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Schlechte Nachrichten übermitteln: Infauste Prognose

von Sep 15, 2014Impulsgeschichten

Auch in der Situation, eine infauste Prognose zu übermitteln, kann man als Arzt Anteil zeigen und zugleich anregen, das Gutes im Schlechten zu finden statt an der Sinnsuche zu verzweifeln…

Schlechte Nachrichten wie infauste Prognose übermitteln

Weltfussballer Christiano Ronaldo hatte sich bei der WM 2014 einen Blitz auf den Kopf rasiert. Eine Hilfsorganisation hatte ihn zuvor um ein signiertes Trikot oder um abgetragene Schuhe für eine Versteigerung zugunsten von Baby Erik Ortiz Cruz gebeten. Der kleine Junge litt an einer kortikalen Dysplasie, einer angeborenen Hirnerkrankung, wodurch er bis zu 30 epileptische Anfälle am Tag hatte. Seine Eltern konnten sich die Operation nicht leisten. Ronaldo übernahm blitzartig die Behandlungskosten. Zum Zeichen des Mitgefühls rasierter er sich einen Blitz als Zeichen für die OP-Narbe des zehn Monate alten Erik auf den Kopf. Professionalität wird durch Menschlichkeit nicht irritiert, im Gegenteil. Das zeigt auch das Beispiel eines Chefarztes.*

Ein Chefarzt hatte einer Patientin eine infauste Prognose eines Tumors übermitteln. Eine schwere Aufgabe, selbst nach vielen Jahrzehnten Erfahrung als Mediziner. Zurecht, denn durch das Gespräch ändert sich beim Gegenüber von jetzt auf eben alles. Und vielleicht das Schlimmste für den Arzt: es gibt nichts mehr, was zur Heilung getan werden kann.

Max Frisch hat für solche Situationen einmal gesagt: Man sollte dem Anderen die Wahrheit wie einen Mantel hinhalten, so dass er hineinschlüpfen kann, und sie ihm nicht wie einen Lappen um die Ohren klatschen. Die Nachricht in einem Mantel verpackt hinhalten, lässt dem anderen Zeit den Mantel zu inspizieren, und wenn er dazu bereit ist, selbstbestimmt hinein zu schlüpfen…

infauste Diagnose: Unheilbar Krebs – wo bleibt die Perspektive?

Einfühlsam kam er mit der Frau ins Gespräch und bereitete sie in Ruhe auf die Botschaft vor. Im Anschluss an das Gespräch würde der Chefarzt drei Tage außer Haus sein. Die übliche Nachbesprechung am nächsten Tag entfiel somit. Und so stellte er der Patientin am Ende des Gespräches eine Aufgabe. Sie solle sich, bis er wieder in der Klinik zurück wäre, überlegen, was denn auch das Gute an ihrem Krebs sei. Im ersten Moment muss das wie eine hartherzige Missachtung gewirkt haben. Nach der Rückkehr aber kam der Chefarzt in der Visite zu der Frau und fragte sie, ob sie schon eine Antwort auf seine Frage gefunden hätte. Und das hatte sie in der Tat. Sie bat ihn, ihm dies unter vier Augen erzählen zu können. So bat er die Mitpatientin, den anwesenden Ehemann der Frau und alle Mitarbeiter kurz aus dem Zimmer und blieb mit ihr alleine zurück.

Sie erzählte ihm dann, dass sie nach all den vielen Ehejahren überzeugt gewesen war, ihr Mann würde sie nicht mehr lieben. In dieser Woche sagte ihr Mann ihr das erste Mal nach ewigen Jahren, wie er sie aus tiefem Herzen liebt und die beiden waren so liebevoll miteinander wie schon seit langer Zeit nicht mehr. Ohne den Krebs würde sie diese Liebe im Herzen nicht fühlen, und sie hätte die tiefe Gewissheit nicht, die ihr diese Woche geschenkt worden sei. Das sagte sie mit Tränen in den Augen. Nur ein paar Tage später ist sie gestorben.

Empathie und Orientierung für den nächsten Schritt

Der Mensch, dem eine Welt zusammenbricht, braucht Menschen, die hinter ihm stehen, um aufgefangen zu werden. Der Mediziner aber, hat in seiner Rolle, die infauste Prognose zu übermitteln, eine besondere Aufgabe. Es hilft nicht, wenn er nur hoch emphatisch ist; er muss zugleich wie in einem Tanz eine rechte Balance zwischen Nähe und professioneller Distanz finden. Zwischen Mitgefühl und Anregung für die nächsten Schritte. Aus dieser heraus, kann er Patienten klare Orientierung, Information und Halt geben. Die wirkt nicht im Erstgespräch, aber im Prozess richtet sie auf. Eine Reflexionsaufgabe zum Perspektivwechsel, in ein emphatisches Gespräch eingepackt, etwa kann Hilfe sein, wo sich medizinisch nichts mehr machen lässt. Wenn denn der Patient sich im Prozess öffnet, in diesen Schutzmantel zu schlüpfen.

Jeder kann reflektieren, in welche Worte gemantelt er anderen seine Nachrichten übermittelt. Dabei kann der Fokus unterschiedlich gerichtet werden, auch auf den Wechsel der Perspektive. Dinge müssen nicht einfach gesagt werden, um gesagt worden zu sein. Es soll immer wieder klar sein: Wofür dient es, wenn ich das Wort ergreife? Wofür spreche ich? Das ist meine Freiheit und Verantwortung

 

[*] Vgl. Sehouli, Jalid (2018): Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen. Kösel-Verlag, München. Die einfühlsame Sprachbegabung findet auch im Erstlingsroman des Autors seine Abbildung, vgl. Sehouli, Jalid (2012): Marrakesch. Viele Geschichten in einer Geschichte oder die besondere Geschichte von der Pastilla. akademos Wissenschaftsverlag GmbH, Hamburg.

Auch unsere persönliche Erfahrung mit der für uns plötzlichen infausten Erkrankung unseres Hundes teilen wir gerne mit Ihnen.


 

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