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40 Tage Fasten: Sehnsucht nach Besinnung

von Mrz 15, 2014Impulsgeschichten

Die Zahl 40 – insb. auch 40 Tage – steht schon in der Bibel in Verbindung mit einem Wandel und Neubeginn.[1] Es ist der Rhythmuswechsel in eine Phase der Entschleunigung und Stille, die heilsam ist. Die Stille ist der Raum, in dem Lebensentscheidungen getroffen werden. Es bedarf einer motivierenden Herausforderung und dann: 40 Tage Fasten schafft Zeit zur Reflexion, Loslassen von Ballast und schenkt neue persönliche Erfahrungen. Fasten war für mich ein wahrhaftiger Weg der Besinnung und bescherte mir eine eigene kleine Heldenreise.

1. Ruf der Herausforderung zu 40 Tage Fasten

Die Bibel bezeugt unzählige Heilungswunder, die Jesus getan hat. Doch es geht ihr nie um Magie. Das eigentliche Wunder ist, wenn ein Mensch sich auf dem Weg innerlich verwandelt und umkehrt. Mit dem Aufruf zur Umkehr (griech. metanoia = Ändert euer Denken!) verbindet Jesus eine grundlegende Verwandlung unseres Bewusstseins, ein Weiten der Perspektive. Es gilt sich dem zuzuwenden, was der Seele Leben und Lebendigkeit, Weite, Tiefe und Sinn, gibt. Es gilt, uns selbst zu fühlen, an unser Innerstes heranzukommen.

Meine ganz persönliche Erfahrung beim Langzeitfasten ist eine verrückte Geschichte. Am 15.11.2013 hatte ich ein Buch zu 40 Tage Fasten in der Hand. Im Christentum hat dies seit dem 4. Jahrhundert lange Tradition. So dienten die 40 Tage Fasten als Zeit der Vorbereitung auf die Erwachsenentaufe, die damals nur in der Osternacht gespendet wurde. Das lange Fasten etablierte sich dann nach und nach als Fastenritual zwischen Aschermittwoch bis Gründonnerstag. Und die Zahl 40 ist ja wie besagt eine biblische Symbolzahl im Kontext von Veränderung bisheriger Lebensgewohnheiten…

2. Aufbruch zum Fasten mit Unterstützung eines Buches

Kurzentschlossen griff ich den initialen Impuls des Buchtitels auf und begann direkt am nächsten Tag mit meinem Experiment 40 Tage Fasten. Ohne jede Fastenerfahrung vorher. Ein radikaler Schritt von heute auf morgen. Aber es könnte gerade noch bis Weihnachten reichen, wenn ich jetzt sofort begänne…. Das besagte Buch hat durch umfassende Information aufkeimende Bedenken zerstreut und zugleich in mir eine tiefe Sehnsucht angerührt oder vielmehr gleich mehrere intrinsische Motivatoren.

Ein starkes Motiv lag bei mir in einer akuten Sehnsucht nach Stille und in der Neugier für die Selbsterfahrung, mir selbst in der Tiefe zu begegnen. Dies ist, wofür die lange Fastenzeit von 40 Tagen spricht: Fasten führt durch Reduzieren (lat. reductum = zurückführen auf das Wesentliche) oder Verzicht zum Innehalten und zur Konzentration auf das Wesentliche. Doch es ging mir nicht um eine Verzichtsleistung oder um Abnehmen von Kilos auf der Waage. Ich hatte kein Dagegen, sondern ein Dafür. Wer Tiefe im Leben will, muss sich Schicht für Schicht nach Innen wenden, innehalten, sich selbst aushalten, auf sich selber hören. Wer sich selbst und dem Leben tief vertraut, wird für sich selbst und andere auch Vertrauen ausstrahlen können und diesen damit in der Weiterentwicklung hilfreich sein. Auf den Prozess war ich neugierig.


Was die Augen für die äußere Welt sind, ist das Fasten für die innere.

Mahatma Gandhi (1869-1948), indischer Freiheitskämpfer

 

3. Begegnung mit den Fastenkrisen

Die 40 Tage habe ich von Anfang an nicht wirklich ernst genommen. Das ist eine unglaublich lange Zeit. Dabei galt es zunächst, vielen Glaubenssätzen zu trotzen (z.B. „an Schokolade komme ich nicht vorbei” , „das schaffe ich eh nie” etc.). In den ersten Tagen tauchten auch schon gleich die bekannten Symptome der 1. Fastenkrise auf. Es ging direkt in medias res. Eine Auseinandersetzung mit meinen Lebensthemen – bei mir das Thema der klaren Abgrenzung und persönlichen Grenzziehung – es stellte sich wie von selbst immer wieder.

