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Lerneinheit Widerstand und Resistenz – Vom Einstieg in die Veränderung

von Sep 6, 2010Blogs

Weshalb zeigt sich In der Auftragsklärung häufig Resistenz und Widerstand? Ist das ein Paradoxon der Veränderung? Oder warum liegen im „Das ist schon immer so“, „Sag Du mir, wie es geht“ oder „Alles kann so bleiben, wie es ist“ Schlüsselszenen? Weshalb da nicht gleich in die Lösungsdiskussion einsteigen?

 

Einstieg in die Veränderung

Als Begleiter in Kliniken ist der Wandel unser Metier – und damit der Umgang mit Resistenz und Widerstand. Das Anliegen definiert den Auftrag zur Veränderung. Häufig wird es auf oberer Ebene beschlossen. Berater hören dann nicht selten zu Beginn –  in Auftragsklärungen mit den Betroffenen – den Satz: „Wie wir das künftig machen, dafür sind Sie doch da, das sollen Sie uns sagen!“. Oder es folgt gleich: „Bei uns läuft doch alles prima. Das haben wir immer schon so gemacht. Hier soll alles einfach so weiterlaufen.“ Selbst Schieflagen werden ausgeblendet.

Resistenz und Widerstand: Sag du mir, wie es geht

Sicher ist solcher Widerstand für einen stillen Beobachter kein begeisternder Auftakt. Viel kreativer und inspirierender wäre es doch, frei zu spinnen und direkt in die Diskussion von Lösungen einzusteigen. Oder? In der Tat ist diese kurze Episode in unserer Arbeit eine Schlüsselszene mit den Menschen im Projekt, die das Anliegen nicht selbst formuliert haben. Veränderung wurde über ihre Köpfe hinweg entschieden. Dass hier Widerstand entsteht, ist wenig erstaunlich und zeugt von einem starken Standpunkt und einer Haltung. Man lässt sich nicht wie ein Objekt fremdsteuern und läuft nicht blind irgendwelchen Befehlen hinterher. Es gilt es, Betroffene abzuholen und sie zu Beteiligten zu machen. Was sie selbst verstehen, dafür können sie auch Verständnis und Überzeugung entwickeln. 

An diese Stelle mag der „klassische“ Berater mit seinem 08/15 Konzept gar nicht kommen, der das Anliegen des Nutzers auf der anderen Seite nicht auf dem Radar hat. Da wird lieber mit klaren Vorgaben gearbeitet, statt sich in emotionales Chaos verstricken zu lassen. Das ist eng mit dem Menschenbild der Entscheider verknüpft, Menschen als Objekte, und nicht als autonome Subjekte zu sehen, die ihre Arbeitswelt mitgestalten können und wollen (und dürfen/ sollen). So hat der klassische Berater einen Auftraggeber als Entscheider, eine standardisierte Problemlösung und fertig. Wenn die Mitarbeiter in einer solchen Kultur aber eh nicht mitzuentscheiden haben, sondern Empfänger von Anordnungen sind, wen wundern dann Aussagen wie „Sagen Sie mir, wie es geht“…?

Die systemische Erarbeitung eines spezifischen Konzeptes – mit der Organisation statt über sie hinweg – stellt da ganz andere Anforderungen. Auch wenn die Nachhaltigkeit eine andere ist – die Wahrnehmung und Integration der Betroffenen kostet Zeit und Ressourcen. 

 

Resistenz und Widerstand: Das haben wir immer schon so gemacht. Bei mir läuft alles prima. Alles kann so bleiben wie es ist.

Der Empfänger einer Nachricht versucht die Botschaft des Betroffenen einzuordnen und zu analysieren. Anderen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist eine oft genutzte Strategie. Bei allen Lösungen, Ideen und Ratschlägen ist der Mensch schnell mit dem Kopf unterwegs. Was dabei gerne zu kurz kommt, ist die Einfühlung in das Gegenüber. Wo kommen Resistenz und Widerstand her? Was geht bei dem Anderen in dem Moment vor, was braucht er gerade? Weshalb erzählt er das? Welche implizite Bitte äußert er?[1]

Dem Sender ist dabei oft selbst nicht bewusst, worum es ihm mit der Resistenz seines Verhaltens eigentlich geht. Vielleicht ist ihm nicht einmal bewusst, wie stark er in Resistenz und Widerstand ist. Das Verdrängen von Problemen und blinden Flecken schützt nicht zuletzt vor dem Schmerz, der in der Auseinandersetzung liegt. Den Betroffenen für die Veränderung aufzuschließen und mit seinen Motivationen zu integrieren braucht Zeit und Raum. Wenn es gelingt, ist es anschließend möglich, die Rolle des Gegenübers im Projekt gemeinsam zu klären. Im Erstgespräch geht es uns dann darum, aktiv zuhören, ein Gefühl für das Gegenüber, die Organisation und verschiedene Sichtweisen zu gewinnen. Worin liegt das Problem? Bzw. wie wird es erklärt? Wo liegt das Ziel? Warum war es bislang nicht möglich, den gewünschten Zustand zu erreichen? Welche zentralen Stolpersteine wären dafür aus dem Weg zu räumen?

Schlüsselszenen des Widerstands geben eine wichtige Information über die Organisation und das Problem an sich und dürfen vom Begleiter des Wandels durch einen vorschnellen Einstieg in die Lösungsdiskussion (Strategiearbeit), so spannend und reizvoll diese auch sein mag, auf keinen Fall übersehen werden. Die Lösungssuche hat in der Auftragsklärung, Info-Sammlung und Initiierung noch nichts zu suchen. Es gilt vielmehr, groß zu denken, den Spielraum auf allen Ebenen offen zu halten und so wirklich große Veränderungen in der künftigen Zusammenarbeit möglich zu machen. Allenfalls lassen sich punktuell erste Ideen setzen, die dann weiter im System keimen können. Es braucht die Zeit und Ruhe zur Reflexion, um Wesentlichem auf die Schliche zu kommen und erst einmal den Widerstand zu offenen Widerspruch zu machen… Damit lässt sich arbeiten.

 

[1] Hier steht uns das wertvolle Instrumentarium der gewaltfreien Kommunikation von M. Rosenberg zur Verfügung und deren Übertragungen auf den Kontext des Gesundheitswesens und der professionellen Beratung. Vgl. 

Marshall Rosenberg (2012): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann. 
Melanie Sears (2012): Gewaltfreie Kommunikation im Gesundheitswesen. Junfermann.
Marie R. Miyashiro (2013): Faktor Empathie: Ein Wettbewerbsvorteil für Teams und Organisationen. Junfermann.