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Clear, James (18. Auflage 2020)

von Mrz 18, 2023Buchtipps

Buchtipp: Die 1% Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung: Mit kleinen Gewohnheiten jedes Ziel erreichen. Mit Micro Habits zum Erfolg. Wilhelm Goldstein Verlag, München, 18. Aufl. 

James Clear und die 1% Arbeit an den Gewohnheiten

Nachdem sich der Behavorismus (der Verhaltensforschung) mit seinem bekannte Reiz-Reaktion-Schema nicht weiter damit beschäftigte, was zwischen Reiz und Reaktion im Organismus geschieht, gelang es Charles Duhigg 2012 zu veranschaulichen, wie Gewohnheiten entstehen und verändert werden können. Zentral ist, sich den auslösenden Trigger und die sich direkt einstellende Belohnung bewusst zu machen.

Im gleichen Jahr startete James Clear einen Blog. Das Projekt wurde ein Riesenerfolg. Eine Millionen Leser abonnierten seinen Newsletter, zehntausend kauften seinen Videokurs. Sein erstes und bisher einziges Buch Die 1%-Methode (englisch Atomic Habits) wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und hat sich weltweit über fünf Millionen Mal verkauft. Darin trug er alles zum Thema Gewohnheiten zusammen. Einschließlich seiner persönlichen Erfahrung, wie es ihm mit zahlreichen kleinen, für sich betrachtet unbedeutende täglichen Veränderungen gelungen war, nach einem Baseball Unfall als Teenager, Schritt für Schritt ins Leben zurück zu finden.

Kernaussage des Buches ist, dass sich mit minimalen 1% Verbesserungen der Gewohnheiten viel erreichen lässt. Exponentielle Wachstums- bzw. Schrumpfungeffekte zeigen – wie schon in der alten Weizenkornlegende – über die Jahre radikale Wirkung. Wiederholung verbesserter Gewohnheiten ist darum eine Form der Veränderung. Die Summe der konsequenten kleinen Schritte macht den Wandel. Über die lange Frist zeigen unsere Gewohnheiten als „Atome unseres Lebens“, zum wem wir geworden sind… Gute Gewohnheiten bringen Zins und Zinseszins, folgen exponentiellen Verläufen. Wer sich jeden Tag um 1 Prozent verbessert, wird sich nach einem Jahr um 37,78 Prozent verbessert haben. Eine einmalige Hauruck-Aktion kann da kaum mithalten.

 

Marginal Gains von Dave Brailsford und dem englischen Radsportteam

Die Idee dazu stammt originär von Dave Brailsford. Das britische Rad-Renn-Team war über 100 Jahren nahezu erfolglos. Noch nie hatte ein Brite die Tour de France gewonnen. Das Team konnte so keine Sponsoren finden. 2003 änderte der neue Manager Dave Brailsford die Strategie und erfand die Idee der Marginal Gains (oder 1% Verbesserung in fast allem, was du tust), die im Radsport längst zum Synonym für professionelle Teamentwicklung geworden ist. Überall wurde im Team nach Möglichkeiten gesucht, die Sache ein klein wenig besser zu machen. All die kleinen, für sich betrachtet unbedeutenden Verbesserungen sammelten sich an und potenzierten sich. Aus einem schwachen Teams wurde nur fünf Jahre später eines der besten Teams des Radrennsports.

Bei den Olympischen Spielen im Jahr 2008 in Peking holte Großbritannien 60 Prozent aller Goldmedallien (Straße & Bahn). 2012 in London stellten sie 9 olympische Rekorde und 7 Weltrekorde auf. 2012-2018 gewannen britische Fahrer in sechs von sieben aufeinanderfolgenden Jahren die Tour de France. Das ist die erfolgsreichste Siegserie des Radsports.