Und nach der Phase der Erstverschlimmerung war irgendwann eine neue Antwort da: Die Grenze zog ich mit der Frage nach der Ausgewogenheit von Geben und Nehmen: Der Körper schaltete mit Beginn des Fastens unmittelbar auf Energiesparmodus um. Ich stoppte intuitiv jegliches Multitasking. Es galt, die eingeschränkte Energie bewusst einzusetzen. Das Erstaunliche: am Ende der Woche hatte ich qualitativ gar nicht weniger geschafft als sonst, aber viel fokussierter. Im Auseinandersetzen regten sich offenbar bislang verdrängte Widerstände. Bei mir war das die Frage des Vertrauens in die eigene Intuition: Weist sie mir wirklich zielsicher den Weg für meine neue Grenzziehung?

4. Loslassen und erste Schritte in die neue Autonomie

Ich schaffte es den kritischen Tag 3 wie auch den kritischen Tag 8 durchzuhalten und war unglaublich stolz. Und dann identifizierte ich mich mit dem Fasten. Normalerweise geht man während des Fastens nicht seinem gewöhnlichen Beruf nach. Aufgrund meiner Spontanität war das in meinem Fall jedoch keine Option. Über die Fastenzeit musste ich umso mehr mit meiner Energie wirklich gut und bewusst haushalten. Dabei wurde mir immer klarer, wie leicht ich Symptome für übermäßiges Geben entschlüsseln kann: ich erlebte mein bislang von mir wenig beachtetes inneres Empfinden im Hier und Jetzt als verlässlichen Wegweiser! Ich praktizierte plötzlich Achtsamkeit ohne willentliches Dazutun – einfach aus dem Inneren heraus.

Meine Arbeit mit Menschen ist intensiv. Wenn ich mich am Ende des Tages fühle, als wäre mir meine Energie ausgesaugt worden, dann ist dies ein Indikator dafür: An dem Tag hatte ich zu wenig, was dazu taugte, auch meinen Akku in der Zusammenarbeit aufzuladen. Und wenn sich solche Tage häufen, dann ist meine Aufgabe, mehr Distanz zu schaffen und mich früher professionell abzugrenzen. Zugleich begann ich sehr bewusst und dankbar anzunehmen, wie viel meine Kunden mir täglich geben: Von kleinen Gesten der Gastfreundschaft, über die gemeinsamen Pausen, über das Teilen persönlicher Erfahrung und natürlich das Schenken ihres Vertrauen. Eine ganz wundervolle Erfahrung war, wieviel Energie mir die Zusammenarbeit mit meinem Mann in gemeinsamen Trainings gibt. Diese Arbeitstage fühlten sich oft besonders leicht an. Ich freute mich immer mehr über diese Tage.

 

Zuerst wird nur der Mangel gefühlt; dann verschwindet das Verlangen nach Nahrung…
Der Körper wird gleichsam aufgelockert. Der Geist wird freier. Alles löst sich, wird leichter.
Last und Hemmung der Wirklichkeit kommen in Bewegung; der Raum der Möglichkeiten wird weiter… Der Geist wird fühliger. Das Fühlen wird hellsichtiger, feiner und mächtiger. Das Gefühl für geistige Entscheidungen wächst.

Romano Guardini (1885-1968), Theologe und Religionsphilosoph

 

5. Transformation während dem Fasten mit neuem Körperbewusstsein

Das Fasten störte die Gewohnheiten des Alltags radikal. Ich wendete mich dem Symptom des „Ausgesaugt Fühlens“ meines Körpers und Geistes bewusst zu, da es sich unter den Bedingungen des Fastens nicht länger aus meinem Bewusstsein verdrängen ließ. Im Prinzip meditierte ich tagtäglich darüber, was meine Energiebilanz belastete und was sie pushte. Nach und nach entschlüsselte ich dann auch, wieso mir bislang Pleasing-Strategien im Job dienlich waren. Was dazu geführt hat. dass ich übermäßig zu geben bereit bin.

Sich ausgesaugt zu fühlen ist kein echtes Gefühl, da es die Schuld für den eigenen Zustand anderen zuschiebt und sich selbst in eine vermeintlich ohnmächtige Lage bringt. Als hätte ich nicht selbst von meiner Strategie profitiert. Indem ich den Gedanken annehmen und besehen konnte, erlaubte ich mir, das Muster bewusst als Teil meiner Geschichte im Frieden zu besehen. Mit dem gefestigten neuen Bild von fruchtbarer Zusammenarbeit habe ich eine große Veränderungskraft erlebt. Die tauchte immer wieder wie aus dem Nichts auf und führte mich dazu, undienliche Muster in meinem Alltag aus der Distanz wahrzunehmen. 

