Feedback zur Weiterentwicklung trifft oft blinde Flecken. Dann hilft Feedback zum Erkennen helfen, doch beim Abweichen von Selbst- und Fremdbild auch ganz schnell sehr schmerzhaft. Was heißt das für das Annehmen von Feedback?
Die Kunst, Feedback anzunehmen
Feedback bekommen meint, vom Gegenüber zurück gespiegelt zu bekommen, wie mein Verhalten etc. bei ihm ankommt.[1] Führungskräfte haben die Aufgabe laufend kritisch Rückmeldung zu geben und sind dabei gerne bereit, beizutragen und zu unterstützen. Wenn ihr Impuls angenommen oder gar umgesetzt wird, fühlt Führung sich wirkungsvoll. Doch selbst Feedback gut anzunehmen ist da eine ganz andere Nummer. V.a. wenn es nicht selbst erbeten worden ist.
Zuhören ohne zu kommentieren und ohne sich zu rechtfertigen – ganz ohne „Ja, aber“
Wer nach Feedback fragt, möchte etwas über die Wirkung auf den anderen erfahren. Dementsprechend gibt es am Feedback nichts zu diskutieren und auch nichts zu kommentieren. Der natürlichen Abwehrfunktion aber entspricht das nicht. Um zum reinen Zuhören zu kommen braucht es schon eine große Portion bewusster Selbstreflexion. Um dahin zu kommen gilt es, offen und ohne “Wenn und Aber“ zuzuhören und allenfalls Verständnisfragen zu stellen. Das will gelernt werden. Doch dann werde ich merken, dass mein Umfeld sich immer mehr traut, mir offen und ehrlich Feedback zu geben. Nicht sofort mit „ja, aber“ dagegen zu argumentieren bedarf der Reife und Reflexion. Denn natürlich wollen wir uns und unsere guten Gründe verteidigen. Der innere Widerstand äußert sich deshalb gerne in spontanen Widerspruch. In einer Rechtfertigung.
In der Regel nutzen wir das Wort „aber“, wenn wir auf etwas uns Wichtiges aufmerksam machen wollen, das nicht zur Sprache gekommen ist. Da wir uns noch nicht gehört und verstanden fühlen. Die Frage hinter jedem “aber” ist daher: Was würde sich bei uns erfüllen, wenn der Andere den Satz hinter dem „aber“ hören würde? Was hält uns davon ab, dass wir das „Ja“ für sich stehen lassen können? Das „aber“ ist so betrachtet ein Hinweis auf ein noch nicht erfülltes Bedürfnis. Praktisch wirkt das “aber” im Gespräch jedoch so, als ob alles gerade Gesagte ausgestrichen würde. Das Feedback, um das wir eben noch gebeten haben, wird nicht akzeptiert. Die Kunst im Nehmen von Feedback besteht deshalb darin, das Gesagte stehen lassen zu können ohne dem inneren Impuls zu folgen und das “aber” für den Moment für mich zu behalten.
Inneren Widerstand überwinden
Je sicherer wir uns verstanden fühlen, umso leichter fällt es, den “Aber”-Impuls zu unterdrücken und sich für Weiterentwicklung zu öffnen. Und wenn ich den Impuls nicht unterdrücken kann, dann das Wort „aber“ wenigstens rhetorisch durch ein “und” ersetzen. So bleibt das Feedback zumindest stehen. Besser jedoch ist es, seine Reaktion auf Verständnisfragen zu begrenzen. Und dann darüber weiter zu reflektieren und vor der Reaktion zumindest eine Nacht darüber zu schlafen…
Die Sicht des anderen ist eine Perspektive. Nicht mehr und nicht weniger. Ich muss sie nicht unkritisch zu meiner Wahrheit machen. Doch in jedem Fall sollte ich sie für mich prüfen, insbesondere wenn sich starker Widerstand bei mir regt und offenbar meine Werte und Identität angekratzt werden. Ich habe hier die Chance, etwas neues über mich zu erfahren. Ich kann mir immer noch sagen, dass jedes Feedback viel mehr eine Selbstaussage über den Feedbackgeber und seine Konstruktion der Wirklichkeit ist, als eine absolute Wahrheit über mich. Doch der Widerspruch ist das Salz des Lebens, denn Leben ist Entwicklung. Und auf Basis verlässlicher Beziehungen, wo ich mich als Mensch fair und gerecht behandelt fühle, kann ich mich leichter für das Leben öffnen.
So gibt es für den reflektierten Feedback-Nehmer eine weise Regel: Das Feedback stehen lassen. Ein einfaches „Danke!“ genügt.
