Es bedarf einer Anfangsmotivation und dann: 40 Tage Fasten schafft Zeit zur Reflexion, Rhythmuswechsel, Loslassen von Ballast und schenkt neue persönliche Erfahrungen. Fasten ist nicht umsonst ein wahrhaftiger Weg der Verinnerlichung.
Meine ganz persönliche Erfahrung beim Langzeitfasten
Es ist eine verrückte Geschichte. Am 15.11.2013 hatte ich ein Buch zu 40 Tage Fasten in der Hand. Im Christentum hat dies seit dem 4. Jahrhundert lange Tradition. So dienten die 40 Tage Fasten als Zeit der Vorbereitung auf die Erwachsenentaufe, die damals nur in der Osternacht gespendet wurde. Dies spielte auf die 40 Tage Fasten Jesu in der Wüste an (Mt 4,2). Das lange Fasten etablierte sich dann nach und nach als Fastenritual zwischen Aschermittwoch bis Gründonnerstag. Und die Zahl 40 ist ja keine unbekannte biblische Symbolzahl im Kontext von Veränderung bisheriger Lebensgewohnheiten…
Kurzentschlossen griff ich den Impuls auf und begann direkt am nächsten Tag mit meinem Experiment 40 Tage Fasten. Ohne jede Fastenerfahrung vorher. Ein radikaler Schritt von heute auf morgen. Dabei galt es zunächst, vielen Glaubenssätzen zu trotzen (z.B. „an Schokolade komme ich nicht vorbei” , „das schaffe ich nie” etc.). Das besagte Buch hat durch umfassende Information aufkeimende Bedenken zerstreut und zugleich in mir eine tiefe Sehnsucht angerührt. Einen solchen initialen Impuls zu bewirken, der tiefen Anklang im Inneren findet, ist die hohe Kunst der Motivation in der Veränderung. Dem Buch ist es gelungen: Es hat mehrere intrinsische Motivatoren bei mir angesprochen.
Ein starkes Motiv lag bei mir in der Neugier für die Selbsterfahrung, mir selbst in der Tiefe zu begegnen. Dies ist, wofür die lange Fastenzeit von 40 Tagen spricht: Fasten führt durch Verzicht zum Innehalten und zur Konzentration auf das Wesentliche. Wer Tiefe im Leben will, muss sich Schicht für Schicht nach Innen wenden, innehalten, sich selbst aushalten, auf sich selber hören. Wer sich selbst und dem Leben tief vertraut, wird für sich selbst und andere auch Vertrauen ausstrahlen können und diesen damit in der Weiterentwicklung hilfreich sein. Auf den Prozess war ich neugierig.
Diese Erfahrungen bestätigen große Persönlichkeiten auch in unserer Zeit…
Romano Guardini (1885-1968), Theologe und Religionsphilosoph |
Mahatma Gandhi (1869-1948), indischer Freiheitskämpfer |
Der geistige Weg: Über die Fastenkrisen zur inneren Tiefe
In den ersten Tagen schon tauchten die bekannten Symptome der 1. Fastenkrise auf. Es ging direkt in medias res. Eine Auseinandersetzung mit meinen Lebensthemen – bei mir etwa das Thema der klaren Abgrenzung und persönlichen Grenzziehung – es stellte sich wie von selbst immer wieder. Und nach der Phase der Erstverschlimmerung war irgendwann eine neue Antwort da: Die Grenze zog ich mit der Frage nach der Ausgewogenheit von Geben und Nehmen.
Der Körper schaltete mit Beginn des Fastens unmittelbar auf Energiesparmodus um. Ich stoppte intuitiv jegliches Multitasking. Es galt, die eingeschränkte Energie bewusst einzusetzen. Das Erstaunliche: am Ende der Woche hatte ich qualitativ gar nicht weniger geschafft als sonst, aber viel fokussierter. Im Auseinandersetzen regten sich offenbar bislang verdrängte Widerstände. Bei mir war das etwa die Frage des Vertrauens in die eigene Intuition: Weist sie mir wirklich zielsicher den Weg für meine neue Grenzziehung?
Über die Fastenzeit musste ich mit meiner Energie wirklich gut haushalten. Dabei wurde mir immer bewusster, wie leicht ich Symptome für übermäßiges Geben entschlüsseln kann: ich entdeckte mein Empfinden im Hier und Jetzt als verlässlichen Wegweiser. Meine Arbeit mit Menschen ist intensiv. Wenn ich mich am Ende des Arbeitstages fühle, als wäre mir übermäßig Energie ausgesaugt worden, dann ist dies ein zuverlässiger Indikator dafür: An dem Tag hatte ich zu wenig, was dazu taugte, auch meinen Akku in der Zusammenarbeit aufzuladen. Und wenn sich solche Tage häufen, dann habe ich in dem Projekt eine Aufgabe, über professionelle Abgrenzung nachzudenken. Zugleich begann ich sehr bewusst und dankbar anzunehmen, wie viel meine Kunden mir täglich geben: Von kleinen Gesten der Gastfreundschaft, über die gemeinsamen Pausen, über das Teilen persönlicher Erfahrung bis zum Schenken von Vertrauen.
Emotionen sind ein wahrhaftiger Wegweiser, wenn die Haltung selbstlos offen ist.
