Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Verlag Franz Vahlen GmbH. München.
Der ehemalige McKinsey Berater Frederic Laloux ist ein wichtiger Vordenker des New Work Ansatzes. Bereits heute ist sein Werk zu einem Standard der Organisationsentwicklung geworden. Sein zentrales Thema ist die Sinnstiftung, durch die er klassische Hierarchie-, Macht- und Kontrollsysteme ersetzen will. Für ihn macht die Art und Weise, wie ein Großteil der Organisationen die Probleme der Zeit zu lösen versucht, die Lage schlechter statt besser. Viele Runden an Change Programmen, Fusionen und Ausgliederungen, Zentralisierungen und Dezentralisierungen, neue IT-Systeme, neue Leitbilder, neue Management Systeme sind überflüssig. All das scheint bis an die Grenze ausgereizt. Die alten Rezepte sind heute mehr ein Teil des Problems als ein Teil der Lösung. Menschen brauchen nicht mehr von dem, was bislang schon nur mäßig funktioniert hat. Sie sehnen sich nach mehr. Nach einer radikal anderen Weise der Zusammenarbeit.
Daher stehen in so g. Reinventing Organizations die folgenden Fragen im Fokus: Wenn es Organisationen gäbe, die mehr von unserem menschlichen Potenzial zugänglich machen… Wie würden sie aussehen? Wie könnten wir sie verwirklichen? Dazu hat Laloux geforscht. Er betrachtet die Zusammenhänge, die zu den heutigen Modellen der Organisation geführt haben. So bringt er Beispiele und Fakten auf den Tisch, die zeigen, warum die Besessenheit nach Wachstum in die Sackgasse führt. Gleichzeitig erklärt er am Beispiel von realen Organisationen, wie es besser funktionieren kann.
Die 3 Teilen bestehen aus verschiedenen Perspektiven auf die Transformation der Organisation
Zunächst betrachtet er im 1. Kapitel retrospektiv die historische Evolution von Organisationen und setzt sie in Bezug zur Entwicklung der Menschen. Er beschreibt, wie sich das Werte der Menschheit entwickelt und wie wir auf jeder neuen Stufe auch neue Organisationsmodelle erfunden haben.
- Klassische Machtsysteme sind von Egoismus, Ausbeutung, autoritäre Hierarchien und Machtgefällen gekennzeichnet – wie Jäger- und Sammlerbanden, Mafias, Straßenbanden. Ihre Arbeitsteilung erfolgt durch Befehlsketten, Befehl und Gehorsam.
- Formale Hierarchien mit statischen Rollen und Prozessen, in denen Entscheidungen auf oberen Hierarchieebenen getroffen und von den unteren ausgeführt werden – wie in öffentlichen Verwaltungen, Regierungen, Kirchen.
- Leistungsorientierte Organisationen sind weiterhin in einer pyramidalen Struktur, erlauben aber mehr Flexibilität etwa durch interdisziplinäre Projekte, Stabsfunktionen und Querschnittsabteilungen, Vorgabe von Zielen und Handlungsspielräumen. Profit ist der zentrale Anreiz.
- Agile und Lean Organisationen, die Empowerment groß schreiben und sich auf den Kunden, gemeinsame Werte und hohes Engagement zentrieren. Die obenen Führungsebenen geben Macht und Kontrolle ab und verfolgen die Philosophie dienender Führung und der Rolle von 1. unter gleichen im Team. Damit stellen sie die Pyramide quasi auf den Kopf und entwickeln eine starke Unternehmenskultur. Der dialogische Ansatz hat seinen Preis: Konflikte nehmen zu und Entscheidungsbildung verlangsamt sich durch das Bemühen um Konsensbildung.
- Systeme der Selbstorganisation (teal) und verteilter Autorität – wie Patagonia, Buurtzong, MorningStar – schließlich sprengen die pyramidialen Struktur auf und ersetzen sie durch fließende natürliche Hierarchien, in dem die Kompetenten mit der nötigen Expertise, Leidenschaft und Interesse situativ verteilt jeweiligs Entscheidung und Verantwortung mitübernehmen.
Die Hypothese von Laloux lautet, dass die Entwicklungspsychologie viel über die nächste Stufe des menschlichen Bewusstseins zu sagen hat, in die wir uns hinein begeben. Dazu gehört u. a. das Ego in die Schranken zu weisen und nach einer gesunden Daseinsweise suchen. Der Logik von Laloux folgend entwickelt sich beim Wachsen in die nächste Bewusstseinsstufe ein neues Organisationsmodell.
Im 2. Kapitel beschäftigt sich Laloux mit der Praxis, wie der Weg hin zur Selbstorganisation gelingen kann, und beschreibt die Ergebnisse seiner empirischen Forschung. Er hat zwei Jahre lang Organisationen hinsichtlich ihrer Strukturen und Kulturen untersucht, die mit neuen Modellen arbeiten. Voraussetzung für die Studienteilnahme war, dass die Organisationen zumindest 100 Mitarbeiter hatten und schon seit mindestens 5 Jahren in dieser neuen Form (teal) arbeiteten. 12 Unternehmen – darunter auch eine deutsche Klinikgruppe – hat er anhand von 70 Fragen untersucht. Die Ergebnisse, wie Organisationen „teal“ arbeiten in Praxis, sind hier zusammengefasst. Um teal – selbstorganisiert und ganzheitlich – zu arbeiten sind traditionelle Machthierarchien abzuschaffen und Macht ist gleichmäßig zu verteilen.
Dabei sind drei Prinzipien wegweisend:
- 1. Selbstführung – es gibt keine Hierarchien und keinen Konsens. Die Mitarbeiter treffen Entscheidungen selbst.
- 2. Ganzheit – der Mensch wird in allen Teilen seines Selbst akzeptiert. Neben dem Verstand ist Raum für emotionale, intuitive und spirituelle Aspekte.
- 3. Evolutionärer Sinn – Organisationen entwickeln sich ihrem ureigenen Sinn folgend aus sich selbst heraus. Die Richtung ist nicht vorhersehbar.
Dies bedarf hoher intrinsische Motivation und einer Kultur des Vertrauens. Um autonom handeln zu können, bedarf es der Entscheidungs- und Verantwortungsübernahme für den eigenen Bereich und eigene Wertmaßstäbe.
Im 3. Kapitel geht Laloux auf die Bedingungen ein, die nötig sind, um das neue Modell der Zusammenarbeit von Selbstorganisation zum Funktionieren zu bringen. Wie können danach neue Unternehmen gegründet bzw. bestehende verändert werden? Dabei entwirft Laloux einen Leitfaden für den Weg hin zu einer ganzheitlich sinnstiftenden Organisation.
Reinventing Organizations ist ein spannendes Buch für alle, die nach Ansätzen suchen, neue Arbeitsumgebungen zu schaffen und sich in puncto Umsetzbarkeit gerne von Fakten und positiven Beispielen leiten lassen.
Laloux, Frederic: Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Verlag Franz Vahlen GmbH. München. 2015.