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Lerneinheit Salutogenese – Vom Verstehen, Bewältigen, Sinn finden

von Jan 9, 2022Blogs

Die Salutogenese nach Aaron Antonovsky fand eine einfache Definition, was Menschen resilient und gesund erhält. Zentrale Erklärung der Salutogenese ist Stimmigkeit bzw. das Kohärenzgefühl – durch Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit.

Antonovskys originäres Beispiel der Salutogenese

Im Jahre 1970 leitete der Soziologe Aaron Antonovsky eine Studie, die die Adaption von Frauen verschiedener Ethnien in Israel an das Klimakterium beinhalten sollte. Befragt wurden Frauen, die 1914-1923 in Mitteleuropa geboren und so 1939 im Alter von 16-25 Jahre waren. Antonovsky hatte eher zufällig eine Ja/ Nein Frage zur Inhaftierung in einem Konzentrationslager (KZ) gestellt. Die Ergebnisse zeigten, dass 29 Prozent der Frauen, die ein KZ überlebt hatten, über eine gute psychische Gesundheit verfügten.

Antonovsky beschreibt: „Den absolut unvorstellbaren Horror des Lagers durchgestanden zu haben, danach weiterhin jahrelang eine deplatzierte Person gewesen zu sein, sich ein neues Leben in einem Land neu aufgebaut zu haben… und dennoch in einem angemessenen Gesundheitszustand zu sein… [Dies war für mich das dramatische Beispiel, das mich zur Fomulierung der Salutogenese führte].“ [1]

Antonovsky wollte einfach erklärt haben, was es braucht, um unabhängig von äußeren Umständen seine psychische Gesundheit zu erhalten und auf der positiven Seite des Kontinuums von Gesundheit und Krankheit zu bleiben. Aus der Studie wurde die Lehre der Salutogenese im zeitlichen Kontext der Resilienzforschung [2] geboren. Dass er die zur Gesunderhaltung nötige Resilienz weniger als persönliche Eigenschaft, sondern als interaktiven Prozess verstand, ließ ihn ein Vordenker seiner Zeit sein.

 

Kohärenzgefühl: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Sinnhaftigkeit

Aaron Antonovsky kondensierte als Salutogenese eine Definition heraus, was Menschen nach extremen Stress und traumatischen Erlebnissen gesund erhält. Diese lag für ihn in der Autonomie des Wesens, das Halt im eigenen Inneren, der eigenen Wesensmitte, (emp-) findet, zu der er über die bewusste Verbindung mit seinem Herzen findet.

Durch den Halt bewahrt es sich trotz aller äußeren Umstände ein Gefühl von Kohärenz bzw. einen Zustand von Stimmigkeit. Dies befähigt einen Menschen dazu, sich an selbst widrigste Umstände anzupassen und seine (ggf. ungeahnten) Ressourcen auszuschöpfen. Antonovsky definiert Kohärenzgefühl über das Zusammenwirken folgender drei Komponenten:

  1. Verstehbarkeit: Ein Mensch, für den seine Umwelt kognitiv verstehbar ist, erlebt sie als konsistent, erklärbar. Menschen, die Begründung finden, gehen davon aus, dass auch künftig eintretende Ereignisse rational eingeordnet und erklärt werden können.
  2. Bewältigbarkeit/ Handhabbarkeit: Wie ein Mensch davon ausgeht, dass er selbst oder mit seinem sozialen Umfeld die Gegebenheiten bewältigen und verändern kann.
  3. Sinnhaftigkeit: Die Stärke der Kohärenz ist direkt an die Stärke eines Sinnbezugs in einen größeren Kontext gekoppelt. Menschen mit einem hohen Kohärenzgefühl haben ein wofür in ihrem Leben.

Menschen, die sich zu Objekten anderer machen (lassen), verlieren diese Kohärenz.

 

Prinzipien der Salutogenes in der Veränderung

Zudem geben die 3 Prinzipien der Kohärenz Führungskräften Perspektiven an die Hand, um Menschen Vertrauen für Schritte ins Unplanbare und Unbekannte zu geben.

  1. Ist das Vorgehen verstehbar, erklärbar und vorhersehbar?
    Gerade im Wandel ist die Verstehbarkeit des Was und Wie und die Hintergründe der Veränderung zentral. Wissen darüber durch fortlaufend transparente Kommunikation gibt Halt und Orientierung.
  2. Sind Gestaltungsraum und Ressourcen zur Bewältigung vorhanden?
    Gestalten und Einfluss nehmen zu können, bewusst Ressourcen und Kompetenzen für den Wandel zu haben sowie Möglichkeiten, diese weiterzuentwickeln, machen handlungsfähig. Empathisch coachende Führung, die zugleich eine klare Richtung weisen, sind dafür stabile Anker in stürmischen Zeiten.
  3. Und das Wichtigste: Lohnt sich die Anstrengung? Macht es Sinn?
    Wenn Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit der Veränderung greifbar und anschlussfähig sind, dann sind auch widrige Umstände im Übergangsprozess besser zu ertragen. Hier ist visionäre Führung gefragt.

Ist der belastende Kontext bewältigt, ist die Arbeit der Salutogenes nicht vorbei. Im Verarbeitungsprozess unterscheidet sich, ob und inwieweit posttraumatisches Wachstum möglich sind und Menschen gestärkt aus der Krise hervorgehen.

