste Tag in ihrem Leben. Sie ist Deutschlands jüngste Konzertveranstalterin. Sie hatte die Kölner Oper überredet, ein Jazzkonzert des amerikanischen Pianisten und Solo-Künstlers Keith Jarrett auszurichten. 1.400 Menschen sollten kommen. In wenigen Stunden sollte mit 29 Jahren selbst noch junge Keith Jarrett zum Solokonzert auf dieselbe Bühne treten, sich an den Konzertflügel setzen und seine bereits weltberühmten Improvisationen spielen.

Als Keith  sich am Nachmittag vor dem Konzert zur Probe an die Tasten setze, merkte er, dass ein falsche Instrument geliefert wurde. Und das war praktisch unspielbar für den Profi. Es hatte ein hartes, begrenztes oberes Register, weil der Filz komplett abgenutzt war. Die schwarzen Tasten waren klebrig, die weißen waren nicht gestimmt, die Pedale funktionierten nicht und der Flügel war zu klein für den Raum. Die Lautstärke würde für die Kölner Oper nicht reichen. Keith sah das Instrument an, spielte noch ein paar Töne und dann war klar – er würde es am Abend nicht spielen. Vera Brandes versuchte sofort einen geeigneten Flügel zu organisieren. Doch das war in der Kürze der Zeit nicht zu schaffen. Sie fand gerade noch einen Klavierstimmer. Sie bat Keith Jarrett inständig, das Konzert nicht abzusagen. Keith sagte aus Mitleid mit der Jugendlichen zu – mit den Worten: “Vergiss nie… das tue ich nur für dich.” 

The Köln Concept

Und einige Stunden später trat er wirklich auf die Bühne der Oper, setzte sich an das Instrument und begann. Er passte sein Spiel den Möglichkeiten des Flügels an. Jarrett vermied jene oberen Register. Er hielt sich an die mittleren Töne der Tastatur, was dem Stück eine beruhigende, Atmosphäre gab. Aber da der Flügel so leise war, musste er rollende, repetitive Bassriffs in sein Spiel einbauen. So entstand eine Aufführung, die voller friedlicher Qualität und zugleich voller Energie ist. Das Publikum und die Kritiker waren begeistert und das Kölner Konzert ist das meistverkaufte Klavier- und Solo-Jazzalbum der Geschichte. Dabei wollten die Tontechniker die Live-Aufnahme bereits streichen und ließen sie nur für interne Zwecke mitlaufen… (Hörprobe)

Mit der Veröffentlichung dieses legendären “The Köln Concert” kam für Keith Jarrett schlagartig der große Durchbruch. Die Platte wurde Jarretts bekannteste. Sie bekam den Preis der Deutschen Phono Akademie und wurde vom Time Magazine zu einen der „Records of the Year“ gewählt. Die Verkaufszahlen liegen bei rund 3,5 Millionen verkaufter CDs und Schallplatten. Die Platte mit ihrem markanten weißen Cover zierte die Plattenschränke jener Zeit.

Was uns die Geschichte lehren kann

Wenn wir uns auf vermeintlich unzumutbare Bedingungen einzulassen und sie für unsere Sache zu gestalten, verlassenen wir gewohnte Pfade des Denkens und Handelns. Kreativität und Improvisation sind gefragt. Das kostet Mut, Selbstvertrauen, garantiert nicht den Erfolg, schafft aber eines: einen neuen Spielraum. Störungen und hohe Anforderungen an unser Können haben die Kraft, uns zu Höchstleistung anzuspornen, uns an die Grenzen zu bringen, unser ganzes Potenzial auszuschöpfen und damit jenseits der eingefahrenen Bahnen neue Lösungen zu finden. Und in ganz besonderen Momenten, wie damals in Köln, entsteht daraus eine kreative Magie, von der sich alle gerne berauschen lassen…

siehe auch: www.ted.com/talks/tim_harford_how_messy_problems_can_inspire_creativity/transcript

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