Wie nimmt der Patient Qualität auf Station wahr? Und wieso brauchen gute Prozesse gute Kommunikation, Kompetenz und Koordination – gerade auf Station, wo der Patient sie bemerkt? Wie ist unser Stationskonzept rund das interprofessionelle Stationsteam aufgebaut?
Qualität auf Station
Die alte Dame liegt nach einem Sturz in der Klinik. Wie fühlt sie sich wohl? Was weiß sie von dem, wie es um sie steht und wie ihre Behandlung weiter geht? Diagnose, Therapie, Reha? Was braucht sie noch? Wann ist ihre Entlassung? Wie wird es dann weitergehen? Ist sie gut aufgehoben? Woran macht sie das fest?
Dasein – kommunikativ, kompetent, koordiniert
Die Einschätzung von der Qualität einer Dienstleistung kann sich wenig an den Eigenschaften eines Produkte und Eindrücken vor dem Kauf festmachen. Sie hängt daher stark vom Vertrauen des Kunden ab. In der Klinik ist das nicht anders. Doch haben hier Sicherheit und Vertrauen eine noch um vieles stärkere Bedeutung – da Menschen sich hier in Grenzsituationen des Lebens ihrer Verletzlichkeit bewusst werden. Über die Qualität der medizinischen und pflegerischen Leistung zu urteilen, ist der alten Dame kaum möglich. Sie braucht daher v.a. emotionale Sicherheitsanker, um ihr Vertrauensurteil zu bilden: Wie ist die Behandlung organisiert? Ist das Personal freundlich? Wie wird sie mit Informationen versorgt und mit ihren Sorgen und Ängsten wahrgenommen? So bildet sie sich ein erstes – später nur schwer revidierbares – Urteil. Dabei hält sie sich doch die meiste Zeit auf Station auf.
So kommt der Station der zentrale Stellenwert im Patientenerleben zu. Für Stationen ist es daher auch besonders in der Akutphase wichtig, Sicherheitsanker zu geben. Dass Personal sich bewusst zur Kommunikation Zeit nimmt. Dass Patienten klare Strukturen, Ordnung und Ruhe erleben. Erfolgsfaktor dafür sind Leitung und Team auf Station. Wie integriert die Leitung Menschen zu Teams? Dass alle ihren Beitrag für den Patienten leisten, verbindlich Verantwortung übernehmen und täglich die Organisation gestalten? Was ist der Schlüssel dazu? Dahinter stecken Führungsteams, die Menschen und die Organisation entwickeln – mit Achtsamkeit für die Stärken und Motivatoren. Wenn sich Menschen als wirksam erfahren und insofern mächtig sind – dann beginnt Veränderung.
Prozesse und Kommunikation rund um die Station
Um nach außen gut zu wirken, darf eine Klinik stetig nach innen an sich arbeiten. An Struktur, an Kompetenz, an Ablauf und an der Zusammenarbeit. Das wirkt auf Patienten, Einweiser, Mitarbeiter und Träger. Stationen sind die Einheiten mit dem direkten und tiefsten Kontakt zum Patienten. Probleme von der Aufnahme bis zur Entlassung werden hier ausgebadet.
Was Prozesse und Kommunikation auf Station verkompliziert ist die hierarchische Trennung der Berufe auf und rund um die Station. Es gibt Klassischerweise in der Klinik kaum Berufsgruppen übergreifende organisatorische Verantwortung für die stationäre Versorgung des Patienten und Verantwortung für den Gesamtprozess von der Aufnahme bis zur Entlassung, die mit disziplinarischen Rechten zum Entscheiden, Eingreifen und Durchsetzen ausgestattet ist. Um das zu überbrücken, braucht es gelebte Prozesse als Team an der Basis und in der Führung. Auch mit klaren Regeln an den vielen Schnittstellen zur Station hin.
Vertiefen Sie das in unseren weiteren Lerneinheiten hierzu:
- Lerneinheit Klinikmarketing – Von innen nach außen wirken
- Lerneinheit Prozessfluss – Von Aufnahme- und Entlassprozessen
- Und: Lerneinheit Visiten als Ritual – Spiegel der Kultur einer Klinik
Stationskonzepte – Konzeption und Umsetzung
Phase 1: Bedarf analysieren und das Führungsteam aktivieren
Anliegen, Entscheider und des Führungsteams der Station sind Klärungspunkte zu Beginn. Ziel des Auftakts ist es, einen Rahmen und eine gemeinsame Sicht zu entwickeln. Hier ist die SWOT Analyse ein gutes Tool mit Blick etwa auf
- Stärken, Engpässe und Probleme, Chancen und Risiken.