6. Fasten brechen und Rückkehr zur Normalität nach 40 Tagen

Das Hungergefühl hört nach Überwindung der Fastenkrisen auf. Trotzdem kreisen die Gedanken immer wieder ums Essen und die ästhetische Freude an der Nahrung wird bewusster. Warme Getränke helfen dabei, die schlimmsten Zeiten durchzustehen. Und Stolz über den Verzicht und Selbstbewusstsein durch die Stärke des eigenen Willens wachsen mit jedem Fastentag. Nie hätte ich gedacht, wirklich 1 Woche, geschweige denn 40 Tage durchzuhalten. Und dann war es soweit. Der 40. Tag rückte immer näher und zum Weihnachtsfest wollte ich am gemeinsamen Festessen wieder teilnehmen. Dafür muss das Essen langsam wieder begonnen werden. Ich hatte mich nun – befreit vom Alltagsballast rund um das Essen – 40 Tage intensiv mit mir selbst auseinander gesetzt und dabei meine eigenen Sinne geschärft.

Fastenbrechen meint die erste Mahlzeit nach dem Fasten. Meist freut man sich auf den ersten Apfel, der nun so intensiv schmeckt wie kaum ein Apfel im Leben zuvor. Die lange Fastenzeit und die Tiefe der 40 Tage Fasten trägt dazu bei, dass die in der Fastenzeit erlernte Veränderung nach dutzenden Wiederholungen tief verankert wurden. Bei mir sind mehr Achtsamkeit und Präsenz bis heute in mein Leben Integriert: Mehr auf mich selbst zu hören und mir Raum zu nehmen für Intuition. Im Moment sein. Da sein und mit allen Sinnen wahrnehmen. Die Zeit zum Sein bekam eine eigene Qualität. Ich konnte den ein und anderen Alltagsballast und etliche Kilo Körpergewicht [2] ablegen.

7. Schatz der Selbstfürsorge

Die Metanoia ist irgendwo auf dem Weg auf dem Weg passiert. Nach 5 Jahren hatte ich jäh einmal wieder eine Erfahrung, mich über einen Kunden als “Energieräuber” zu ärgern. Da ist mir bewusst geworden, wie lange ich ein solches Erlebnis einfach nicht mehr erlebt hatte: Dass Geben und Nehmen sich nicht die Waage halten, mein Engagement nicht mit Dankbarkeit gewürdigt wird, sondern ich rein als Objekt behandelt werde… Auf mich selbst zu hören und mir Raum zu nehmen für Intuition, im Moment sein, mit allen Sinnen den Zustand meiner Energie zu spüren, war die großartige Erfahrung, die ich aus der Fastenzeit mitgenommen habe. Heute habe ich sie wie selbstverständlich verinnerlicht. Dazu brauchte es im Rückblick eine Zeit zum Entschleunigen und Rhythmuswechsel, statt sich in immer mehr Zeitdruck und Effizienzstreben zu verlieren.

Es heißt, es braucht 30-40 erfolgreiche Wiederholungen bis sich neue Muster den Weg bahnen und wir der Sisyphus Falle entgehen und sich neue Gewohnheiten verankernFasten ist ein Weg der Verinnerlichung. Und die Fastenzeit sollte unbedingt mit einem Tagebuch zur Auseinandersetzung mit sich selbst begleitet werden. Es braucht eine Anfangsmotivation, Rhythmuswechsel und Loslassen von der üblichen Routine, Zeit und Neugier… Und über den Zeitraum von 40 Tagen ging die Selbsterfahrung von Woche zu Woche, von Schicht zu Schicht immer wieder noch ein Stück tiefer. Nicht mehr und nicht weniger hat der Fastenratgeber versprochen. Und das hat das lange Fasten bei mir am Ende erreicht. 

 

[1] Man denke an 40 Tage Jesus in der Wüste, Sintflut, Moses auf dem Sinai, Elia auf dem Horeb, Goliaths Herausforderung der Israeliten, Zeit, die Jona der Stadt Ninive zur Umkehr gab, Zeitraum in dem sich der auferstandene Jesus verschiedenen Menschen zeigt. Im christlichen Kalender liegen 40 Wochentage zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag, 40 zwischen Ostern und Christi Himmelfahrt, 40 zwischen Weihnachten und Lichtmess.

