Irgendwie seltsam …! Über den Umgang im Coaching mit extremen Persönlichkeitsstilen. Edition Training aktuell, managerseminare.
Extreme Persönlichkeiten
Coaching ist keine Therapie und will den Klienten weder pathologischeren noch therapieren. Gerade die Entwicklung der Persönlichkeit ist ein Prozess über Jahre. Der Coach kann hier allenfalls Impulse setzen. Sein Auftrag besteht in der kurzen Frist darin, ein konkretes Anliegen mit dem Klienten zu bearbeiten. Und doch ist für den professionellen Coach ein Grundwissen zu psychischen Krankheitsbildern nötig, um sich nicht von den unbewussten Einladungen des Klienten in ein Muster bzw. in Beziehungsfallen verwickeln zu lassen. Nur dann kann das Potenzial des Coachings ausgeschöpft werden. Bewusst geworden ist uns das schon in unseren Anfangszeiten als Coaches. Doch eine systematische Aufarbeitung der häufigsten Persönlichkeitsstörungen in unserer Gesellschaft – die ja immer auch Störungen in Beziehungen nach sich ziehen – haben wir für den Kontext des Coachings erst jetzt gefunden: Irgendwie seltsam – Über den Umgang im Coaching mit extremen Persönlichkeitsstilen.
In ihrem Werk hangeln sich Bettina Hafner und Gudula Ritz am Klassifikationssystem „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders” (DSM) entlang. Dieses führt Persönlichkeitsstörungen phänomenologisch als Diagnosen in drei Hauptgruppen (Cluster). Der Coach bekommt übersichtlich geordnet Wissen zu den verschiedenen Diagnosen in den relevanten DSM Clustern B (Extravertierte) und C (Introvertierte). Gemeinsames Merkmal der betrachteten Persönlichkeitstypen ist, dass ihre nach außen gerichteten Kompetenzen maßlos einseitig ausgeprägt und soziale und emotionale Kompetenzen defizitär sind. Wirksame Führung fängt bei sich selbst an – innen. Sie muss sich ihrer Persönlichkeitsausprägungen bewusst werden und an sich arbeiten. Je leichter Menschen Zugang zu ihren inneren Bedürfnissen bekommen, desto leichter nehmen sie sie auch bei anderen wahr.
Blinder Fleck: eigene Problematik
Betroffene im Coaching, die unbewusst DSM Phänomene aufweisen, empfinden ihr Muster gar nicht als anormal oder dysfunktional. Sie gehen mit ihm ja erfolgreich durch das Leben. So leiden sie auch nicht bewusst an ihrer Persönlichkeit, allenfalls an den Folgen. Welchen großen Handlungsbedarf sie haben, erkennen eher Andere und schreiben ihnen dann im günstigen Fall einen Veränderungsauftrag zu (wie z.B. besser mit Stress umzugehen, Prioritäten zu setzen, Beziehungsprobleme zu lösen). Ihre Lebensthemen sind ihnen selbst im blinden Fleck unbewusst verborgen.
Hafner/ Ritz betrachten folgende Muster genauer:
- Spontaner Stil – emotional untersteuerter Borderliner und Melancholiker
- Sorgfältiger Stil – emotional übersteuerter Zwanghafter und Phlegmatiker
- Ehrgeiziger Stil – Narzisst
- Loyaler Stil – Abhängiger
- Antisozialer Stil – aggressiver Choleriker
- Selbstkritischer Stil – selbstunsicherer Vermeider
- Kritischer Stil – passiv-aggressiver Pessimist
- Liebenswürdiger Stil – Historniker/ Optimist
Das gut aufbereitete Fachwissen hilft dem Coach, Persönlichkeitsmuster zu reflektieren. Es bietet eine Vielfalt an Hypothesen dazu, die im Coaching – wie die Autorinnen aus langjähriger Erfahrung bestätigen – einige Schleifen vermeiden helfen. Die fast 300 Seiten waren uns persönlich zu langatmig, aber sie bieten eine Basis, sich selbst eine Kurzübersicht auf wenigen Seiten zu schaffen und das ist für Coaches gerade im derzeitigen Wandel der Gesellschaft mit der zunehmenden Bewusstseinsbildung eine gute Arbeitshilfe, die eine essentielle Lücke im Coaching in der Arbeit mit den blinden Flecken schließt.
Hafner, Bettina | Ritz, Gudula (2020):
Irgendwie seltsam …! Über den Umgang im Coaching mit extremen Persönlichkeiten, Edition Training aktuell, managerseminare.