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Lerneinheit Dramadreieck – Vom Drama im Konflikt

von Feb 12, 2018Blogs

Konflikte im Team bzw. versteckte Spiele zu verstehen und zu bearbeiten fordert. Wie kann das Dramadreieck dazu eine Hilfe sein?

 

Dramaspiele und Dramadreieck

Das von Stephan Karman (1968) in die Transaktionsanalyse eingeführte Dramadreieck liefert Impulse, um Konflikte und damit verbundenen Spiele in ihrer Dynamik zu verstehen und zu klären.[1] 1964 entwickelte der Arzt und Psychologe Eric Berne zuvor in seinem Werk „Spiele der Erwachsenen“ die Transaktionsanalyse. Diese wurde immer wieder erweitert, etwa um Innere Antreiber von Taibi Kahler et al. (1977). Transaktionen sind für Berne automatisierte Wechselspiele von Reiz und Reaktion. Es beinhaltet Informationen über Beziehungen der Individuen zueinander. Kommunikation ist ein Austausch innerer Zustände der Personen. Ein Spiel im Sinne der Transaktionsanalyse ist eine Abfolge von Kommunikation nach festen, verdeckten Mustern. 

Gelingende Kommunikation besteht aus (komplementären, erwarteten) Transaktionen der Beteiligten. Werden die Erwartungen nicht erfüllt, kommt es zu Spannung. Unstimmig wird Kommunikation, wenn das Gesagte das Gemeinte verdeckt. Bei den verdeckten Botschaften beginnen die Spiele der Transaktionsanalyse, die dem Rollenspiel eines klassischen Dramas zu folgen scheinen. Ähnlich wie im Theater, in Märchen und Heldensagen beschreibt das Dramadreieck einen Ablauf, in dem die Akteure drei Rollen untereinander aufteilen. Sie wechseln dabei durchaus auch zwischen den Rollen. I.d.R. endet das Gespräch ungut, im Drama. Die Rollen und das unbewusst ablaufende Spiel aufzudecken, sensibilisiert die Akteure und kann als Intervention Wege öffnen, aus dem Drama auszusteigen.

 

Die drei Rollen im Dramadreieck

  • Der Ankläger (oder auch Verfolger oder Täter) kritisiert und klagt an. Oft abwertend, mit Vorwürfen und zurechtweisend.
  • Der Retter eilt dem Opfer zu Hilfe. Oft ungefragt. Er übernimmt Verantwortung des Opfers. Wird ihm auf Dauer nicht gedankt, verwandelt er sich nicht selten in einen Ankläger („So was Undankbares.“) oder ein Opfer („Niemand sieht, was ich leiste.“).
  • Das Opfer leidet und fügt sich, fühlt sich ohnmächtig und abhängig. Oft unterwerfend. So lädt es unbewusst den Retter ein zu helfen und triggert den Ankläger weiterzumachen.

Besonders in hierarchischen Strukturen mit ihrem Machtgefälle wird das Dramadreieck rund um die drei Rollen gern inszeniert. Gerade in heilenden Berufen, denen das Helfer-Syndrom in die Wiege gelegt ist, finden sich immer wieder Retter, die das Dramaspiel über längere Zeit stabilisieren, statt es zu stören. Kommen Stress und Verausgabung hinzu, führt dies nicht selten dazu, dass der Retter entweder um sich schlägt (und zum Verfolger wird) oder in eine Opferhaltung fällt. Wer erst einmal in die Rollen verstrickt ist, kann oft dem Sogeffekt nicht entkommen und nicht mehr austreten und mitfühlend kommunizieren. Statt dessen bestätigen sich die Akteure durch die weitere Interaktion ihre Sicht, Rolle und Bedeutung selbst. Die Verbindung der Akteure wird immer mehr verletzt und endet letztlich im Drama.