Johari Fenster: Mein blinder Fleck
Warum Feedbacknehmen im sozialen Gefüge so wichtig ist, haben Joseph Luft und Harry Ingham schon in den 1950-er Jahren mit dem Johari Fenster aufgezeigt [2]. Dieses spannt zwischen den zwei Achsen „Mir selbst bewusst/ unbewusst“ und „Anderen bewusst/ unbewusst” vier Felder auf:
Mir selbst bewusst | Mir selbst unbewusst | |
---|---|---|
Anderen bewusst | Meine offene Identität | Mein blinder Fleck |
Anderen unbewusst | Meine private Identität | Mein unbewusstes Selbst |
“Meine offene Identität” zeigt die Übereinstimmung von Selbst- und Fremdbild. Ziel der persönlichen Entwicklung und von Beziehung ist es, diesen Anteil auszubauen. Was der Mensch über sich selbst weiß und preisgibt und vom Gegenüber reflektiert wird, ist die Basis authentischen Miteinanders, Verlässlichkeit, Einschätzbarkeit und Vertrauensbildung. In dem Bereich, wissen wir und andere, wer wir sind.
Feedback führt v.a. dort weiter, wo „Mein blinder Fleck“ ist. Es ist die Perspektive, die für andere wahrnehmbar, mir als Betroffenen selbst aber nicht bewusst ist: Wie wirke ich? Der Blick von außen ist im sozialen Setting eine zentrale Ergänzung. Einen blinden Fleck zu offenbaren, ist ein Wagnis. V.a. wenn es um Bedeutsames geht, und der Betroffene hier gerne anders gesehen werden würde. Hierfür braucht es ein feines Gefühl, welches Maß der andere gerade verarbeiten kann. Daher ist es hilfreich, beim Feedback an der Selbsteinschätzung des Anderen anzuschließen. Hören Sie zu, wie kritisch und reflektiert das Selbsturteil des anderen ist. Erkunden Sie Schnittmengen. Diese sind eine Basis, um auch blinden Flecken gut ausleuchten zu können. Wenn der Boden bereitet ist, tut die Konfrontation oft gar nicht mehr so weh und der Zwang zur Rechtfertigung bleibt leichter aus.
Schließlich ist es „Mein unbewusstes Selbst“, das ich mir Zeit meines Lebens immer tiefer erschließen kann, ohne es im Leben je absolut erkundet zu haben. Um immer mehr mein Potenzial zu leben. Und so ist am Ende des Lebens der eigene Lebenslauf oft wohl selbst eines der großes Wunder.
Die Haltung beim Feedback geben
Darüber bewusst, lässt sich achtsam förderndes konstruktives Feedback geben. Die Haltung, aus der heraus Feedback gegeben wird ist entscheidend. Sie kann beim Feedbackgeber sogar Gehirnareale aktivieren, in denen auch Belohnungen verarbeitet werden. Es fühlt sich dann gut an, einen Unterschied machen zu können und zum Leben anderer beizutragen, und kann bei guter Resonanz sogar zum Glückszustand des sog. Helpers High führen. Auch die Entzündungswerte im Körper sinken. Wenn wir nur an unsere Fähigkeit glauben, Mitmenschen unterstützen zu können, fördert das schon die Gesundheit. Und je zufriedener und glücklicher wir dadurch sind, desto lieber helfen wir wiederum. Das macht uns dann noch glücklicher und wir sind noch motivierter zu helfen – ein positiver Feedback-Loop-Effekt.
In dieser Haltung des Gebens kann Feedback die Beziehung vertiefen.[3] Es geht dabei um den ehrlichen Austausch von Wahrnehmungen – nicht um Recht oder Unrecht. Um das Prinzip der Gegenseitigkeit. Und auch um die Offenheit, es dem Feedback-Nehmer zu überlassen, das Feedback anzunehmen oder auch nicht. Die Wertschätzung für die Person mit ihren Bedürfnissen ist notwendig, um hilfreich Feedback zu geben und zu neuen Gedanken anzuregen. Mehr noch: eine gegenseitige Vertrauensbasis ist wichtig. So soll Sokrates einen Schüler mit der Begründung weggeschickt haben: “Ich kann dich nichts lehren. Du liebst mich nicht…”
[1] Feedback (= Rückmeldung/ Rückkopplung) geben wir verbal und non-verbal. Paul Watzlawick hat den Ausspruch geprägt: „Man kann nicht NICHT kommunizieren!“ (Metakommunikatives Axiom)
[2] Johari-Fenster: Luft, J. & Ingham, H. (1955). The Johari Window, a graphic model for interpersonal relations. Western Training Laboratory in Group Development, August 1955; University of California at Los Angeles, Extension Office.
[3] Vgl. M. Fischer-Epe: Coaching: Miteinander Ziele erreichen, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg Reinbek, 4. Auflage 2011, S. 102 ff.
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