In dem ich mich dem Symptom des „Ausgesaugt Fühlens“ bewusst zuwendete, entschlüsselte ich dann auch, wieso es mir bislang als erfolgreiche Strategie dienlich war, übermäßiges Geben zuzulassen. Sich ausgesaugt zu fühlen ist ja kein originäres Gefühl, da es die Schuld für den eigenen Zustand anderen zuschiebt und sich selbst in eine vermeintlich ohnmächtige Lage bringt. Als hätte ich nicht selbst von meiner Strategie profitiert. Indem ich den Gedanken annehmen und besehen konnte, erlaubte ich mir, das Muster bewusst als Teil meiner Geschichte im Frieden hinter mir zu lassen. Mit dem gefestigten neuen Bild von fruchtbarer Zusammenarbeit habe ich eine große Veränderungskraft erlebt. Die tauchte immer wieder wie aus dem Nichts auf und führte mich dazu, mich meinen persönlichen Herausforderungen zu stellen.
Körperliche Erfahrungen bis zum Fastenbrechen und zurück zur Normalität
Das Hungergefühl hört nach Überwindung der Fastenkrisen auf. Trotzdem kreisen die Gedanken immer wieder ums Essen und die ästhetische Freude an der Nahrung wird bewusster. Warme Getränke helfen dabei, die schlimmsten Zeiten durchzustehen. Und Stolz über den Verzicht und Selbstbewusstsein durch die Stärke des eigenen Willens wachsen mit jedem Fastentag. Nie hätte ich gedacht, wirklich 1 Woche, geschweige denn 40 Tage durchzuhalten. Und dann war es soweit. Der 40. Tag rückte immer näher und zum Weihnachtsfest wollte ich am gemeinsamen Festessen wieder teilnehmen. Dafür muss das Essen langsam wieder begonnen werden.
Fastenbrechen meint die erste Mahlzeit nach dem Fasten. Meist freut man sich auf den ersten Apfel, der nun so intensiv schmeckt wie kaum ein Apfel im Leben zuvor. Die lange Fastenzeit und die Tiefe der 40 Tage Fasten trägt dazu bei, dass die in der Fastenzeit erlernte Veränderung nach dutzenden erfolgreichen Wiederholungen tief verankert wurden. Bei mir ist es bis heute in mein Leben Integriert: Mehr auf mich selbst zu hören und mir Raum zu nehmen für Intuition, im Moment sein, da sein und mit allen Sinnen wahrnehmen. Die Zeit zum Sein bekam eine eigene Qualität. Ich konnte den ein und anderen Alltagsballast und etliche Kilo Körpergewicht* ablegen.
Vorher/ Nachher: Es erinnert mich daran…
Nach 5 Jahren hatte ich jäh einmal wieder eine Erfahrung, mich mächtig über einen Kunden als “Energieräuber” zu ärgern. Und dabei ist mir erst so richtig bewusst geworden, wie lange ich ein solches Erlebnis, dass Geben und Nehmen sich nicht die Waage halten, und ich als Objekt behandelt werde, einfach nicht mehr erlebt hatte… Auf mich selbst zu hören und mir Raum zu nehmen für Intuition, im Moment sein, mit allen Sinnen spüren, war eine großartige Erfahrung der Fastenzeit. Dazu brauchte es eine Zeit zum Entschleunigen und Rhythmuswechsel, statt sich in immer mehr Zeitdruck und Effizienzstreben zu verlieren. Über den Zeitraum von 40 Tagen ging die Selbsterfahrung von Woche zu Woche, von Schicht zu Schicht immer wieder noch ein Stück tiefer. Nicht mehr und nicht weniger hat der Fastenratgeber versprochen. Und das hat das lange Fasten bei mir am Ende erreicht.
Nachhaltige Verändern und Verinnerlichen braucht die Zeit, sich für neue Erfahrungen zu öffnen.
Auch wenn unterschiedliche Untersuchungen verschiedene Faustregeln nennen. 30 oder 40 erfolgreiche Wiederholungen bis sich neue Muster den Weg bahnen und wir der Sisyphus Falle entgehen und sich neue Gewohnheiten in der Tiefe verankern. Fasten ist ein Weg der Verinnerlichung. Und die Fastenzeit sollte unbedingt mit einem Tagebuch zur Auseinandersetzung mit sich selbst begleitet werden. Es braucht eine Anfangsmotivation, Rhythmuswechsel und Loslassen von der Alltagsroutine, Zeit und neue persönliche Erfahrungen, die gut tun…
* Ganz nebenbei habe ich etliche Kilos abgenommen. Das hat sich gut angefühlt und das Wohlfühlen in der eigenen Haut gestärkt. Doch nachhaltig ist ein derart radikales Abnehmen natürlich nicht. Der Stoffwechsel fährt herunter und das Körpergedächtnis speichert die Zeit der Entbehrung langfristig. So dass dem bekannten Jo-Jo-Effekt Tür und Tor geöffnet ist. Nach weiteren 40 Tagen, war das Gewicht schon fast wieder beim alten Stand. Wer Fasten will, um nachhaltig abzunehmen, der muss auf Dauer seine Ess-, Trink- und Bewegungsgewohnheiten ändern. Da geht kein Weg daran vorbei und da hilft keine einmalige Hauruck-Aktion. Sie kann nur den initialen Anschub leisten.
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