Stellen Patienten aus dem Ausland eine außerbudgetäre Chance für Kliniken dar? Welche spezifischen Mühen sind beim Marketing Mix für die Dienstleistung nötig – v.a. Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik?
Marketing Mix für Auslandpatienten
Das Leben ist globaler geworden. Auch in Kliniken. Patienten aus dem Ausland schätzen die Qualität der Medizin in deutschen Kliniken. Die Behandlung internationaler Patienten in deutschen Kliniken ist jedoch nüchtern zu betrachten. In der Tat ist sie eine mögliche Strategie, um Umsätze in Kliniken außerhalb der Grenzen des Budgets zu erzielen. Hoher Kostendruck und Wettbewerb in den Kliniken fordern ständig wachsende Umsätze. Eine Studie der WPG Ernst & Young sagte voraus, dass bis 2020 ca. 25 % der Kliniken in Deutschland verschwinden könnten, v.a. öffentliche Häuser. Bei der Akquise von Patienten aus dem Ausland geht es daher um solvente (Selbst-) Zahler. Nicht um alle Patienten, die in ihrer Heimat keine Versorgung auf hiesigem Niveau haben.
Wer als Klinik diesen Weg betreten will, beginnt in der Akquise bei null. Häufig haben Kliniken den Eindruck, es reicht gute Medizin zu leisten und dann liefert die Propaganda von Mund zu Mund volle Kliniken. Ist es da möglich, Hotspots aus dem Ausland aktiv dem Einzugsgebiet hinzu zu fügen? Die Basis dafür ist das genaue Kennen der Zielgruppe und die strikte Ausrichtung an ihren Bedürfnissen. Diese sind geprägt durch das kulturelle, religiöse und soziale Umfeld der Patienten. Aber auch unabhängig von der Herkunft der Patienten gibt es die spezifische 4 bzw. 7 Politik-Fragen im Marketing Mix für die Akquise im Ausland zu entscheiden.
4P Modell des Marketing Mix
- Produkt Politik (product)
- Preis Politik (price)
- Distribution Politik (place)
- Kommunikation Politik (promotion)
Für Dienstleistungen wurde das klassische Modell des Marketing Mix um drei weitere Instrumente ergänzt, die sich auch unter die Kommunikation bzw. Produkt Politik gliedern lassen:
- Personal Politik
- Prozess Politik
- Ausstattung Politik
Produkt & Ausstattung: Angebote an Services erweitern
Verglichen mit Patienten aus dem Inland haben ausländische sehr eigene Bedürfnisse. Dem kann mit einem erweiterten Angebot an Services Rechnung getragen werden kann. Z.B. geht es hier um besondere Speisepläne, Dolmetscher, die Organisation der Reise sowie der nötigen Formalitäten etc. Da es sich oft um vermögende Selbstzahler handelt, sind ihre Ansprüche an die Ausstattung der Klinik im Allg. und der Patientenzimmer im Besonderen hoch. Es werden in der Regel exklusive, hotelähnliche Zimmer mit Toilette, Dusche/ Bad sowie ggf. Bidet erwartet. Oft sind auch mitgereiste Angehörige unterzubringen. Räume zum Gebet, Zeitungen in Landessprache, Zugang zum Internet, Telefonanschluss etc. sind zu bedenken.
Ebenso die Verfügbarkeit der gewünschten Zimmerkategorie für Patienten und Angehörige, die Präsenz des Chefarztes und geschulten Personals während des Zeitraums der Behandlung. Der Durchlauf eines ausländischen Patienten soll von der Aufnahme bis zur Entlassung gut organisiert und geregelt sein, vom Kostenvoranschlag etwa in Englisch über die Reiseorganisation bis zum fertigen Arztbrief in jeweiliger Sprache am Tag der Entlassung.
Preise frei gestalten
Seit 1998 haben deutsche Kliniken die Wahl, ausländischer Patienten außerhalb des Budgets abzurechnen. Somit gilt für die Gestaltung der Preise weder die BPfV noch das KHEntgG. Vielmehr ist das Entgelt für die Leistungen für Ausländer nach dem BGB zivilrechtlich zwischen der Klinik und dem Patienten zu vereinbaren. So besteht in seiner Höhe Vertragsfreiheit. Bei der Gestaltung sind dann v.a. die Kosten, die Preise der Mitbewerber und die Kaufkraft der Patienten zu beachten.