Plateaueffekt und der Kipppunkt

Leider nur sind die Verbesserungen, die sich aus klugem Verhalten ergeben, zunächst kaum spürbar. Darum neigen wir dazu, schon nach kurzer Zeit wieder aufzugeben und in unsere alten Muster zurückzufallen. Die Nachteile davon fallen ja zunächst kaum ins Gewicht. Doch Clears Rechnung und der Erfolg des britischen Radsport-Teams zeigen eindrücklich: Der Erfolg kommt mit Verzögerung, wenn wir geduldig dranbleiben und den Platteau-Effekt überwinden. Wenn wir die zeitliche Lücke (time gap) zwischen Anstrengung und Resultat aushalten. Denn nach den ersten anfänglichen Erfolg scheint auf dem Plateau nichts mehr voranzugehen. Nur mit Beharrlichkeit und Geduld überschreitet man irgendwann die kritische Schwelle. Und dann passiert das Wunderbare: Dann tritt wie über Nacht der Erfolg ein und verselbständigt sich weiter. Der Plateuaeffekt ist eine wesentliches Momentum jeder Entwicklung. 

Den Kipppunkt gibt es nicht real, aber es kommt uns so vor. Unser Gehirn geht von stetigem Fortschritt aus, während der in Wahrheit exponentiell verläuft. Entwicklung ist nicht linear und bleibt lange im verborgenen! Als Kipppunkt empfinden wir dann den Zeitpunkt, an dem unsere Erwartungen zum ersten Mal übertroffen wird, an dem das exponentielle Wachstum das erwartete übersteigt, an dem sich plötzlich alle Mühe auszahlt. So wie Eis bei stetiger Erhöhung der Temperatur nicht gleichmäßig schmilzt, sondern wenn es den Gefrierpunkt bei 0°C überschreitet. Ein Baum fällt mit einem Axthieb – dem aber sind zahlreiche Hiebe vorausgegangen, die scheinbar kaum Wirkung gehabt haben. Auch wenn es also nicht stetig – oder scheinbar gar nicht – vorangeht, weil das Plateau noch nicht überwunden ist: die Anstrengung ist nicht umsonst. Denn ohne die stetige Anstrengung wäre kein Entwicklungssprung möglich. 

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Auf den Weg fokussieren, um geduldiger zu sein

Langfristige Entwicklung soll daher weniger auf ein Ziel als auf den Prozess ausgerichtet sein. Die Abläufe führen uns zu Ergebnissen, doch die Ziele haben weniger Einfluss auf die Ergebnisse als die Systeme und Strukturen. Darum kann es temporär auch motivierender sein, den Erfolg nicht an den Ergebnissen zu messen, sondern daran, dass wir uns auf dem richtigen Weg fühlen. Die Systeme und Strukturen umfassen unsere Gewohnheiten. Es gilt, den Weg zur Identität (lat. wiederholtes Sein/ beweisen können) zu machen und die klugen täglichen Gewohnheiten gar nicht mehr zu hinterfragen. So formt sich aus dem Weg das Ich:

  • Wer möchte ich sein? Wofür will ich stehen? Was sind meine Prinzipien und Werte?
  • Ich beweise mir durch mein Handeln, dass ich die neue Person geworden bin, indem ich mich in meine neue Identität hinein handele und so Selbstvertrauen aufbaue.

Doch wie unkluge Gewohnheiten ändern, die bereits Teil der Identität sind? Selbst festeste Gewohnheiten können sich wie von selbst ändern, wenn wir unsere Identität ändern (Haltung/ Überzeugung bestimmt das Handeln). Darum ist die Frage: Können wir an unserer Identität ansetzen, um Wandeln zu erreichen?

  • Ziel soll etwa nicht sein, mehr Sport zu treiben, sondern stolz zu sein, ein Sportler zu sein.
  • Ziel soll nicht sein, mit dem Rauchen aufzuhören, sondern stolz ein Nichtraucher zu sein.

Wenn der Stolz ins Spiel kommt, ist die intrinsische Motivation da und es braucht kein Aufraffen. Wo alter Schmerz ist, ist verletzter Stolz und da docken sich Kompensationsstrategien an… Identität und unsere Gewohnheiten sind aneinander gekoppelt. Was ich täglich tue, macht mich zu dem, der ich bin. Wer ich bin, bestimmt, was ich tue. Wandel ist nur durch aktives „Verlernen“ von schlechten Gewohnheiten möglich. Die Frage ist nur: Kann ich mir das klügere Verhalten verlässlich zur guten Gewohnheit zu machen?