 

Ein klassisches Spiel im Dramadreieck mit wechselnden Rollen

Im Drama des Berufsalltags treten als Akteure auf: Chefärztin als Obere Leitungskraft (OL), Oberarzt als direkte vorgesetzte Führungskraft (FK), Assistenzarzt als Mitarbeiter (MA). [2]

Akteur gesagt gedacht Rolle
  1. Prolog
OL Ich möchte kurz über Ihre Arbeitsleistung sprechen. Ihre FK bleibt am besten gleich hier. Mir reicht es. Der MA braucht endlich mal ein Machtwort! Ankläger läuft sich warm.
MA In Ordnung, worum geht es? Oh je, jetzt kommt’s. Opfer bereitet sich vor.
FK O.k., ich bleibe noch. Wenn das mit den beiden mal gut geht. Retter macht sich bereit.

1. Akt

OL Ich habe es Ihnen schon mehr als einmal gesagt. Aber sie erbringen noch immer nicht die geforderte Leistung. Der MA sollte sich nach einem anderen Beruf umsehen. Ankläger in Hochform
MA Wie soll ich das alles denn schaffen? Mich unterstützt ja keiner. Das ist so ungerecht. Opfer in Hochform
FK Ich bin ja auch noch da. Ich kann den MA die nächsten Wochen stärker anleiten. Der Retter ist da.

2. Akt

OL Mich fragt auch niemand, wie ich meine Vorgaben erfüllen soll. Ohne selbstständig mitdenkende Leute kann ich hier nicht arbeiten. Ankläger wechselt zum Opfer.
MA Sie arbeiten mich nicht richtig ein und dann soll ich Ihre Zahlen erfüllen. So geht das nicht. Nicht mit mir. Dem zeig ich’s jetzt mal deutlich. Opfer wechselt zum Ankläger.
FK Also bis jetzt haben wir das doch immer hinbekommen. Das werden wir auch jetzt schaffen. Ich unterstütze den MA einfach noch mehr. Retter rettet.

3. Akt

OL Wir können die Pläne für die Einarbeitung nochmal gemeinsam durchgehen und schauen, wo wir etwas verbessern können. Dann helfe ich eben mit. Opfer wechselt zum Retter. Aber nur kurz.
MA Welche Pläne denn? Die ist mit mir keiner durchgegangen. War ja klar, dass bei meiner Einarbeitung was schief geht. Warum passiert das immer bei mir? Ankläger wechselt wieder zum Opfer. Da fühlt er sich wohler.
FK Also, wenn Sie die Pläne nicht einmal gelesen haben, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Unverschämt. Ich hatte mit den Plänen so viel Arbeit. Retter wechselt zum Ankläger.
Schlussakt
OL Also jetzt reicht’s mir aber mit dem Kindergarten. Sie gehen jetzt mit dem MA die Pläne durch und wenn das bis Monatsende nicht besser wird, war’s das! Der FK hat so eine Niete eingestellt! Das wird doch nichts. Retter wechselt zurück zum Ankläger. Da lebt es sich besser.
MA Ich gebe doch schon mein Bestes. Immer wird an mir rumgenörgelt. Ich sollte mir was anderes suchen, aber das bringt ja auch nichts. Opfer richtet sich in der Opferrolle ein.
FK Wir klemmen uns nächste Woche zusammen richtig dahinter. Eigentlich müsste ich mich noch viel mehr um die MA kümmern. Der Retter ist wieder da.

 

Damit bestätigt sich am Ende jeder seine bevorzugte Rolle im Dramadreieck selbst.