Distribution: Standortvorteile nutzen und Kontakte aufbauen
Die Frage des Standorts der Klinik und seiner Erreichbarkeit ist zentral. V.a. wenn Patienten aus dem Ausland anreisen und nach einem langen Flug keine lange Weiterreise auf sich nehmen wollen oder können. Für sie sind v.a. Kliniken in der Umgebung von internationalen Flughäfen attraktiv. Weitere Vorzüge, wie z.B. die Nähe zu Touristenzielen, zu Zentren oder zu ergänzenden gesundheitlichen Angeboten können von Vorteil sein.
Beim Aufbau eines Netzwerkes für die Akquise von Patienten können bestehende eigene Kontakte wie auch die Kooperation mit Botschaften, Gesundheitsministerien, Krankenkassen und so g. Patientenvermittlern genutzt werden. Letztere haben sich auf bestimmte Länder spezialisiert. Die Vermittlung wird dabei zumeist durch weitere Services der Organisation oder ihrer Service Provider ergänzt. Z.B. die Organisation von Reise und Transport, Beschaffen von Visa und Unterstützen bei allen Formalitäten, Inkassoverfahren für Behandlungskosten, Dolmetschen und touristische Programme. Die Zusammenarbeit mit Vermittlern von Patienten aus dem Ausland wird von den meisten Kliniken genutzt. Die Klinik begibt sich dabei in eine Partnerschaft mit Chancen und Risiken:
Topik | Chancen | Risiken |
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Öffnen neuer Märkte |
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Landes- und Marktkunde |
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Service- Umfang |
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Kosten |
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Promotion des Angebots, Personal und Prozesse: Anschluss und Beziehung herstellen
Instrumente der Kommunikations- Politik dürfen eng auf die Zielgruppe abgestimmt sein. Zuerst ist das Internet bedeutend, um ferne Patienten vorab mit den relevanten medizinischen Informationen zu versorgen. Die Ansprache erfordert eine mehrsprachige Webpräsenz und laufend Optimieren der Suchmaschinen, wobei eine englische Version die Basis bildet. Neben der Qualität der medizinischen Leistung sowie der sonstigen Services sollen die Bedürfnisse der Zielgruppe im Fokus stehen. Die Verbreitung von Patientenerfahrungen spielt auch im Ausland eine ganz zentrale Rolle bei der Wahl der Klinik. Länder in der arabischen Golfregion verfügen z.B. über stark verwobene familiäre Strukturen, aber über nur eine z.T. ausgebaute IT-Kommunikation.
Mitarbeiter sind in der interkulturellen Kompetenz zu schulen. Um dabei eine gewisse Perfektion zu erreichen, solle ein fester Kreis von Personen von Pflege, Arzt und Verwaltung für diese Patienten zuständig sein. Die Kenntnis der Muttersprache der Patienten, zumindest jedoch Englisch sollten im Team vorhanden sein. Kenntnisse der kulturellen sowie religiösen Hintergründe der Zielgruppe sowie der kulturspezifischen Tabus bauen Berührungsängste ab. Persönliche Kontakte zu Land und Leuten – etwa durch den Besuch von Ärzten und Pflege in Kliniken vor Ort – bieten zudem eine gute Chance, um die klinische Behandlung in fremden Kulturen kennen zu lernen. Diese Kontakte bilden die Basis für den Ausbau langfristiger Partnerschaften mit Medizinern, Kliniken oder KVn im Ausland.
Fazit Auslandspatienten
Die Behandlung von Patienten aus dem Ausland birgt Chancen und Risiken. Die Entscheidung ist ein tiefer Eingriff in die Strategie und Kultur einer Klinik. Ausland ist nicht Ausland. Entscheidern ist zu raten, sich auch persönlich einen Eindruck in den Ländern und den Kulturen vor Ort zu verschaffen. Eindrücke – wie unsere Besuche von Kliniken in Ruanda – können unter die Haut gehen und Entscheidungen in ein neues Licht rücken.
[*] Ernst & Young (2005): Konzentriert. Marktorientiert. Saniert. Gesundheitsversorgung 2020.