[2] Ganz nebenbei habe ich etliche Kilos abgenommen. Das hat sich gut angefühlt und das Wohlfühlen in der eigenen Haut und die Lust auf Bewegung gestärkt. Doch nachhaltig ist ein derart radikales Abnehmen nicht. Der Stoffwechsel fährt herunter und das Körpergedächtnis speichert die Zeit der Entbehrung langfristig. So dass dem bekannten Jo-Jo-Effekt Tür und Tor geöffnet ist. Nach weiteren 40 Tagen, war das Gewicht schon fast wieder beim alten Stand. Wer Fasten will, um nachhaltig abzunehmen, der muss auf Dauer seine Ess-, Trink- und Bewegungsgewohnheiten ändern. Da geht kein Weg daran vorbei und da hilft keine einmalige Hauruck-Aktion. Doch sie kann den initialen Anschubes leisten.

Es gilt, nicht der Gefahr des Ja-Aber-Spiels und damit dem Austausch von Argumenten zu verfallen, wenn man die Bedürfnisse auf den Tisch bringen will. Sondern selbst geklärt, die eignen Bedürfnisse einen Moment hinten anzustellen und die Bedürfnisse des andern empathisch in den Blick zu nehmen. Um sich aufrichtig mitteilen zu können, ist zunächst Empathie für die Bitte zu geben. So dass der Bittende die Sicherheit bekommt, gesehen und gehört zu werden. Zu zeigen, dass man die Bitte gehört hat und welche empathische Vermutung zum Wozu – als Frage oder Konjunktiv formuliert – man dazu hat.

 

7. Niemand kann Empathie geben, bevor er nicht selbst Empathie bekommen hat

Eine konkrete Bitte ist eine Strategie, die zunächst die Bedürfnisse des Fragenden in den Blick nimmt. In der GFK ist die Bitte nur verstehbar, wenn sie in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Gefühlen und Bedürfnissen geäußert wird. Wer eine Bitte äußert will etwas ändern. Die Gewaltfreie Kommunikation kennt unterschiedliche Arten von Bitten auf Ebene der Strategie. Ihr Fokus liegt dabei darauf, in Verbundenheit miteinander zu sein.

  • Handlungsbitten: sind Bitten um eine bestimmte Handlung oder um ein inhaltliches Feedback (oft um zu schnellen Lösungen zu kommen)

  • Beziehungsbitten: sind Bitten um eine einfühlsame Reaktion, um eine Mitteilung, was beim anderen angekommen ist oder wie es ihm damit geht, was er dabei empfindet. Es geht dabei als darum, dem Fühlen Raum zu geben.

Es git zunächst, das Bedürfnis des Bittenden hinter seiner Bitte genauer zu ergründen. Emphatische Vermutungen dürfen dabei nicht auf Gedanken abstellen, sondern das Fühlen adressieren. Schnell werden im Eifer des Gefechtes Gefühle mit Gedanken oder gar Vorwürfen verwechselt. Das aber zerstört jeden Kooperationswillen. Selbst wenn eine Handlungsbitte geäußert wurde, kann es sein, dass der Anfrager das Nein nicht in der Sache, sondern (1.) auf der persönlichen Ebene hört, als Absage an die Beziehung. Und dass er (2.) so in seine Bedürfnisse verstrickt ist, dass er kein Ohr für die Antwort hat und ein Nein (noch) nicht empathisch hören kann. Dann war die Fähigkeit offen mit einer Antwort umgehen zu können, nicht gegeben.

Eine echte Bitte im Dialog muss mit einer offenen Entscheidung – ja oder nein – umgehen können, sonst ist es keine. Dann braucht der Antwortende nicht mit einem Nein und seinen Bedürfnissen anfangen. Vielmehr gilt es nun erst einmal, um die Beziehung zu halten, die eigenen Bedürfnisse einen Moment zu parken und die Bedürfnisse hinter der Bitte in den Blick zu nehmen. Der Bittende braucht so lange Einfühlung, bis er sich entspannt hat. Die Zeit zum Nachspürenlassen, ob es im Hier und Jetzt gut ist, Zuhören, Raum halten. Wenn der Bittende in seinen Konflikt nicht so reflektiert ist, sich selbst Einfühlung zu geben, braucht er die Empathie des Zuhörers.  Sich auf der Ebene seiner Bedürfnisse gehört zu fühlen, lässt spüren, dass ich dem anderen wichtig bin. Menschen sind oft erst in der Lage, empathisch auf die Bedürfnisse anderer zu reagieren, wenn sie selbst Empathie bekommen haben.