Konflikte lassen sich nachhaltig nur auf Augenhöhe wirklich lösen, wenn die Bedürfnisse der Akteure gesehen sind. Solange aber die drei in ihre Rollen und Machtspiele im Dramadreieck verstrickt bleiben, ist der Zugang zu den Bedürfnissen verstellt. Es entsteht keine nachhaltige Lösung. Der nächste Dialog wird ähnlich verlaufen. Jeder ist in Rollen und Kommunikationsmustern gefangen. Wie wird miteinander gesprochen? Bevor Konflikte eskalieren, ist ein Sensibilisieren der Konfliktpartner für das Dramaspiel hilfreich. Sich Gespräche, die Verstimmung ausgelöst haben, zu vergegenwärtigen hilft, Rollen und Muster zu entschlüsseln und empathisch den Blick zu weiten:

  • Wie fängt das an? Was passiert als nächstes? Und dann? Wie endet es?
  • Wie fühle ich mich dabei? Was hätte ich gebraucht in der Situation? Was vermute ich, wie die andere Person sich dabei fühlt? 
  • Welche Botschaften bzw. unausgesprochenen Gedanken sende ich? Was kommt beim Gegenüber an? Welche Reaktion rufe ich hervor?

Reflexion und Bewusstwerdung sind Gamechanger: Welchen Ausstieg es aus den Rollen und Machtspielen gibt es? Wie gelingt der Sprung zurück in die offene Kommunikation und menschliche Verbindung? Zurück in die originäre Verantwortung jenseits des Dramas. Dazu gilt es zunächst zu würdigen, dass jede Rolle im Drama ein Lösungsversuch ist und insofern auch etwas Gutes enthält. Diese gilt es, in eine bewusst konstruktive Handlung zu integrieren.

 

Raus aus dem Dramadreieck

Rollen sind Verhaltensmuster. Gerade unter Stress werden die Rollen getigert. Zwischen Reiz und Reaktion ein Stop zu setzen und zu reflektieren, welcher alte Schmerz reinszeniert und vertieft wird, ist situativ nicht leicht, wenn das Spiel erst mal im Gang ist. Es gilt das Dramaspiel zu erkennen und zu benennen und bewusst Stop zu sagen und aus dem Kreis der Verletzung und Konflikteskalation auszusteigen.Dazu bedarf es der Selbsteinfühlung und -reflexion ebenso wie das Anerkennen der Verletzungen und Bedürfnisse der anderen Akteure.

Vom Retter zum Hilfsangebot zur Selbsthilfe

Retter zu sein hilft, sich wertvoll und gebraucht zu fühlen. Das wertet automatisch den Selbstwert auf und schafft Verbundenheit mit dem Opfer. Sich für andere aufzuopfern, immer für sie da zu sein, verstrickt schnell in Überverantwortung und Überforderung. Der Retter lässt sich gerne triangulieren, macht das System von sich abhängig und stabilisiert damit den Konflikt. Statt durch Hilfe zur Selbsthilfe Helfer, Begleiter und Unterstützer zu sein. Er kann zwischen Ankläger und Opfer moderieren und beiden auf Augenhöhe begegnen. Wenn er nicht ungefragt in die Presche springt und Verantwortung nicht an falscher Stelle übernimmt. Erst wenn man das Gegenüber – wie Jeffrey Brown – beginnt mit seinen ebenbürtigen Bedürfnissen wahrznehmen, öffnet sich ein neuer Weg von Vertrauen, Unabhängigkeit und Freiheit. 

Wichtig  für den Retter ist dazu die offene Frage: „Was kann ich jetzt für Sie tun?“, „Was erwarten Sie von mir?“ oder auch „Was brauche ich?“… Fragen helfen, um den Retter zu bremsen und unerbetene Hilfe zu vermeiden. Um so zu unterstützen, dass das Gegenüber in seine eigene Kraft findet und in seiner Selbstwirksamkeit gestärkt wird. 

Vom Ankläger zur Reflexion

Opfer früher Gewalt vermeiden oft warme Nähe und werden später selbst Täter. Täter, die andere mit Vorwürfen anklagen und ihnen damit Schmerz zufügen, waren einst selbst einmal Opfer. Sie tun nicht nur anderen weh, sondern auch sich selbst, in dem sie über ihre eigenen Verletzungen hinweg gehen. Für das, was einen selbst bedroht, kann man keine Empathie aufbringen. Man muss es abwehren oder bekämpfen, um sich nicht vom alten unerlösten Schmerz überfluten zu lassen. Statt Reflexion finden Projektionen statt und andere werden zu Sündenböcken und gar zu Feinden ihrer Wahrheit erklärt. Wenn sie so Macht ausüben, spüren sie die eigene innere Ohnmacht nicht.