- Nutzen, Ziele und Ergebnis des Stationkonzeptes.
- Organisation im Management, Ressourcen und Rollen im Management und im Projekt.
Phase 2: Standortbestimmung und Zielbild konzipieren
Die Themen auf Station werden aus diversen Winkeln bewertet. Stärken und Potenziale, Best Practises sowie Konflikte, Risiken und Schwächen werden unter die Lupe genommen. Hierfür nutzen drei weitere Instrumente der Standortbestimmung: Beobachtung, Befragung, Auswertung.
Beobachtung
Im ersten Blick der Begehung und Prozessbeobachtung auf die Station beobachten wir z.B. im Rahmen von Schattentagen v.a. die Prozessorganisation:
- Räumliche und funktionale Organisation.
- Personelle Ressourcen, Dienste in der Pflege sowie Rotation der Ärzte.
- Aufnahme und Entlassung, Belegung, Visite.
- Berufsgruppen übergreifender Tagesablauf und Kommunikation.
- Prozesse und Zusammenarbeit an den Schnittstellen. Die Zuarbeit der Diagnostik betrifft z.B. Betriebszeit, Personaleinsatz, Planung und die Prozesse von der Vorbereitung des Patienten bis zum Transport zurück auf die Station und zur Übergabe der Befunde. Die Zuarbeit der Intensivstation enthält z.B. Zu- und Abfluss und Verlegungen zu managen uvm.
Befragungen
Unbedingt befragen wir direkt die Mitarbeiter. Entweder in mündlicher oder in schriftlicher Form. Wobei die Online Befragung die Ressourcen schonendste für die Klinik ist. Dies hat zum Ziel, v. a. die Zufriedenheit, die akuten Bedürfnisse sowie die aktuelle Stimmung zu erfassen und ein Zeichen für den Aufbruch zu setzen.
- Lerneinheit mündliche Befragungen – Von strukturierten Interviews
- Lerneinheit schriftliche Befragungen – Vom Umgang mit Feedback
Auswertungen
Kennzahlen verdichten Information und geben Hinweise auf Potenziale (Kapazitäten, Leerzeiten, Auslastung, Relevanz von Diagnostik bspw.). ZDF – Zahlen, Daten und Fakten – werden in der BSC (Balanced Scorecard) Systematik ausgewertet. Sie werden mit den Beobachtungen und Befragungen abgeglichen und die Ergebnisse präsentiert. Im Abgleich mit positiven Beispielen anderer Häuser etwa werden Optionen gezeigt und diskutiert. Ergebnis ist ein konkretisierte Zielbild und die Ableitung von Quick Wins. Häufig beinhaltet dies etwa
- Synchronisieren von Aufnahme, Entlassung, Visite.
- Reduzieren von Reibungen an den Schnittstellen.
- Klare Management Strukturen aufsetzen.
- Kapazitäten und Casemix steuern, Belegung managen.
- Konzentration auf Kernarbeiten durch Neuordnen und Klären von Rollen.
- Coachings, Trainings und Maßnahmen in der Kommunikation.
Phase 3: Stationskonzept ausarbeiten und kommunizieren
Die Lösungen werden mit Arbeitsgruppen erarbeitet und detailliert. Dabei werden Ist Analyse vertieft und schlanke Soll Prozesse entwickelt. So entsteht ein Stationskonzept aus Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation der Station. Dieses kann in einem Stationshandbuch abgebildet werden oder in einer Vielzahl von schlanken Tools des Lean Management. Wir sind besondere Fans von Checklisten. Eine transparente, offene, breite Kommunikation mit den Betroffenen ist wesentlich.
Phase 4: Umsetzung vorbereiten und begleiten
Dann wird das Umsetzen des Konzepts vorbereitet, um eine hohe Verbindlichkeit zu erreichen. Hierzu erarbeiten wir mit dem Führungsteam der Station Bündel von Maßnahmen und ein Reporting, um den Fortschritt im Verlauf nach PDCA stetig zu reflektieren und voran zu bringen. Die Einführung von Methoden wie das Teamboard unterstützen das tägliche Teamerleben.
Projektphase 5: Umsetzung verstetigen
Regelmäßige Feedbacktage bzw. Audits sichern Kontinuität, stärken die Führung vor Ort, die neuen Prozesse in der Praxis verbindlich anzuwenden. Die Leistung des Teams wird anerkannt und gewürdigt, die Struktur im PDCA gefestigt und die Umsetzung verstetigt.
