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Sehouli, Jalid (1. Auflage 2018)

von Okt 14, 2018Buchtipps

Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen. Kösel-Verlag, München.

Das Überbringen schlechter Nachrichten gehört zu den Aufgaben und Anforderungen im Beruf des Arztes, die nicht spurlos an seiner Person vorbeigehen (können). Und doch macht sich auch gerade in ihrer guten Übermittlung die Qualität wahrer ärztlicher Kunst fest. Hier geht es viel weniger um die vordergründige Krankheit, als um den Patienten selbst, um die menschliche Beziehung in einer existentiellen Situation.

Professor Jalid Sehouli schätzen wir seit Jahren für seine enorme Leistungsfähigkeit – und wie er dabei in seinem Job so sehr Mensch geblieben ist. Als ärztlicher Direktor der Klinik für Gynäkologie und onkologische Chirurgie der renommierten Berliner Charité ist er national wie international – in einem hoch kompetitiven Umfeld – als Krebsspezialist mit dem Schwerpunkt Eierstockkrebs in einem hoch kompetitiven Umfeld sehr bekannt. Seine empathische und poetische Seite beweist er wieder einmal in seinem neusten literarischen Werk nach seinen so erfolgreichen autobiographischen und philosophischen Büchern zu Tanger und Marrakesch. In dem neuen Buch „Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen“ nimmt er uns mit hinter die medizinischen Kulissen. Er lässt den Leser mit seinen plastischen Erzählungen an seinem Weg von der Reflexion der Kommunikation bis zu der persönlichen Versöhnung mit den Schattenseiten des onkologischen Berufes teilhaben. Die mutige Offenheit und persönliche Tiefe machen das Werk von der ersten Seite an aus. Der Leser spürt zwischen den Zeilen die schonungslose Reflexion und die Authentizität des Werkes und fühlt mit. Wer etwa hätte von einer Koryphäe seines Fachs das Eingeständnis erwartet, dass jedem Arzt Fehler in der ein oder anderen Behandlung unterlaufen. Diese Ehrlichkeit aber macht es möglich, ein humanes Umfeld zu schaffen. Und genau das ist es, was das gute Übermitteln schlechter Botschaften am Ende ausmacht: Zeit und Raum für die menschliche Beziehung und Vertrauen auf der einen Seite und der weiße Kittel des Arztes, der professionelle Distanz, Kompetenz, Information, Orientierung und Sicherheit vermittelt auf der anderen Seite.

Was das Buch in ganz besonderer Weise auszeichnet, wird schon beim Aufblättern des Inhaltsverzeichnisses deutlich: Die vielen berührenden Geschichten und Erfahrungen im Umgang mit der Breaking Bad News. Mit der dramatischen Nachricht, die von jetzt auf eben das Leben des Patienten völlig auf den Kopf stellt, den Menschen bis zur Ohnmacht lähmt und ihm schier den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint. Mit Sensibilität und Empathie eröffnet Sehouli Raum und Zeit zur Selbstreflexion. Viele Ärzte werden sich in den Gedanken wiederfinden und die Erkenntnisse und Tipps in ihre eigene Haltung integrieren können. Die persönlichen Schilderungen und über Jahre gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse im alltäglichen Umgang mit Patienten können nicht nur dem ärztlichen Nachwuchs nützliche Orientierung und Entlastung bieten. Das Buch gibt dazu wie nebenbei praktische Tipps rund um das Überbringen und Annehmen schlechter Nachrichten. Ohne moralischen Fingerzeit auf seine früheren Erfahrungen gelingt es Sehouli, deutlich zu machen, dass Gespräche mit einem wirkungsvollen Modell der Kommunikation zum Übermitteln der schlechten Nachricht besser laufen. So zeigt er auf, warum die Art und Weise der Übermittlung, die Verpackung, ein wichtiger Teil eines guten Gespräches ist. Warum der Arzt die Distanz halten muss, um hilfreich zu sein und wie er sich dabei nicht in die Rolle eines Täters manövrieren lässt. Ein Balanceakt. Wenn der Arzt dazu eine Haltung entwickelt, wird es ihm – wie in einer eindrucksvollen Episode „in der Besenkammer“ beschrieben – künftig einfacher gelingen, seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse zwar nicht zu ignorieren, doch für den Patienten im Gespräch zurück zu stellen. In seiner Rolle ist er hilfreich, wenn sich der Patient danach adäquat informiert fühlt und nicht ohne Orientierung und Hoffnung zurück bleibt. Oder, wenn die Hoffnung nur winzig ist, er sich trotzdem bei seinem Arzt gut und mit Würde aufgehoben fühlt. Ehrlichkeit, offenes Zuhören, Hilfsbereitschaft und eine gute Strukturierung entlasten beide Gesprächspartner und stärken die Beziehung von Arzt und Patienten in dieser Krise. Und für die eigene Psychohygiene hat der Arzt und Mensch Sehouli noch einen besonderen Weg gefunden, den wir in unseren Seminaren zum ärztlichen Selbstmanagement immer wieder als positives Beispiel zitieren: Die Mehrzahl der positiven Befunde zu würdigen und ihrer Kommunikation und Übermittlung viel mehr bewussten Raum als heute gängig einzuräumen. Das können wahre Momente des Glücks im Alltag des Arztes sein.