Der Ankläger kann seine Energie nutzen, um konstruktiv Missstände anzusprechen und sich aufrichtig mitzuteilen. Gestalten ohne Abwerten des Gegenübers. Anstelle der Projektionen auf das Opfer kann er sein Talent zur Reflexion nutzen und hier den Finger in die Wunde legen. Er könnte fragen: „Was lässt sich konkret ändern und wie kann ich dabei in der Verbindung bleiben?“.

Vom Opfer zur offenen Bitte

Wer sich immer angepasst und eigene Bedürfnisse verdrängt hat, kann sich auch in späteren Beziehungen besser anpassen als abgrenzen und neigt zu emotionaler Abhängigkeit. Er nimmt Vorwürfe gerne an, wobei eine Mitschuld ja immer leichter zu ertragen ist, als völlige Ohnmacht. Doch auch ein Opfer kann aus der vermeintlichen Abhängigkeit und der Rolle heraus gehen. Sich seine Erfolge, Stärken und Möglichkeiten vergegenwärtigen und formulieren, was es braucht – so tritt der Mensch für sich selbst ein, übernimmt Eigenverantwortung und wird selbstwirksam. Diese Aktivität stärkt den Zugang zur eigenen Kraft.

Klagen über Erlittenes sind ein erster wichtiger Schritt dahin, dass der Mensch sich gehört, gesehen, wahrgenommen wird und sich angenommen fühlt. Das bewirkt schon, dass die Emotionen sich auflösen. Doch in der Klageschleife festzustecken manifestiert Hilflosigkeit und wir kommt nicht in Verbundenheit im Hier und jetzt. Wer statt dessen beginnt, eine offene Bitte zu stellen, kommt leicht wieder hinaus…

Kultur des Respekts

Wohin Konflikte führen, die nicht produktiv mit Kompetenz zur Konfliktmoderation  aufgelöst werden, führt uns das Schema von Glasl zur Konflikteskalation nur allzu klar vor Augen. Nichtstun und bei nächster Gelegenheit weiter dem Abgrund entgegen zu gehen, ist keine Lösung.[3] Ist das Drama-Spiel erst einmal erkannt, benannt und reflektiert, dann können alle zu einer konstruktiven Kommunikation beitragen:

  • Eine für die Rolle unerwartete Antwort geben und damit aus ihr aussteigen.
  • Wahrnehmungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten offen äußern.
  • Metakommunikation: die Dynamik des Spiels thematisieren.

Innere Antreiber übernehmen das Steuer. Dramen sind häufig dazu gut, Aufmerksamkeit und Beachtung zu provozieren. Eine Kultur des unbedingten Respekts füreinander schafft neue Optionen.

 

[1] Vgl. Karpman, Stephen (1968): Fairy tales and script drama analysis. In: Transactional Analysis Bulletin 7 (26), S. 39-43.

[2] In Anlehnung an Ute & Heinrich Hagehülsmann: Der Mensch im Spannungsfeld seiner Organisation. Transaktionsanalyse in Managementtraining, Coaching, Team- und Personalentwicklung, Jungfermannsche Verlagsbuchhandlung, 3. Aufl. 2007. S. 166 ff. Zur TA im Führungsalltag vgl. auch Sejkora, Klaus | Schulze, Henning (2016): Die Kunst der starken Führung. Persönliche Potenziale kraftvoll nutzen. Ressourcen der Mitarbeiter stärken.

[3] Zur Konfliktklärung vgl. auch Thomann, Christoph | Prior, Christian (4. Auflage 2007): Klärungshelfer 3. Das Praxisbuch. Rowohlt; Shapiro, Daniel (2018): Verhandeln – Die neue Erfolgsmethode aus Harvard.


 

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