Gewohnheiten bilden und verändern in 4 Schritten

Eine Gewohnheit ist eine Problemlösung, die wir so oft angewendet haben, dass sie weitgehend automatisch initiiert wird und unbewusst abläuft, sobald das entsprechende Problem auftritt. Das entlastet unser Bewusstsein und wir können unseren Geist für andere Dinge einsetzen. So gesehen befreien uns Gewohnheiten. Doch nur solches Verhalten kann sich zur Gewohnheit herausbilden, das in das Schema der folgenden 4 Schritte passt.

  • Reiz, der Bedürfnis auslöst: Den Auslöser (un-) sichtbarer machen. Er ist es, der ein Bedürfnis/ Verlangen auslöst. Doch wir reagieren nicht auf den Auslöser selbst, sondern auf unsere Interpretation der Wirkung des Trägers. Einem Auslöser schlechter Gewohnheiten können wir aus dem Wege gehen.
  • Das handlungleitende Bedürfnis/ Verlangen erkennen: Das Handeln (un-) attraktiver machen. Dem Hirn geht es nur um die sofortige Wirkung. Es primt die gewohnheitsmäßige Reaktion.
  • Die Reaktion abwägen: Tun zur Bedürfniserfüllung vereinfachen (erschweren), denn Faulheit bzw. kostbare Energie zu sparen ist die wahre Natur des Menschen.
  • Die unmittelbare Belohnung (un-) befriedigender machen: Es werden die sofortigen und nicht verzögerten Belohnungen werden honoriert.

Sobald wir uns den Vierschritt bewusst machen, wird uns die Gewohnheit sehr bewusst. Das ist der erste Schritt zur Verbesserung. Wir können prüfen, wie sie z.B. auf unsere Ziele einzahlen. Der Hauptteil des Buches befasst sich dann mit Ratschlägen zu den vier Punkten der Verhaltensänderung. Z.B. wird abgewandelt von David Allen eine modifizierte 2 Minuten Regel für das Bilden neuer Gewohnheiten eingeführt: Eine neue Gewohnheit sollte anfangs nicht länger als 2 Minuten trainiert werden. Die konsequente Wiederholung ist nämlich wesentlich wichtiger für den Erfolg der Gewohnheitsbildung als der Zeiteinsatz selbst. So wird es nicht anstrengend, die konsequente Handlung stärkt das Selbstbewusstsein und so wächst die Motivation…

Wir haben es als Hörbuch sehr genossen.

Clear, James (2020): Die 1%-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung: Mit kleinen Gewohnheiten jedes Ziel erreichen. Mit Micro Habits zum Erfolg. Wilhelm Goldstein Verlag, München, 18. Auflage.


 

Buchtipp – für noch mehr Inspiration

Heute wird immer weniger gelesen. Sich immer weiter zu bilden, hält den Geist wach – da würde es helfen, etwa von Zeit zu Zeit ein Buch in die Hand zu nehmen. Zum kleinen Preis erhalten Leser die über oft lange Jahre entwickelten Gedanken der Autoren zu einem Thema. Das ist ein Geschenk! Bewusst leisten auch wir einen Beitrag, Wissen zu vernetzen. Und je freier der Kopf und je offener wir dem Autoren und dem Buch gegenüber sind, um so leichter fällt es, sich auf neues Denken einzulassen und es zu hinterfragen. So gedeihen weitere Gedanken und tieferes Verstehen, wenn sich der Blick weitet. Dazu braucht es auch, sich Ruhe und Muse beim Lesen zu nehmen.

Viel Spaß und Freude mit unserem Buchtipp. Lassen Sie sich bereichern. Die empfohlenen Bücher haben wir zum Reinschmökern direkt verknüpft. Und: Viele Bücher sind heute übrigens auch als Hörbücher verfügbar…  Abonnieren Sie unseren Newsletter. So erhalten Sie 4x im Jahr unsere aktuellen Beiträge auf einen Blick.