Das Buch schließt auf seinen fast 200 Seiten mit einer Checkliste zur Vorbereitung auf schwierige Gespräche. Und zwar sowohl aus der Sicht des Überbringers wie auch des Empfängers und des Angehörigen. Denn das Buch ist in der Tat leicht verständlich für die ganze interessierte Öffentlichkeit, für alle drei Seiten, geschrieben. Beim professionellen Übermitteln schlechter Nachrichten können sich die unterschiedlichsten Berufe und Berufsgruppen angesprochen fühlen. V.a. aber werden auch alle Ärzte gut abgeholt – vom Nachwuchs bis zum Praxisinhaber und Klinikchef. Und so wünschen wir uns dazu unbedingt jetzt schon eine weitere ergänzte Auflage mit weiteren praktischen Antworten für dieses so relevante Thema. Wie z.B. gelingt es multiprofessionellen Behandlerteams als Ganzen Raum und Zeit für eine gute Rollenabstimmung bei der Übermittlung der Breaking Bad News zu schaffen, die jeden Einzelnen im Team, den Patienten und die Angehörigen weiter stärken? Diese und andere Fragen, zu denen das Buch inspiriert, werden im Kontext der heutigen Ökonomie in Kliniken leider nur allzu selten gestellt…

Sehouli, Jalid: Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen. Kösel-Verlag, München 2018.

 

Buchtipp – für noch mehr Inspiration

Heute wird immer weniger gelesen. Sich immer weiter zu bilden, hält den Geist wach – da würde es helfen, etwa von Zeit zu Zeit ein Buch in die Hand zu nehmen. Zum kleinen Preis erhalten Leser die über oft lange Jahre entwickelten Gedanken der Autoren zu einem Thema. Das ist ein Geschenk! Bewusst leisten auch wir einen Beitrag, Wissen zu vernetzen. Und je freier der Kopf und je offener wir dem Autoren und dem Buch gegenüber sind, um so leichter fällt es, sich auf neues Denken einzulassen und es zu hinterfragen. So gedeihen weitere Gedanken und tieferes Verstehen, wenn sich der Blick weitet. Dazu braucht es auch, sich Ruhe und Muse beim Lesen zu nehmen.

Viel Spaß und Freude mit unserem Buchtipp. Lassen Sie sich bereichern. Die empfohlenen Bücher haben wir zum Reinschmökern direkt verknüpft. Und: Viele Bücher sind heute übrigens auch als Hörbücher verfügbar…  Abonnieren Sie unseren Newsletter. So erhalten Sie 4x im Jahr unsere aktuellen Beiträge auf einen Blick.