 

 

Posttraumatisches Wachstum nach der Krise

Das Leben ist durch Kontingenz und Krisen gekennzeichnet. Der Verlust eines geliebten Menschen, ein Unfall oder anderer Schicksalsschlag oder andere ihn überwältigende Situationen, in denen der Mensch durch das sprichwörtliche „Tal der Tränen“ geht, werfen radikal aus der Komfort- direkt in die Angst- und Panikzone hinein. Das Leben gerät aus den Fugen.

Komforzone

Entwicklung findet außerhalb der Komfortzone der Gewohnheit statt, die mit angenehmen Gefühlen verknüpft ist. Nämlich dann, wenn man Kontrolle loslässt und sich mit Lernbegier für neue Herausforderungen öffnet. Die Frage, die sich mit dem Heraustreten in die Lernzone stellt, ist: Will ich herausfinden, wie mich die neue Erfahrung verändert und dann offen sein für alles Gute und Schlechte, was kommt? Nur dann werde ich erfahren, wer ich dann sein werde. Ist der Schritt aus der Komfortzone so groß, dass die Situation unbeherrschbar wird, etwa weil der Anstoß dazu, nicht autonom entschieden, sondern aufgeladen wurde – folgen Überforderung und Krise. Ausgeliefertsein und ohnmächtig zu sein macht Stress, Angst oder gar Panik. Wie lässt sich aus dieser unheilvollen Zone wieder herauskommen?

Einige Menschen, die solche Krisen bewältigt haben, sagen im Rückblick von sich, sie seien daran gewachsen. Doch dafür – um von der Panikzone ins Lernen zu kommen – ist es oft ein langer – möglicherweise ein Generationen langer – Weg. Es braucht dabei die positive Auseinandersetzung entlang der drei Komponenten der Kohärenz. Zu Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit zurück zu finden, zeigt einen Weg auf. Einen Weg der Salutogenese, auf dem man selbst wieder in eine handelnde Rolle findet und neue Ressourcen entdeckt. Einen Weg, um sich seinen lebendigen Gefühlen und Bedürfnissen zu stellen und mit ihnen – und damit mit sich selbst – verbunden zu bleiben. Und den Fokus auf neue Sinnperspektiven zu richten und den ersten Schritt zu tun, neues und tieferes Vertrauen in das Leben zu finden.

Arbeit mit den eigenen Emotionen

  • Das geschieht etwa durch Trauerarbeit, in der Verlorenes ins Herz genommen wird, um loslassen zu können.
  • Ebenso bei Mentaltraining durch bewusste Imaginationen auf ein Ziel hin.
  • Und bei symbolische Handlungen, um im Unterbewusstsein verborgene Wunden durch traumatische Erlebnisse bildlich-konkret zu heilen.

Der konstruktive Weg aus der Panikzone lässt sich nicht rein rational bewältigen. Schließlich sind Gefühle von Ausgeliefertsein, Ohnmacht, Angst emotionale Erfahrungen einer Gefahr. Will man von ihnen lassen, dann muss man sie erst einmal würdigen und mit ihnen in Verbindung gehen.

So gelingt es aus dem Stress (der oft mit hoher Erregbarkeit, ständigem auf der Hut sein, Grundgereiztheit einhergeht) wieder heraus in einen inneren Frieden und Freiheit zu kommen und an der Erfahrung der dabei gewonnen Kompetenz der Selbstregulierung zu wachsen. So dass die dramatischen Emotionen nicht das letzte Wort behalten und man aus der Starre und Ohnmacht heraus der innerlich Handelnde bleibt. Anteilnahme an diesen individuellen Prozess und Achtsamkeit dafür, sind für Krisenbegleiter daher wesentlich.

Dahinter steht, sich mit allen seinen – an- und unangenehmen – Gefühlen und Bedürfnissen verbinden zu können. Ohne sich von den schönen Gefühlen abhängig zu machen oder von den negativen zerstören zu lassen. Ohne das Kranke ist das Gesunde nicht zu erkennen, ohne das Dunkle nicht das Helle, ohne den Schmerz nicht das Glück. Nach der cusanischen Philosophie (Nikolaus von Clues alias Cusanus, 1401-1464) fallen die Gegensätze auf einer höheren Ebene zusammen. Wie im Wertequadrat von Wert und Gegenwert nach Schulz von Thun ist das eine stets bereits im anderen enthalten.

Der Mensch kann nur in Relation erkennen.

 

[1] Vgl. Antonovsky, Aaron (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung von Gesundheit, dgvt-Verlag, Tübingen, S. 15.

[2] Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit des Menschen, um krisenhafte Situationen zu bewältigen. Der Begriff kommt aus dem Materialwesen und wird für die Elastizität von Werkstoffe verwendet, um Schocks zu absorbieren und danach die ursprüngliche Funktion und Form wieder aufnehmen zu können. Übertragen auf den Menschen bedeutet das, dass Resilienz ihn wie eine Art Teflon Beschichtung psychisch schützt, dass Not und Leid zu sehr in ihn dringen. So dass er trotz der äußeren Umstände in der Lage ist, psychisch stabil aus der Situation herauszufinden

[3] So funktionieren auch Vergeben, Verzeihen, Versöhnen. Was wir verdrängen, haftet weiter an. 

 

 


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