 

8. Empathisch Zuhören bevor man sich aufrichtig mitteilen kann

Marshall B. Rosenberg erkannte: „Empathisch mit dem Nein des anderen zu sein, schützt uns davor, es persönlich zu nehmen.“ 

In der GFK gibt es keine Abkürzung als sich in die Bedürfnisse beider Seiten einzufühlen. Das ist das, was in Menschen lebendig ist. Ein Ansatz Nein zu sagen und gleichzeitig in der Verbundenheit zu bleiben, ist daher, nicht nur das eigene Nein gut zu erklären, sondern sich auch die Zeit zu nehmen, eine andere Strategie im Hier und Jetzt mit dem Anfrager zu entwickeln. Solange gemeinsam einen Weg zu erkunden, wie die dahinterliegende Bedürfnis beider Seiten erfüllt werden können. Immer wieder offen nachfragen, was der andere verstanden hat, wie es ihm damit geht und was er braucht. Hier sind mitunter mehrere Runden zu drehen, die gegenseitigen Bedürfnisse zu spiegeln und eine gemeinsame Synthese zu finden. Diese Aufarbeitung im offenen Dialog kann Zeit benötigen, die nicht immer da ist. Sie hat das potenzial die Verbundenheit trotz des initialen Neins zu stärken.

Auf Ebene der mit der Bitte vorgeschlagenen Strategie gibt es kein Commitment. Das muss aber nicht heißen, dass es keine andere gemeinsam getragene Lösung gibt. So gesehen bleibt es beim autonomen Nein zur anfänglichen Bitte, die nicht für beide Seiten stimmig ist. Aber der Dialog endet immer mit einem Ja zur Verbindung  durch achtsame Anerkennung der Bedürfnisse aller Seiten. Im dialogischen Austausch selbst liegt dann eine neue tiefe Beziehungerfahrung. Statt im Widerstand und In Negativität zum Nein bzw. zur Bitte zu sein, wird kein Leid erschaffen, sondern es entsteht eine höhere warme Herzensenergie, indem beide miteinander mit ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.

 

9. Umgang mit Blockaden

Gehört zu werden im Anliegen schafft Öffnung auch für Anliegen des anderen. Selbst wenn ich diese Verbundenheit will, sich gegenseitig in seinen Bedürfnissen zu sehen und Lösungen zu finden, ist das nicht immer sofort möglich:

  • Ich bin selbst nicht in meiner Kraft und in der Lage mich auf den Klärungsprozess einzulassen. 

  • Man hat sich in ein Ja-Aber-Gefecht mit Urteilen, Drohung, Schuldvorwürfe und Urteile so- verfahren, dass im Moment nicht auf die Ebene der Bedürfnisse vorzudringen ist. Obwohl im Grunde jeder nur darum kämpft, mit seinen Bedürfnissen gesehen zu werden.
  • Die Beteiligten brauchen Zeit zum Nachspüren, bevor die gemeinsame Lösung sich entwickeln kann.

Bei solchen Blockaden hilft erst einmal der Ausstieg aus der Situation mit ehrlichem Bedauern und Dankbarkeit für die Ehrlichkeit. Für den Moment tritt jeder für sich ein und man lässt die Differenz stehen ohne sie persönlich zu nehmen. Ein Wiederanschließen ist dann leichter zu einem späteren Zeitpunkt aus Distanz zu den kraftraubenden Emotionen möglich. 

Die Aufrichtigkeit des Neins braucht Empathie für beide Seiten. Das gibt die Sicherheit, einander zu hören und anzuerkennen. Dahinter steck eine enorme Kraft der Verbundenheit: Die Bedürfnisse werden ins Leben geholt und schaffen lebendige Beziehungen. In dieser Haltung fließt jedes Einstehen für sich selbst letztlich sogar in eine Vertiefung der authentischen Verbindung zwischen Menschen.

So steht am Ende der Bitte das Danke.

    [1] Ein authentisches Anschauungsbeispiel ist die Milchtütenbitte von Iris und Jürgen. Im langsamen Dialog mit laufender Rückkopplung an die Bedürfnisse beider zeigen sie, wie es gelingt, die eigenen Bedürfnisse und die Reaktanz des anderen darauf anzusprechen und – in der Haltung, gegenseitig verbunden bleiben zu wollen und sich die Zeit zu nehmen- die Beziehung in der Akzeptanz der gegenseitigen lebendigen Bedürfnisse zu vertiefen. Die Kunst ist, keinen Vorwurf zu hören, sondern die Selbstkundgabe.

    [2] Axiom der GFK: Bedürfnisse sind universal gültig, insbesondere unabhängig von Person, Zeit und Ort, sonst sind es Strategien.


     

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