Und dann: Das Stationskonzept mit einem ISO Zertifikat krönen
Die Verbesserung der Zusammenarbeit steht im Fokus, das Zertifikat ist Beiwerk
Nicht koordinierte Entlassungen erzeugen Hektik. Neuaufnahmen warten trotz Termin über Stunden auf ihr Bett. Patienten beklagen sich, dass die Mitarbeiter zu wenig Zeit für sie haben. Defizite in der Information zwischen den Berufen führen zu Mehrarbeit. Der Mangel an Fachkräften verschärft dies weiter. Es mangelt an Kompetenz und Personal an sich. Die Koordination der Abläufe ist auf der Station direkt zu erleben. Mit relativ wenig Aufwand ist es in der Folge möglich, die Stationskonzepte im Projekt mit einem ISO Zertifikat zu krönen und im ISO Prozess das Umsetzen des Systems stetig zu evaluieren. Die Entwicklung steht im Zentrum, das Zertifikat ist ein Nebenprodukt, das die vereinte Anstrengung würdigt. Das ist der originäre Gedanke von QM. In Zeiten, in denen das Zertifikat gerne mit QM verwechselt wird, kann daran immer mal erinnert werden.
Hier und nicht am Zertifikat setzt das Stationskonzept an:
- In Workshops werden mit den Berufsgruppen Lösungen erarbeitet,
- wobei stets die Perspektive des Patienten das Ziel ist (Denken in Prozessen).
- Je Station wird ein Management Team ernannt aus Oberarzt, Stationsleitung und ggf. Koordinator.
- Dieses bekommt Reports und weitere Management Tools an die Hand.
- Gestufte Personalkonzepte fokussieren Arzt und Pflege auf ihre Kernarbeit.
Was mit dem Stationskonzept bereits für die ISO Zertifizierung vorliegt
Was liegt bereits vor, wenn im Anschluss eine ISO Zertifizierung angestrebt wird? Das Stationskonzept ist wie ein Handbuch einer Station. Es enthält viele der Vorgaben für die ISO Zertifizierung, etwa zu Führen und Managen der Ressourcen und Prozesse u.a.:
- die Ziele und die Kennzahlen für die Station (Qualitätsziele).
- das Management Team, Aufgaben, Kommunikation und Management Reviews (Verantwortung der Leitung).
- die Besprechungen im Behandlerteam (Interne Kommunikation).
- die Besetzung in Pflege, Arzt und im unterstützendem Personal (Personelle Ressourcen).
- über alle Mitarbeiter der Station abgestimmte Tagesabläufe inkl. z.B. Belegungsmanager, Stationssekretär, Stationshilfe, Kodierer (Personelle Ressourcen).
- das Einführen der neuen Mitarbeiter in die Orga (Kompetenz, Bewusstsein und Schulung).
- Regelungen zu ausgelagerten Leistungen wie Diagnostik und Transport (Infrastruktur/ Service Level Agreement).
- die Entwicklungsgespräche (Kompetenzen und Arbeitsqualität der Mitarbeiter ermitteln und weiterentwickeln).
- die Kernprozesse Aufnahme, Entlassung, Übergabe, Anordnung und Visite mit fixen Zeiten und Verantwortungen (Planung der Behandlung).
Statt nur IST Prozesse zu beschreiben, werden gemeinsam Abläufe über die Berufsgruppen festgelegt und das Ziel echter Verbesserung für Patienten und Mitarbeiter erreicht.
Was ist dann darüber hinaus noch zu tun?
Die noch fehlenden Regeln betreffen Bereiche, die oft bereits in der Klinik geregelt sind oder fern der Station zu bearbeiten sind. Dazu gehören u. a. Pflichten wie das Durchführen interner Audits, Maßnahmen zur Korrektur und Vorbeugung, die Lenkung von Dokumenten und Aufzeichnungen sowie eine Management Bewertung durch die oberste Leitung. Zudem fordert die ISO 9001 u.a. Regeln zu
- behördlichen Auflagen bzw. Gesetzen wie Hygiene, Arbeitsschutz, Anwendung von Medizinprodukten,
- Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter,
- Umgang mit Eigentum von Patienten,
- Beschaffung und Bewertung von Lieferanten,
- Lenkung von Überwachung und Messmitteln,
- Ermitteln der Anliegen von Kunden (Befragungen, Beschwerden)
- Forschung und Lehre für Universitäts-Klinika.
Diese Punkte können bearbeitet werden, ohne die Ressourcen der Stationen zu belasten.
Sich erst um Strukturen, Prozesse, Ergebnisse und Erlebnisse und dann um das Zertifikat zu kümmern, entspricht dem Kern des QM. Koordinierte Abläufe und regelhafte Kommunikation reduzieren das Verschwenden von Ressourcen und sind so – nach der Idee des Lean Management – ein Beitrag zur Wirtschaftlichkeit und Qualität der Klinik.